Wirtschaft

Preisanstieg im Großhandel beschleunigt sich, stärkste Teuerung seit 1974

Die Preise im deutschen Großhandel sind im August verglichen zum Vorjahr stark gestiegen. Die Engpässe in den weltumspannenden Lieferketten machen sich zunehmend bemerkbar.
13.09.2021 09:00
Aktualisiert: 13.09.2021 09:00
Lesezeit: 2 min

Der Preisauftrieb in Deutschland bleibt hoch, doch Experten zufolge ist eine Entspannung der Lage in Sicht. Im August stiegen die Großhandelspreise gegenüber dem Vorjahr um 12,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte. Das war der stärkste Anstieg seit Oktober 1974 - also seit der ersten Ölkrise. Die Statistiker führen die Entwicklung zum einen auf steigende Preise für viele Rohstoffe und Vorprodukte zurück, oft verstärkt durch Lieferschwierigkeiten im Welthandel. Zum anderen verweisen sie auf einen statistischen Effekt durch das sehr niedrige Preisniveau vor einem Jahr infolge des schweren konjunkturellen Corona-Einbruchs.

Der Großhandel ist eine von mehreren Ebenen in Deutschland, auf denen sich das allgemeine Preisniveau bildet. Die Inflationsrate in Deutschland hatte im August mit 3,9 Prozent erstmals seit knapp 28 Jahren wieder an der Vier-Prozent-Marke gekratzt. Seit Monaten heizen etwa überdurchschnittlich steigende Energiepreise die Teuerung an.

Mitentscheidend für die Entwicklung der Verbraucherpreise sind zudem neben den Preisen für nach Deutschland eingeführte Güter auch diejenigen Preise, die Hersteller direkt für ihre Produkte erhalten. Einen deutlichen Anstieg gab es hier zuletzt etwa in der Landwirtschaft. Die Erzeugerpreise bei Agrarprodukten waren im Juli 2021 um 9 Prozent höher als im Juli 2020, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Gegenüber Juni 2021 gab es allerdings einen leichten Rückgang um 0,3 Prozent.

Wie in den vergangenen Monaten ist der hohe Preisanstieg für pflanzliche Erzeugnisse im Juli 2021 - um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat - vor allem auf die höheren Preise für Getreide zurückzuführen. Aber auch Gemüse wurde deutlich teurer, bei Salat lag der Zuwachs sogar bei knapp 38 Prozent. Die Preise für tierische Erzeugnisse legten um rund 8 Prozent zu, für Milch um gut 14 Prozent. Die starken Anstiege bei den Erzeugerpreisen dürften auf Dauer auch zu höheren Preisen in Supermärkten führen. Was für die Verbraucher schlecht ist, lässt Bauern eher aufatmen. Sie hatten in der Vergangenheit immer wieder gegen aus ihrer Sicht zu niedrige Preise für ihre Produkte demonstriert.

Die hohe allgemeine Inflationsrate in Deutschland dürfte sich aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums zu Beginn des Jahres 2022 wieder verringern. Begründet wird dies in einem am Montag veröffentlichten Bericht zur wirtschaftlichen Lage im September damit, dass Sondereffekte auslaufen. So schlägt derzeit etwa noch die Rücknahme der temporären Mehrwertsteuersenkung voll zu. Um den Konsum in der Corona-Krise anzukurbeln, hatte der Bund die Mehrwertsteuer befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 gesenkt. Seit Januar 2021 gelten wieder die regulären Mehrwertsteuersätze, Waren und Dienstleistungen werden also tendenziell teuer.

Bereits zu Jahresbeginn hätten weitere Sonderfaktoren wie die Einführung der CO2-Bepreisung für einen deutlichen Anstieg der Inflationsrate gesorgt, hieß es vom Ministerium. Zudem ließen die Entwicklungen an den Rohstoffmärkten eine mittelfristige Entspannung beim Ölpreis erwarten.

Auch Isabel Schnabel, Direktorin bei der Europäischen Zentralbank (EZB), rechnet zwar mit einem weiteren Anstieg der Teuerung bis zum Jahresende. Aber: «Aller Voraussicht nach wird sich die Inflation im kommenden Jahr wieder spürbar abschwächen», sagte Schnabel am Montag anlässlich des Baden-Badener Unternehmergesprächs.

Die EZB hatte ihre sehr lockere Geldpolitik am vergangenen Donnerstag weitgehend bestätigt. Im August war die Inflationsrate im Euroraum auf drei Prozent gestiegen und lag damit deutlich über dem EZB-Inflationsziel von zwei Prozent. Die Notenbank werde jedoch nicht auf kurzfristige Schwankungen reagieren, so die deutsche Direktorin. «Vereinfacht ausgedrückt, ist die Inflation heute vor allem deshalb so hoch, weil sie im Vorjahr so niedrig war.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...