Politik

Weltuntergang vertagt: Wie sich die Marxisten kolossal irrten

Lesezeit: 7 min
13.11.2021 11:05
Der falsche Prophet Karl Marx hätte schon zu seinen Lebzeiten keine Relevanz finden sollen. Seine Verelendungstheorie hat es aber bis in die Moderne geschafft und kommt unter anderem in der Angst vor Überbevölkerung, dem Klima-Wandel und dem Great Reset zum Ausdruck. Für die DWN ist das ein Anlass, seine Thesen genauer unter die Lupe zu nehmen - und zu analysieren, warum Marx vermutlich nie das Wohl der Menschheit im Sinn hatte.
Weltuntergang vertagt: Wie sich die Marxisten kolossal irrten
Der angebliche Freund der Arbeiter und "große" Theoretiker und Karl Marx hat weder in der Produktion gearbeitet, noch konnte er von seinen Thesen leben. (Foto: dpa)
Foto: Hendrik Schmidt

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In den letzten Jahrzehnten macht sich zunehmend Untergangs-Prophetie breit: Klimawandel, Umweltverschmutzung, Überbevölkerung, Überkonsum und der Verbrauch endlicher Ressourcen werden demnach dafür sorgen, dass in Zukunft viel weniger Menschen auf der Erde leben können oder der Planet gar zu einer Einöde wird. Es ist erstaunlich, dass ein Großteil der Menschen diese Thesen zu glauben scheint, denn ähnliche oder identische Untergangs-Szenarien wurden bereits mehrmals von der Realität widerlegt. Heute versetzt das Weltwirtschaftsforum (WEF) die Welt mit ähnlichen Prognosen in Aufruhr – und liefert das vermeintliche Patentrezept zur Lösung des Problems gleich mit.

Falscher Prophet: Karl Marx und die soziale Frage

Weltuntergangs-Prognosen sind ein stetiger Begleiter der Menschheitsgeschichte. Meistens liegen die Propheten allerdings völlig daneben. Ein bekannter falscher Prophet, dessen Irrlehre katastrophale Folgen für die Menschheit haben würde, genießt bis heute einen völlig ungerechtfertigten Status, weswegen wir uns an dieser Stelle die Zeit nehmen wollen, seine Ideen und Motive genauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu müssen wir einen Zeitsprung in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts machen. Zu dieser Zeit erhalten Karl Marx und die nach seinem Begründer benannte Theorie des Marxismus in Europa großen Zulauf.

Seit 1849 lebte Marx fast durchgehend in London, wo er die industrielle Revolution und die damit einhergehenden Produktions-Verhältnisse hautnah miterlebte. Er beobachtete die Schattenseiten des unglaublichen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum sowie der Urbanisierung in einer Gesellschaft, welche sich rasant von der viele tausend Jahre lang dominierenden Landwirtschaft hin zur industriellen Massenfertigung entwickelte: Katastrophale bis unmenschliche Arbeitsbedingungen in den Fabriken, Kinderarbeit, niedriger Lebensstandard der Arbeiterschaft sowie eine zunehmende Schere zwischen Arm und Reich.

Diese sozialen Missstände erklärt Marx folgendermaßen: Die besitzende Klasse der Bourgeoisie (Unternehmer, Rentiers, Adel – kurz gesagt die Oberschicht) verfügt über sämtliche zur Produktion notwendigen Produktionsmittel (Boden, Fabriken, Maschinen, Rohstoffe). Diese Kapitalisten leben auf Kosten einer ausgebeuteten Klasse, nämlich der auf Lohnarbeit angewiesene Arbeiter, dem Proletariat. Die Arbeiter erhalten von den Kapitalisten nur einen gerade noch existenzsichernden Lohn, der darüber hinausgehende – ausschließlich von den Proletariern erwirtschaftete – Mehrwert wandert in die Taschen der ausbeutenden Kapitalisten, die mit diesem Mechanismus ungerechte Reichtümer anhäufen. Eine dritte Klasse, das Kleinbürgertum (Kleinunternehmer, Selbständige), wird von den Kapitalisten zunehmend ins Proletariat verdrängt.

