Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, sieht einen Vorschlag aus Baden-Württemberg zur Veränderung seines Gremiums kritisch. Natürlich könne man sich immer andere Strukturen vorstellen, teilte Mertens auf Anfrage mit. Etwas Neues sollte aber besser sein als das Alte. „Ein Bundesgesundheitsamt gab es ja bereits früher“, erläuterte der Ulmer Virologe.
Der Stuttgarter Landessozialminister Manne Lucha (Grüne) hatte sich am Donnerstag für ein „Bundesgesundheitsamt mit breiter wissenschaftlicher Expertise“ ausgesprochen. Da dürfe es keine Konkurrenzunternehmen mehr geben, hatte der Minister der „Badischen Zeitung“ gesagt.
Das damalige Bundesgesundheitsamt war 1994 infolge eines Skandals um kontaminierte Blutpräparate aufgelöst worden. Die Aufgaben der Behörde wurden auf drei Nachfolgeinstitute verteilt. Darunter ist das Robert Koch-Institut, bei dem auch die Stiko angesiedelt ist.
Seine Kritik verband der Landesminister auch mit dem Thema der Stiko-Empfehlung zur Corona-Impfung von Kindern und Jugendlichen. „Wir sind der Überzeugung, dass die Impfung für Jugendliche eine große Chance ist, und sind da auch selbstbewusster geworden“, hatte Lucha gesagt.
Über die Impfung von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren wird in Deutschland gerade gerungen - möglich ist sie bereits bei niedergelassenen Ärzten und in Impfzentren, allerdings hat die Stiko noch keine allgemeine Empfehlung dafür ausgesprochen.
Baden-Württembergs SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sagte: „Jetzt als Minister öffentlich Stimmung gegen ein unabhängiges Expertengremium zu machen, nur weil man in einer Sache anderer Meinung ist, halte ich für grundfalsch.“ Es werde auch nicht der Landesrechnungshof abgeschafft, nur weil er der Landesregierung einen verfassungswidrigen Nachtragshaushalt bescheinige.
Die Stiko sei ein unabhängiges Gremium, sagte Stoch. Sie unterstützte seit fast 50 Jahren die Politik mit medizinischen Empfehlungen und Ratschlägen. Er verstehe, dass die Mediziner der Stiko Vorsicht walten ließen und noch keine offizielle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren ausgesprochen hätten. „Sie raten aber auch nicht von einer Impfung ab“, sagte Stoch.