Politik

Lagebericht Afghanistan: Russland ergreift diplomatische und militärische Initiativen

Lesezeit: 4 min
30.08.2021 11:43  Aktualisiert: 30.08.2021 11:43
Russland verstärkt seinen Einfluss auf die Entwicklungen in Afghanistan auf den Ebenen der Diplomatie und der Sicherheit.
Lagebericht Afghanistan: Russland ergreift diplomatische und militärische Initiativen
10. August: Russische Truppen stellen sich vor dem Beginn gemeinsamer militärischer Übungen von Russland und Usbekistan auf dem Schießplatz in Harb-Maidon, etwa 20 Kilometer nördlich der tadschikischen Grenze zu Afghanistan, auf. (Foto: dpa)
Foto: Didor Sadulloev

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Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan schlägt Russland eine internationale Konferenz zum Wiederaufbau der Wirtschaft des Landes vor. „Alle wohlhabenden Länder der Welt müssen mit Vertretern der neuen afghanischen Behörden zusammenkommen, um die Fragen des wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbaus zu erörtern“, sagte der Afghanistan-Beauftragte des russischen Präsidenten, Samir Kabulow, am Montag im Staatsfernsehen. Er sehe in erster Linie die Länder in der Pflicht, die mit Soldaten in Afghanistan im Einsatz gewesen seien. „Das ist eine Frage der Ehre und des Gewissens.“

Kabulow stellte zugleich klar, es gehe nicht darum, „den Taliban das Geld zu überlassen“. Die Mittel würden vielmehr benötigt, um etwa die Landeswährung zu stützen. Russland wolle einen Beitrag zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Afghanistans leisten. Kabulow warnte das Ausland zudem davor, die afghanischen Gold- und Währungsreserven einzufrieden. Damit schaffe man einen „zusätzlichen Anreiz für Menschen, aus ihrer Heimat zu fliehen“, meinte er. Internationale milliardenschwere Hilfszusagen liegen auf Eis. Die Taliban haben auf Geldreserven im Ausland derzeit keinen Zugriff.

Angesichts der instabilen Lage in Afghanistan hat im benachbarten Tadschikistan bereits das dritte grenznahe Manöver russischer Soldaten in diesem Monat begonnen. Etwa 500 Infanteristen seien an der Übung beteiligt, meldet die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium. Im September ist eine Militärübung in Kirgistan geplant, wo Russland einen Luftwaffenstützpunkt hat.

Afghanistan-Liveticker

18.07 Uhr - Frankreich und Deutschland sehen nach Angaben der Bundesregierung eine besondere Bedeutung der Vereinten Nationen bei der Hilfe in Afghanistan. Ihnen komme bei der humanitären Hilfe und der Versorgung der Binnenvertriebenen und Flüchtlingen vor Ort wie auch in der Region eine "besondere Bedeutung und Dringlichkeit" zu, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert nach einem Telefonat von Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron.

14.06 - Der IS erklärt, für den Raketenangriff auf den Flughafen von Kabul verantwortlich zu sein. Die Soldaten des Kalifats hätten sechs Katjuscha-Raketen auf den Airport abgefeuert, teilt die Extremisten-Miliz über ihren Telegram-Kanal mit.

14.00 Uhr - Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan befürchtet der Hamburger Verfassungsschutzchef Torsten Voß eine stärkere Gefahr durch den islamistischen Terrorismus. "Ich sehe die aktuelle Entwicklung in Afghanistan tatsächlich mit Sorge", zitiert die Zeitung "taz" Voß in einem Vorabbericht. Entscheidend sei, ob die Taliban künftig wieder ein "islamisches Emirat nach altem Vorbild installieren". Auch bleibe zu beobachten, ob es internationale Freiwillige als Kämpfer nach Afghanistan ziehe. "All das könnte mittel- oder langfristig auch die Gefährdungssituation in Deutschland verschärfen." Schon jetzt sei die Bedrohungslage hierzulande hoch. "Weil sich der IS derzeit weltweit in Zellen reorganisiert und mit Anschlägen versucht, sich wieder zu profilieren. Und weil die Gefahr durch Einzeltäter fortbesteht."

12.09 Uhr - Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, ruft dazu auf, mit dem bevorstehenden Ende der Evakuierungs-Luftbrücke das Leid der Menschen in Afghanistan nicht aus den Augen zu verlieren. "Die Luftbrücke aus Kabul wird in wenigen Tagen enden, und die Tragödie, die sich abgespielt hat, wird nicht mehr so sichtbar sein. Aber sie wird für Millionen Afghanen immer noch eine tägliche Realität sein. Wir dürfen uns nicht abwenden. Eine weitaus größere humanitäre Krise fängt gerade erst an", erklärt Grandi. Die Grenzen müssten offen bleiben und mehr Länder sollten sich daran beteiligen, "diese humanitäre Verantwortung" mit dem Iran und Pakistan zu teilen, die bereits 2,2 Millionen Afghanen beherbergten.

