Deutschland

Bund und Länder wollen politischen Druck auf Ungeimpfte massiv erhöhen

Aus einem Bund-Länder-Papier geht hervor, dass das Leben für Ungeimpfte ab Oktober erheblich erschwert werden soll. Der politische Druck auf einen Teil der Bevölkerung steigt.
10.08.2021 13:30
Aktualisiert: 10.08.2021 13:30
Lesezeit: 3 min

Im Kampf gegen eine vierte Corona-Welle in Deutschland müssen sich Nicht-Geimpfte auf mehr Testpflichten und ein absehbares Ende der kostenlosen Schnelltests für alle einstellen. Geimpfte und Genesene sollen von Regelungen zu Testauflagen ausgenommen werden. Das geht aus einem Entwurf für die Videokonferenz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten am Dienstag hervor. Über mehrere konkrete Punkte sollte aber noch entschieden werden. Die erklärten Ziele: Möglichst schnell mehr Menschen für Impfungen zu gewinnen - und einen neuen Lockdown im Herbst und Winter abzuwenden.

Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen ist vom niedrigen Niveau des Sommers rasch angestiegen. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) von Dienstagmorgen liegt die Sieben-Tage-Inzidenz nun bei 23,5 - am Vortag waren es noch 23,1 gewesen, beim jüngsten Tiefststand vor gut einem Monat 4,9.

Ein Überblick über die Ansatzpunkte der Bund-Länder-Runde, die auch aus dem Entwurf mit Stand von Montagabend hervorgehen. Das Papier liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

IMPFEN: Bund und Länder wollen einen erneuten Appell senden, jetzt überall leicht erreichbare Impfgelegenheiten anzunehmen - und zwar schnellstmöglich. „Wer im Herbst einen vollständigen Impfschutz haben möchte, muss jetzt mit der Impfung beginnen“, heißt es im Entwurf. Vollständig geimpft sind 45,8 Millionen Menschen oder 55,1 Prozent aller Einwohner. Für einen Grundschutz der ganzen Gesellschaft reicht das aber auch angesichts der ansteckenderen Delta-Virusvariante noch nicht. „Wir haben genug Impfstoff für alle Altersgruppen“, warb Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Das versprochene Angebot für alle im Sommer ist laut Bund jetzt da - das Impftempo stockt aber.

TESTEN: Schon vor den Beratungen trafen Vorschläge auf breite Zustimmung, das Angebot kostenloser Schnelltests für alle im Herbst auslaufen zu lassen - durchaus auch als Extra-Anstoß für mehr Impfungen, die ja gratis sind. Das Bundesgesundheitsministerium hatte den Schritt für Mitte Oktober vorgeschlagen - der genaue Termin war vorerst noch offen. Berlins Regierender Bürgermeisters Michael Müller (SPD) als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz nannte im ZDF als sehr wahrscheinliches Datum den 10. oder 11. Oktober. „Dann hat ab jetzt jeder acht Wochen Zeit, sich impfen zu lassen.“

Gratis sollen Schnelltests dann wohl nur noch für Menschen sein, die nicht geimpft werden können oder für die es keine allgemeine Impfempfehlung gibt wie für Schwangere oder Unter-18-Jährige.

SCHUTZMAßNAHMEN: Kein Streit zeichnete sich dazu ab, den Basis-Schutz mit Abstand, Hygiene und Maskenpflicht in manchen Bereichen bestehen zu lassen: in Bussen, Bahnen oder Geschäften. Angepeilt wurden zudem einheitliche Vorgaben, die „3G-Regel“ für den Zugang zu bestimmten Innenräumen zu verankern: Also, dass nur hinein oder teilnehmen kann, wer geimpft, genesen oder frisch negativ getestet ist. Gelten könnte dies laut Entwurf etwa für Kliniken, Pflegeheime, Innengastronomie, Veranstaltungen drinnen, Gottesdienste, beim Friseur sowie für Fitnessstudios, Schwimmbäder oder Sporthallen. Bei Beherbergungen könnte ein Test bei Anreise und dann zwei Mal pro Woche kommen.

Starten könnte dies laut Entwurf noch im August - das genaue Datum war vorerst offen. Möglich wären demnach Schnelltests, die nicht älter sind als 24 Stunden - oder genauere PCR-Tests, die bis zu 48 Stunden zurückliegen könnten. Ausgenommen wären dem Entwurf zufolge voll Geimpfte, Genesene und Schüler ab 6 Jahren, die ohnehin regelmäßig getestet werden. Im Gespräch war auch, dass die Länder die 3G-Regel bei stabil niedriger Sieben-Tage-Inzidenz aussetzen können.

DER CORONA-RAHMEN: Es zeichnete sich ab, dass eine wichtige Rechtsgrundlage wohl bestehen bleiben soll - die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“. Auch die Gesundheitsminister aller Länder sprachen sich am Montag einstimmig dafür aus, dass der Bundestag sie über den 11. September hinaus verlängert. Das Parlament hatte das zuletzt am 11. Juni getan - ohne erneutes Votum würde die Sonderlage nach drei Monaten auslaufen. Sie gibt dem Bund das Recht, direkt Verordnungen etwa zu Tests und Impfungen zu erlassen. Auch Maßnahmen der Länder wie Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen beziehen sich laut Infektionsschutzgesetz auf die Feststellung dieser Sonderlage.

Im Entwurf heißt es außerdem, Bund und Länder wollten sich auf „weitere Maßnahmen“ verständigen, falls die Anstrengungen beim Impfen und Testen nicht reichten, das Infektionsgeschehen zu kontrollieren. Dazu sollten „alle Indikatoren“ genau beobachtet werden, insbesondere die Inzidenz, aber auch die Impfquote, schwere Krankheitsverläufe und die Belastung des Gesundheitswesens, wird im Entwurf hervorgehoben.

FLUTHILFE: Bund und Länder wollten außerdem einen Fonds vereinbaren, um den Wiederaufbau nach dem Hochwasser im Westen Deutschlands zu finanzieren - im Gespräch war nach dpa-Informationen ein mögliches Volumen von etwa 30 Milliarden Euro. Die Bauprojekte sollen je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert werden, heißt es im Entwurf von Montagabend. Genaue Summen waren noch nicht beziffert. Vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gibt es massive Schäden. Geplant ist ein Bundesgesetz. Der Bundestag soll dazu voraussichtlich am 25. August zu einer Sondersitzung zusammenkommen, wie die dpa aus Koalitionskreisen erfuhr. Auch der Bundesrat muss die Pläne billigen.

Beraten wollte die Bund-Länder-Runde am Dienstag auch über Verbesserungen etwa bei Warnungen für die Bürger. Dazu gehören ein Programm zur Ertüchtigung von Sirenen und ein System, das ähnlich wie bei einer SMS Nachrichten an Handy-Nutzer verschickt - und zwar an alle, die sich zu dem Zeitpunkt in einer Funkzelle aufhalten. Diese Technik wird in vielen anderen Staaten bereits genutzt.

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