Die beiden verfeindeten Bruderstaaten Süd- und Nordkorea haben innerhalb weniger Stunden eigene ballistische Raketen getestet. Nur wenige Tage nach dem Test von Marschflugkörpern habe Nordkorea am Mittwoch zwei Kurzstreckenraketen in Richtung offenes Meer abgefeuert, teilte der südkoreanische Generalstab mit. Später erklärte das Präsidialamt in Seoul, Südkorea habe erstmals eine eigenständig entwickelte ballistische Rakete von einem getauchten U-Boot aus gestartet. Präsident Moon Jae In habe den erfolgreichen Versuch in einem Testzentrum im Westen des Landes verfolgt.
Dass Südkorea den Test nur kurze Zeit später publik machte, galt auch als Signal der Stärke an den Nachbarn. Oft wird der Regierung, die eine Politik der Annäherung an Pjöngjang verfolgt, von Kritikern vorgeworfen, Nordkorea gegenüber zu "weich" zu sein. Moon betonte, die Erprobung der U-Boot-Rakete (SLBM, Submarine-Launched Ballistic Missile) sei vorher geplant gewesen. "Trotzdem kann unsere verbesserte Raketenleistung eine sichere Abschreckung von Nordkoreas Provokation sein", wurde Moon von einem Sprecher zitiert. Sein Büro machte deutlich, der Besitz einer SLBM sei mit Blick auf gleichzeitige Bedrohungen aus verschiedenen Richtungen von großer Bedeutung.
Südkorea gilt als das erste Land, das SLBM entwickelt, ohne selber Atomwaffen zu haben. Nach eigenen Angaben ist es mit dem gelungenen Test das siebte Land mit einer potenziell einsetzbaren ballistischen Rakete, die von einem getauchten Trägerschiff gestartet werden kann.
UN-Resolutionen verbieten dagegen Nordkorea jegliche Tests ballistischer Raketen, die je nach Bauart auch Atomsprengköpfe befördern können. Wegen seines Atomwaffenprogramms ist das weithin isolierte Land harten internationalen Sanktionen unterworfen.
Auch Nordkorea brüstet sich damit, über die SLBM-Technologie zu verfügen. Doch wurden seine Angaben über Versuchsstarts vom U-Boot aus bisher angezweifelt. Es wird vermutet, dass Nordkorea dazu eine Unterwasserplattform genutzt haben könnte. Raketen, die von einem U-Boot abgefeuert werden, sind schwerer vom Gegner zu entdecken als solche, die von mobilen Abschussrampen oder festen Silos am Land gestartet werden.
Nach Angaben des südkoreanischen Militärs flogen die nordkoreanischen Raketen am Mittwoch nach dem Start im Inland 800 Kilometer weit in Richtung Japanisches Meer (koreanisch: Ostmeer). Japans Ministerpräsident Yoshihide Suga verurteilte den Test. Dieser bedrohe "den Frieden und die Sicherheit Japans sowie der Region".
Wie schon einige Monate zuvor erfolgten auch die jüngsten Waffentests Nordkoreas nach einer gemeinsamen Militärübung der Streitkräfte der USA und Südkoreas. Die Kommandoübung, die Pjöngjang scharf kritisiert hatte, wurde nach neun Tagen am 26. August beendet. Im März hatte Nordkorea ebenfalls Marschflugkörper nach einer solchen Kommandoübung in Südkorea erprobt. Wenige Tage später folgte dann ebenfalls ein Test mit ballistischen Kurzstreckenraketen.
Am vergangenen Wochenende hatte Nordkorea nach eigenen Angaben einen neuartigen Typ von Marschflugkörpern "von großer strategischer Bedeutung" mit großer Reichweite getestet. Die zwei erprobten Lenkflugkörper hätten in 1500 Kilometer Entfernung ihre Ziele im Meer getroffen. Laut Experten deutete Nordkorea an, dass der neue Marschflugkörper ebenfalls mit Atomsprengköpfen bestückt werden soll.
Südkoreas Verteidigungsminister Suh Wook hatte am Dienstag vor dem Parlament den Lenkflugkörpertest des Nachbarlandes bestätigt. Anders als ballistische Raketen verfügen Marschflugkörper über einen permanenten eigenen Antrieb.
Pjöngjang treibt seit Jahren die Entwicklung von Raketen voran, die nicht nur Südkorea und Japan treffen, sondern auch Atomsprengköpfe bis in die USA tragen können. Nach Schätzungen der amerikanischen Organisation Arms Control Association vom August 2020 lagern in Nordkorea 30 bis 40 Atomsprengköpfe.