Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Unternehmen hat sich im September zum dritten Mal in Folge verschlechtert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank auf 98,8 Punkte von 99,6 Zählern im August, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut am Freitag zu seiner Umfrage unter 9000 Managern mitteilte.
Beim dritten Rückgang in Folge sprechen Fachleute von einer konjunkturellen Trendwende. "Die Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten bremsen die deutsche Konjunktur", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Manager beurteilten ihre Lage und die Geschäftsaussichten für die kommenden sechs Monate skeptischer als zuletzt.
Im Verarbeitenden Gewerbe trübte sich die Stimmung deutlich ein. Die Unternehmen schätzten ihre aktuelle Lage merklich weniger gut ein. "Ein stärkerer Rückgang war zuletzt im Mai 2020 beobachtet worden", erklärte Fuest. Auch der große Optimismus bei den Erwartungen aus dem Frühjahr sei fast verschwunden. Die Auftragsbücher seien noch immer gut gefüllt, aber die Neubestellungen flachten ab. "Fast 80 Prozent der Industriebetriebe klagen über Engpässe bei Vorprodukten, nach 70 Prozent im Vormonat", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. "Die Lager in der Industrie sind leergefegt." Diese Knappheit werde zumindest teilweise über Produkte an Kunden weitergegeben und dürfte Preiserhöhungen zur Foge haben.
Im Dienstleistungssektor hellte sich das Klima auf - wegen besserer Erwartungen. "Im Gastgewerbe und Tourismus ist nach der großen Skepsis im Vormonat eine gewisse Zuversicht zurückgekehrt", betonte Fuest. In der Logistik jedoch trübten sich die Aussichten ein, im Gleichklang mit der Industrie. Im Handel stagnierte die Stimmung weitgehend. "Eine große Mehrheit der Händler berichtete von Lieferproblemen bei der Beschaffung." Im Bauhauptgewerbe verbesserte sich das Geschäftsklima deutlich. Die Beurteilung der Lage stieg laut Ifo auf den höchsten Stand seit März 2020. Auch die Erwartungen hellten sich merklich auf.
Die deutsche Wirtschaft war wegen der Corona-Krise Anfang des Jahres um zwei Prozent geschrumpft, dann aber im Zuge der Lockdown-Lockerungen im Frühjahr um 1,6 Prozent gewachsen. Trotz Lieferengpässen bei wichtigen Vorprodukten gehen viele Ökonomen davon aus, dass sich das Wachstum im laufenden Sommer-Quartal beschleunigt haben dürfte. Das Kieler IfW-Institut etwa erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,2 Prozent zum Vorquartal zulegt.
Das sagen Ökonomen zum Rückgang
JENS-OLIVER NIKLASCH, LANDESBAND BADEN-WÜRTTEMBERG
"Der Rückgang für den Gesamtindex war in etwa zu erwarten. Das Ergebnis wäre aber besser zu verkraften, wenn nicht gerade der Lageindex vergleichsweise deutlich gesunken wäre. Es dürfte uns damit ein schwieriges viertes Quartals ins Haus stehen, in dem die Lieferkettenthematik Corona als Hauptrisiko sogar ablösen könnte. Und Corona ist ja keineswegs vorbei. Alles in allem also eher unerfreuliche Neuigkeiten aus München."
BASTIAN HEPPERLE, BANKHAUS LAMPE
"Weiterhin beeinträchtigen insbesondere hartnäckige Beschaffungsprobleme, die sich im September nochmals verschärft haben, die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe und sorgen für lange Lieferzeiten. Die Auftragsbücher sind jedoch weiterhin gut gefüllt und die noch offenen Aufträge auf Rekordstand. Zu einer spürbaren Entspannung bei den Lieferkettenproblemen wird es aber wohl erst im kommenden Jahr kommen. Der Produktion und der Stimmung dürfte dies dann einen neuen Schub verleihen."
FRITZI KÖHLER-GEIB, KFW
"Die letzten Meter sind die schwersten. Das gilt wohl auch für den Weg der deutschen Wirtschaft zurück zum Vorkrisenniveau, wie die aktuelle Eintrübung beim Ifo-Index unterstreicht. Vor allem Engpässe bei Materialien, Vorprodukten und Frachtkapazitäten bremsen die Produktion schon seit Monaten und belasten zunehmend auch den Handel. Aufgrund der Vielfalt der Störfaktoren ist es derzeit leider sehr schwer abzuschätzen, wann es angebotsseitig zu einer Besserung kommt."
ANDREAS SCHEUERLE, DEKA
"Alles hat ein Ende – auch der Höhenflug des Ifo-Geschäftsklimas. Nach drei Rückgängen in Folge ist es nun offiziell auf einen Abwärtstrend eingeschwenkt. Zwei Faktoren spielen dabei eine wesentliche Rolle: Zum einen die Liefer- und Transportengpässe, die der Industrie Fesseln anlegten. Die Hoffnung, die man noch vor einem halben Jahr hatte, dass sich die Fesseln im zweiten Halbjahr lockern, sind verflogen. Zum anderen läuft der Aufholboom nach dem Ende des Lockdowns aus, weshalb die Unterstützung durch die Dienstleistungsbranchen geringer wird."
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