Die Inflation im Euroraum ist im September noch stärker gestiegen als erwartet. Die Verbraucherpreise kletterten binnen Jahresfrist um 3,4 Prozent, wie die europäische Statistikbehörde Eurostat am Freitag mitteilte. Das ist der höchste Wert seit September 2008.
Besonders stark verteuerte sich Energie, deren Kosten zum Vorjahresmonat um 17,4 Prozent in die Höhe schossen. Industriegüter waren 2,1 Prozent teurer, wobei der Energiesektor ausgeklammert wurde. Lebensmittel, Alkohol und Tabak verteuerten sich ebenfalls um 2,1 Prozent.
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Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt mittelfristig eine Teuerung von 2,0 Prozent an. Schon im Juli hatte die Inflation mit 3,0 Prozent deutlich über dem EZB-Ziel gelegen. Ein Großteil des derzeitigen Preisauftriebs ist nach Ansicht der Währungshüter weiterhin nur temporär und durch die Folgen der Corona-Krise bedingt. EZB-Vizechef Luis de Guindos sieht den Höhepunkt des Inflationsschubs in etwa im November erreicht.
Von Reuters befragte Experten hatten lediglich mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 3,3 Prozent gerechnet. Sie sagten in ersten Reaktionen:
CHRISTOPH WEIL, COMMERZBANK:
"Im November dürfte die Inflationsrate mit etwa 3,5 Prozent den Hochpunkt in diesem Jahr erreichen. Anfang des kommenden Jahres wird sie dann wieder deutlich nachgeben, wenn die Senkung der deutschen Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 2020 die Inflationsrate nicht mehr nach oben verzerrt, die Corona-Effekte nachlassen und die Lieferengpässe allmählich überwunden werden. Eine nachhaltig höhere Inflation ist erst zu erwarten, wenn sich der Lohnauftrieb deutlich verstärkt. Hiervon ist bislang jedoch noch nichts zu spüren."
THOMAS GITZEL, VP BANK:
"Der Verbraucherpreisanstieg wird sich in den kommenden Monaten fortsetzen. Vor allem die deutsche Mehrwertsteuerreduktion des Vorjahres und die gestiegenen Energiepreise treiben die Teuerung nach oben. Weiter steigende Inflationsraten sollten also für kein Raunen sorgen. Notenbanker und Volkswirte wissen, was passieren wird – zumindest was die noch verbleibenden Monate diesen Jahres anbelangt.
So sehr das aktuelle Inflationsniveau und das der kommenden Monate prognostizierbar ist, so groß ist die Unsicherheit für das kommende Jahr. Die Inflationsraten werden zum Jahresbeginn 2022 fallen, soviel steht fest. Doch die Frage ist, wie stark es in den Rückwärtsgang geht? Unübersehbar ist, dass derzeit so gut wie alles teurer wird. Jüngst kam nun neue Dynamik beim Gaspreisanstieg hinzu. Letzterer wird seine volle Wirkung erst im kommenden Jahr zeigen.
Der Blick gilt deshalb vermehrt der Lohnentwicklung. Würden die höheren Konsumentenpreise Niederschlag in den Arbeitnehmerentgelten finden, bestünde das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale. Dies wären dann die vielgefürchteten Zweitrundeneffekte. Noch ist davon nichts zu spüren, doch die Notenbanker sind mittlerweile nicht mehr ganz so gelassen wie noch vor wenigen Wochen."
ALEXANDER KRÜGER, BANKHAUS LAMPE:
"Beim Preisanstieg geht die Post weiter auf der Energieseite ab. Der Anstieg der Inflationsrate wird sich noch bis zum Jahresende fortsetzen. Nur wenn es günstig läuft, rutscht die Vier nicht vors Komma. Weiten sich die globalen Energieengpässe weiter aus, wird die Inflationsrate 2022 kaum zum EZB-Preisziel von 2,0 Prozent zurückkehren. Um eine ernste Inflationslage handelt es sich dann, wenn sich Zweitrundeneffekte stärker durchsetzen. Dazu gehört vor allem das Lohnwachstum."