11.46 Uhr - Das Bundesinnenministerium gibt neue Zahlen zu den aus Afghanistan ausgeflogenen Ortskräften bekannt. Danach sind mit den Evakuierungen insgesamt 4587 Personen nach Deutschland eingereist, darunter 3849 Afghanen und 403 deutsche Staatsbürger, wie ein Ministeriumssprecher mitteilt. Davon seien 138 Ortskräfte mit 496 Familienmitgliedern, also insgesamt 634 mit einem Ortskräftebezug. Zu Beginn der Evakuierung Mitte August habe das Ministerium 174 Ortskräfte identifiziert, einschließlich Familienangehörige seien es 886 Menschen gewesen. Während der Evakuierungen habe es "sehr viele Nachmeldungen" gegeben, sagt der Sprecher. "Das ist ein dynamisches Geschehen."

11.35 Uhr - Bundesaußenminister Heiko Maas äußert sich besorgt mit Blick auf die Folgen der Taliban-Machtübernahme Afghanistan. "Natürlich machen wir uns – wie viele andere auch - große Sorgen um die regionale Stabilität nach den Ereignissen, die es in Afghanistan in den letzten Wochen gegeben hat", sagt er zu Beginn eines Gespräches mit dem tadschikischen Präsidenten Emomali Rahmon in Duschanbe.

11.21 Uhr - Die EU-Innenminister wollen einem von Reuters eingesehen Entwurf zufolge am Dienstag erklären, dass sie weitere "unkontrollierte Bewegungen großer Immigrantengruppen" aus Afghanistan verhindern wollen. Laut dem Entwurf für die Dringlichkeits-Sitzung der Minister sollen neue Sicherheitsrisiken für EU-Bürger abgewendet werden.

09.20 Uhr - Ein Sprecher der Taliban kritisiert die USA, weil sie die Gruppe nicht vorab über den Drohnen-Angriff in Kabul informiert hätten. Es sei widerrechtlich, dass die USA in anderen Ländern nach Belieben Angriffe ausführten, sagt der Sprecher dem chinesischen Staats-Sender CGTN. Die Amerikaner hatten am Sonntag nach eigenen Angaben einen Selbstmordattentäter in einem Wagen getötet, der im Auftrag des IS-Milizenablegers Isis-K einen Anschlag auf den Kabuler Flughafen vorbereitet haben soll. Bei dem Drohnenangriff soll es Medienberichten zufolge auch zivile Opfer gegeben haben.

08.38 Uhr - Russlands Botschaft in Kabul erklärt sich bereit, Anträge von Ausreisewilligen anzunehmen. Dazu seien zusätzliche Flüge geplant. Vergangene Woche hat Russland rund 360 Menschen evakuiert. In mehreren Tweets der Botschaft heißt es, die Flüge seien für Russen, Afghanen und Bürger der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit vorgesehen, einem vom Russland angeführten Militärbündnis mit sechs Mitgliedsstaaten.

08.35 Uhr - Die Nachbarstaaten wollen sich nach Angaben von Außenminister Heiko Maas absprechen und - wenn möglich - eine gemeinsame Position zu Afghanistan entwickeln. "Es gibt Bemühungen, alle Nachbarstaaten an einen Tisch zu bekommen", sagt er in Taschkent nach Gesprächen in der usbekischen Hauptstadt. Alle wichtigen Akteure, auch Russland und China, sollten dabei sein.

08.20 Uhr - Usbekistan ist nach Angaben von Außenminister Heiko Maas bereit, Deutsche, afghanische Ortskräfte und Schutzbedürftige, die nach Deutschland ausgeflogen werden sollen, ins Land zu lassen. Usbekistan sei bereit, zu helfen, sagt Maas bei einem Besuch in der usbekischen Hauptstadt Taschkent.

07.20 Uhr - Auf die Frage, ob Afghanistan ein "neues Nest für islamistischen Terror" werde, antwortet der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger, in der ARD: "Man muss es zumindest befürchten". Natürlich sei der Krieg gegen den Terrorismus nicht beendet. "Nicht nur wir sind nicht daran interessiert, das in Afghanistan ein neues Terrornest (...) entsteht. Auch China, Russland, Indien und andere Anrainer können daran kein Interesse haben." Richtig sei es auf jeden Fall, mit den Taliban zu reden. "Mit den Freunden geht man Abendessen. Mit den Gegnern, mit den Schwierigen, auch mit den Verbrechern, muss man reden."

06.55 Uhr - Die Aktivitäten auf dem Kabuler Flughafen sind durch den Raketenangriff nicht unterbrochen worden. Das teilt die US-Regierung mit. US-Präsident Joe Biden sei über Einzelheiten des Angriffs informiert worden.

05.48 Uhr - Auf den Flughafen in Kabul ist einem US-Regierungsmitarbeiter zufolge erneut ein Angriff verübt worden. Mehrere Raketen seien auf den internationalen Flughafen abgefeuert worden, aber von einem Raketenabwehrsystem abgefangen worden, sagt ein US-Beamter der Nachrichtenagentur Reuters. Es habe sich um bis zu fünf Raketen gehandelt. Es wurde nicht sofort klar, ob alle abgefangen wurden. Erste Berichte deuteten nicht auf verletzte US-Bürger hin, aber diese Informationen könnten sich ändern, heißt es weiter.


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