In wenigen Wochen sind Bundestagswahlen. Ein Thema, das jeder Politiker dabei gern vermeidet, ist das der Steuern. Erhöhungen scheinen unvermeidbar, angesichts der Tatsache, dass die Pandemie und die gegen sie gerichteten Maßnahmen riesige Löcher in den Bundeshaushalt gerissen haben. Dazu kommen kostspielige Reformpläne der Parteien sowie der Klimaschutz. Ohne höhere Steuern wird all das nicht finanzierbar sein.
Der Bundestagswahlkampf ist in vollem Gange, und das bedeutet für die Bürger, ganz genau hinzusehen. Welche Partei verspricht was? Ein Punkt, der die meisten besonders interessieren dürfte, sind mögliche Steuererhöhungen - besonders vor dem Hintergrund der immensen Kosten für die Corona-Pandemie sind sie ein drängendes Thema.
Deutschland ist schon jetzt das Land mit der höchsten Abgabenlast weltweit. Das geht aus einer aktuellen OECD-Studie hervor. Demnach ist die Abgaben- und Steuerlast für Arbeitnehmer in keinem der anderen untersuchten 37 OECD-Staaten höher als hierzulande. Besonders ungerecht sei das deutsche Abgabensystem für Singles, bemängelt die OECD. Sie müssen bei einem Jahresbruttoeinkommen von 61.200 Euro rund 39 Prozent ihres Einkommens abgeben. Dabei entfallen 18,8 Prozent auf die Einkommenssteuer und 20,1 Prozent auf Sozialabgaben.
Ähnlich sieht es bei Familien aus, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind. Bei einem gemeinsamen Jahresbruttoeinkommen von 103.500 Euro entfallen rund 30 Prozent auf Steuern und Sozialabgaben. Nur in Dänemark haben Familien eine noch höhere Steuerlast zu tragen. Einzig bei Familien mit nur einem Alleinverdiener liegt Deutschland bei der Abgabenlast nicht im Spitzenfeld, sondern belegt „nur“ Rang neun (wobei es mit knapp 33 Prozent Abgabenquote aber immer noch weit über dem OECD-Durchschnitt liegt, der 24,4 Prozent beträgt). Der Hauptgrund für die relativ gute Platzierung „ist das Ehegatten-Splitting, das die Steuerbelastung senkt“, erklärt Michelle Harding, Steuerexpertin bei der OECD, gegenüber der FAZ.
Die Corona-Pandemie kostet den Staat Billionen
Ungeachtet der Tatsache, dass Deutschland in vielen Punkten schon Steuer-Weltmeister ist, kündigt sich schon jetzt an, dass die Abgaben nach der Bundestagswahl weiter steigen dürften. Der Hauptgrund dafür liegt in der Corona-Pandemie, die den Staat Billionen kostet. Allein im Jahr 2020 wuchsen die Ausgaben um 12 Prozent auf 1,68 Billionen Euro an. Der deutsche Haushalt verzeichnete dadurch das erste Defizit seit 2013 und zugleich das größte Defizit seit der Wiedervereinigung. 2019 verbuchte der Staat noch einen Überschuss von rund 45 Milliarden Euro.
Zeitgleich gingen die Steuereinnahmen stark zurück. Im Jahr 2020 nahmen Bund, Länder und Gemeinden nur knapp 740 Milliarden Euro an Steuern ein, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Das entspricht einem Rückgang im Vergleich zum Vorjahr von knapp 7,5 Prozent. Neben geringeren Steuereinnahmen – vor allem aufgrund wegbrechender Umsätze vieler Unternehmen - machte sich auch die Mehrwertsteuersenkung bemerkbar. Die (längst überfällige) Abschaffung des Solidaritätszuschlags Anfang 2021 wird die Staatskasse weiter schmälern. Der Soli brachte dem Staat 2020 immerhin noch 18,7 Milliarden Euro ein, die nun größtenteils wegbrechen.
Wer zahlt am Ende die Corona-Schulden?
Die immensen Kosten der Pandemie wurden größtenteils durch neue Schulden finanziert. Binnen eines Jahres wuchs die öffentliche Verschuldung – also die Verschuldung von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung bei privaten Banken oder Unternehmen im In- und Ausland – um 14,4 Prozent (rund 274 Milliarden Euro). Das ist der höchste je gemessene Anstieg innerhalb eines Jahres. Allein die Verschuldung des Bundes stieg um rund 18 Prozent auf den Höchststand von 1,4 Billionen Euro.
Noch ist die Krise nicht ausgestanden, und so steigen auch die Corona-Schulden weiter an. Seit Ausbruch der Pandemie hat der deutsche Staat bereits 1,32 Billionen Euro nur für die Folgen der Pandemie ausgegeben beziehungsweise eingeplant, wie das Handelsblatt berichtet. Zwar sind ein Großteil davon Staatsgarantien für Unternehmen, also Geld, dass nicht zwingend fällig wird. Doch auch ohne diese Garantien liegen die Corona-Schulden durch Soforthilfe für Unternehmen, Kurzarbeitergeld und flächendeckende Tests in schwindelerregenden Höhen.
