Seit einigen Jahren wird Bitcoin von seinen Befürwortern nicht mehr in erster Linie als Kryptowährung angepriesen, sondern eher als „digitales Gold“, das dem eigentlichen Gold nicht nur ebenbürtig, sondern in mancher Hinsicht sogar überlegen sei. Manche wollen Bitcoin gar zur Grundlage eines neuen Weltwährungssystems machen. Mit anderen Worten: Sie wollen in Anlehnung an den traditionellen Goldstandard einen „Bitcoin-Standard“ schaffen.
Wenn Bitcoin „digitales Gold“ sein soll, dann muss es über die entscheidenden vier Eigenschaften des Goldes verfügen, die der griechische Philosoph Aristoteles im vierten Jahrhundert vor Christus im Rahmen einer Abhandlung darüber, was gutes Geld ausmacht, erstmals schriftlich festhielt. Gold erfüllt die vier von Aristoteles vorgebrachten Kriterien und ist demnach sehr gut als Geld einsetzbar – aber auch Bitcoin? Gehen wir die Kriterien durch.
Erstens: Ein gutes Geld sollte beständig sein. Gold ist praktisch unzerstörbar und kann selbst über Jahrtausende gelagert werden, wie die Erfahrung zeigt. Das gleiche gilt für Bitcoin. Denn eine Menge Bitcoin zu besitzen, heißt grob vereinfacht, dass man im Besitz des privaten Schlüssels ist, mit dem man diese Bitcoin im Netzwerk versenden kann. Dieser Schlüssel ist einfach eine Zeichenfolge, die man mit Leichtigkeit bis in alle Ewigkeit sicher lagern kann.
Zweitens: Ein gutes Geld muss teilbar sein, ohne dabei seinen Wert zu verlieren, damit es für unterschiedlich große Transaktionen nutzbar ist. Gold erfüllt dieses Kriterium relativ gut, obgleich das Teilen von Gold Kosten nach sich zieht. Kleinere Goldmünzen sind deshalb deutlich teurer als der Materialpreis. Auch Bitcoin kann in sehr kleine Stückelungen zerlegt werden, was jedoch ebenfalls mit nicht unerheblichen Transaktionskosten verbunden ist.
Zur Teilbarkeit gehört auch, dass bei einem guten Geld eine bestimmte Menge davon gleichwertig mit einer anderen ebenso großen Menge sein muss. Sicherlich gibt es historische Goldmünzen, die mehr wert sind als neu geprägte Münzen. Doch der Wert des Goldes selbst ist nur vom Gewicht abhängig. Bitcoin erfüllt dieses Kriterium nur eingeschränkt. Denn ein Bitcoin ist nicht dasselbe wie ein anderer Bitcoin. Daher werden zum Beispiel neu geprägte Bitcoin zu deutlich höheren Preisen verkauft als ältere Münzen. Und Hacker können ihre erbeuteten Bitcoin oftmals überhaupt nicht verkaufen. Denn das Diebesgut ist in der Blockchain als solches erkennbar und kann von Börsen blockiert werden.
Drittens: Ein gutes Geld muss praktisch sein. Viel Wert muss in ein kleines Paket passen. Bei Gold ist dies offenbar der Fall. Mit zwanzig Kilobarren im Koffer kann man den Gegenwert von einer Million Euro mit sich führen. Bei Bitcoin geht es sogar noch einfacher. Hier kann man etwa einen privaten Schlüssel auf Papier ausdrucken und auf diese Weise viele Milliarden Euro in der Hosentasche mit sich führen. Zudem kann man Beträge über das Internet in alle Welt versenden.
Viertens: Ein gutes Geld muss einen intrinsischen Wert haben. So wurde Gold lange vor seiner Funktion als Geld zur Herstellung von Schmuck und anderen Kunstgegenständen verwendet. Heute findet es zudem im großen Maße auch Anwendung in der Industrie. Bei Bitcoin besteht der intrinsische Wert, wenn überhaupt, nur darin, dass es verwendet werden kann, um Bitcoin-Transaktionen durchzuführen. Mit anderen Worten: Man kann mit Bitcoin – und nur mit Bitcoin – dafür bezahlen, Guthaben in dieser Kryptowährung schnell und sicher rund um die Welt zu versenden. Allerdings sind mithilfe der Bitcoin-Blockchain derzeit im Schnitt nur etwa 7 Transaktionen pro Sekunde möglich, weshalb der intrinsische Wert, wenn überhaupt, wohl eher gering sein dürfte.
Um „intrinsischen Wert“ zu haben, muss zudem die Zunahme der Geldmenge Grenzen haben. So wurden im vergangenen Jahr 3.241 Tonnen Gold abgebaut, wodurch die gesamte Goldmenge auf der Erde um lediglich rund 1,7 Prozent gewachsen ist. Zwar ist die Menge der Bitcoin im letzten Jahr etwas stärker gestiegen (von rund 18,1 auf rund 18,6 Millionen). Doch die Menge der Bitcoin wächst mit der Zeit immer langsamer und ist zudem auf 21 Millionen begrenzt. Bitcoin schneidet hier also noch besser ab als Gold.
Im Hinblick auf die Frage nach einem guten Geld scheitert Bitcoin in seiner derzeitigen Form also zum einen daran, dass nicht alle Münzen den gleichen Wert haben. Das heißt, Bitcoin mangelt es an der sogenannten „Fungibilität“. Zum anderen ist umstritten, inwiefern Bitcoin einen intrinsischen Wert hat. Allerdings könnten Weiterentwicklungen von Bitcoin diese Probleme lösen. Andere Kryptowährungen, darunter vor allem Monero, haben bereits Fungibilität erreicht. Auch seinen intrinsischen Wert kann Bitcoin erheblich steigern, wenn das Problem der Skalierung wirksam gelöst ist. Bitcoin kann also durchaus eines Tages ein „digitales Gold“ werden und somit möglicherweise sogar die Grundlage für ein neues Währungssystem.