Allein die kostenfreien Schnelltests könnten den Steuerzahler im Extremfall drei Milliarden Euro pro Monat kosten, wie das Ärzteblatt vorrechnet. Wohl auch ein Grund, warum mit kostenfreien Tests aus Sicht der Regierung ab Herbst Schluss sein soll. Wer zahlt angesichts solcher Summen am Ende die Zeche? Der Verdacht liegt nahe, dass solche Ausgaben mittelfristig nicht ohne Steuererhöhungen finanzierbar sind. Das sehen auch führende Ökonomen so. So sagte DIW-Ökonom Marcel Fratzscher schon Anfang des Jahres, Steuererhöhungen seinen „unvermeidbar“, und Politiker, die etwas anderes behaupteten, seien „unehrlich“. Derzeit im Gespräch ist etwa die Einführung eines Corona-Soli, um die Kosten der Krise zu finanzieren.
Was sagen die Parteien zum Thema "Steuererhöhungen"?
Dass sich die Lage seit Fratzschers Äußerung kaum gebessert hat, hindert viele Politiker jedoch nicht daran, vollmundige Versprechen zu machen, ohne dabei über die Finanzierung zu reden. Zwar taucht in den Wahlprogrammen immer wieder das Wort „Steuerreform“ auf, jedoch ohne konkrete Zahlen zu nennen. So viel scheint klar: SPD, Grüne und Die Linke wollen den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer erhöhen, gleichzeitig jedoch Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen entlasten.
SPD und Grüne wollen zudem das Ehegatten-Splitting abschaffen, also genau jenen Bereich, in dem Deutschland im OECD-Vergleich noch einigermaßen gut dasteht. Die Linke hat konkret eine Vermögensabgabe zur Bewältigung der Corona-Pandemie vorgeschlagen. Dabei soll es sich zwar um eine einmalige Abgabe handeln, allerdings über mehrere Jahre gestaffelt. Die FDP und die AfD sprechen sich als einzige Parteien nach wie vor für Steuersenkungen aus. Die FDP fordert eine Senkung der Abgabenlast für Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf insgesamt unter 40 Prozent. Die AfD will unter anderem die Grundsteuer und die Erbschaftssteuer abschaffen sowie den Steuerfreibetrag für alle anheben.
Die CDU dagegen erteilte möglichen Steuersenkungen bereits eine Absage. Im ARD-Sommerinterview sagte CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, dass es mit ihm weder Steuererhöhungen noch Steuersenkungen geben werde – sehr zum Ärger der Schwesterpartei CSU. Denn eigentlich heißt es im Unions-Wahlprogramm, dass man den Mittelstand sowie Familien finanziell entlasten wolle. So findet sich dort der Vorschlag, den Sparer-Pauschbetrag zu erhöhen, den Solidaritätszuschlag auch für die obersten zehn Prozent abzuschaffen und die Einkommenssteuer für kleinere und mittlere Einkommen zu senken.
Schon jetzt werfen sich SPD und CDU daher gegenseitig vor, den Bürger in punkto Steuern hinters Licht führen zu wollen. Vor dem Hintergrund doppelter Anforderungen durch Klimaschutz und Hochwasserkatastrophe dürften jetzt „keine ungedeckten Schecks“ ausgestellt werden, verteidigte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) den Rückzieher Laschets. „Das Grundprinzip muss lauten, dass Steuersenkungen grundsätzlich nicht auf Pump finanziert werden, sondern durch wirtschaftliches Wachstum“, so Altmaier weiter. Dagegen betonte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz: „CDU/CSU propagieren ein Steuerkonzept, das den Staat 30 Milliarden Euro pro Jahr kostet und das vor allem denen, die sehr viel verdienen, und Unternehmen mit großen Gewinnen zugutekommen soll. Das ist absurd.“
Die Politik hatte die Chance nach der Finanzkrise, zukunftsorientierte Investitionen zu tätigen. Die Steuereinnahmen sprudelten, doch statt klug zu investieren, wurden vor allem sozialpolitische Versprechen gemacht. Nun ist die Lage finanziell wieder ernster, und kein Politiker will den Bürgern reinen Wein einschenken: Ohne Steuererhöhungen wird es vermutlich nicht gehen. Denn die Politik hat kaum mehr Spielraum. Schon jetzt ist die europäische Schuldenbremse vorübergehend außer Kraft gesetzt. Doch wie lange geht das Spiel auf Zeit noch gut?
Einen Vorgeschmack auf die künftige Steuerpolitik gab Olaf Scholz kürzlich selbst, als er den Haushaltsplan 2022 und den Rahmenplan bis 2025 des Finanzministeriums vorstellte. Darin offenbaren sich riesige Finanzierungslücken für die kommenden Jahre. Sobald die europäische Schuldenbremse wieder in Kraft tritt, darf die Regierung lediglich neue Schulden in Höhe von etwa elf Milliarden Euro pro Jahr aufnehmen. Deshalb sehe man im Finanzministerium „Handlungsbedarf“. Klar sei auch, dass die „nächste Legislaturperiode herausfordernd wird“, so Scholz. Denn die bis 2025 erforderlichen Mehreinnahmen könnten „nicht alle aus Wachstumsprozessen zustande kommen“. Vielmehr könne dies „nur mit einem gerechteren und faireren Steuersystem gehen“.