Die marxistische Verelendungstheorie

Aus Marx´ Mammutwerk „Das Kapital“ ergibt sich die Verelendungstheorie: Demnach existiert im Kapitalismus ein Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate (Rendite auf das eingesetzte Kapital). Die sinkende Profitrate wird in erster Linie durch den zunehmenden Einsatz von Maschinen („Kapitalakkumulation“) verursacht, da nach der Arbeitswertlehre die Wertschöpfung einzig durch die menschliche Arbeitskraft erfolgt. Andererseits sinkt die Profitrate auch aufgrund der Konkurrenz der Kapitalisten untereinander, die sich immer weiter unterbieten müssen, um am Markt bestehen zu können. Die stetig sinkenden Einnahmen zwingen den Kapitalisten, seine Produktionskosten zulasten der Arbeiter zu senken – durch Lohnsenkungen, Verlängerung der Arbeitszeit, Steigerung der Arbeitsproduktivität (ohne äquivalente Mehrbezahlung) und Entlassungen. Es kommt zu einer Massenverelendung des Proletariats. Der Produktionsfaktor „menschliche Arbeit“ nimmt absolut und relativ zum Kapital zunehmend ab. Zu Ende gedacht müssten die Profite irgendwann auf null sinken.

So weit kommt es aber laut Marx gar nicht. Der aus dieser Konstellation unvermeidliche Widerspruch zwischen dem Verwertungsinteresse des Kapitals und den Bedürfnissen der Arbeiter sei letztlich die Ursache für die regelmäßig auftretenden Krisen und sozialen Probleme des Kapitalismus, was schließlich auch zu revolutionären Erhebungen des Proletariats führen müsse. Die Befreiung der Arbeiterklasse münde schlussendlich in die kommunistische Revolution, wodurch eine klassenlose Gesellschaft errichtet werde.

Es kam ganz anders als Marx vorausgesagt hatte

Marx irrte sich nicht erst mit seiner heilsversprechenden Vision vom Kommunismus, sondern schon in seiner fundamentalen Verelendungs-These. Nicht alles war seinerzeit schlecht, schließlich entkamen die neu entstehenden Industrieländer der sogenannten „malthusianischen Falle“. Im Mittelalter waren die Realeinkommen pro Kopf auf einem relativ konstanten Niveau geblieben, weil Produktivitätsfortschritte in der Landwirtschaft immer durch einen Bevölkerungsanstieg ausgeglichen wurden. Mit der Industrialisierung schießen die Pro-Kopf-Reallöhne aufgrund von vorher unvorstellbaren Produktivitäts-Zuwächsen jedoch nach oben. Schon zu Marx Zeiten und entgegen seiner Vorhersagen ist eine langsam sinkende Armut festzustellen, auch wenn es noch einige Jahrzehnte dauern würde, bis das urbane Überangebot von Arbeitskräften zurückgeht, sich die Arbeitsbedingungen rapide verbessern und die Realeinkommen explodieren.

Man beachte, dass die Arbeiter-Löhne um 1850 tatsächlich kaum das Existenzminimum überschritten und die Arbeitsbedingungen meist sehr schlecht waren. Das hatte aber nichts mit einer bewussten Ausbeutung der Arbeiter zu tun. Der Wirtschaftshistoriker Wolfram Fischer schreibt in „Armut in der Geschichte“ (1982, S. 56) zur industriellen Revolution in Deutschland: „Weder die rationalen Landwirte noch die Bergwerks- und Hüttenbesitzer noch die Fabrikindustriellen schufen die Armut, sie zogen sie nur an, weil sie in einer Welt der Unterbeschäftigung Arbeitsplätze anboten und weil sie Löhne zahlten, die meist höher lagen als die Löhne, die man in anderen Beschäftigungen, sei es als Heimarbeiter, Tagelöhner, Transportarbeiter oder Dienstbote, am gleichen Ort verdienen konnte.“

Statt einer Verarmung kam es in der industrialisierten Welt zu einem rapide steigenden Wohlstand der Bevölkerung. Im Laufe der Zeit stiegen die Löhne und die äußeren Arbeitsumstände verbesserten sich stetig. Technischer Fortschritt, besseres Bildungsniveau, wachsende Kapitalbildung und internationale Arbeitsteilung erhöhten Wohlstand und Lebensqualität drastisch. Im 20. und 21. Jahrhundert sind die Arbeiter obendrein – vor allem in den Industrienationen – durch Eigentumsverhältnisse (Aktien, Immobilien) selbst zu Kapitalisten geworden. Die These vom Klassenkampf fällt aus heutiger Sicht in sich zusammen.

Warum lag Marx völlig daneben?

Man könnte behaupten, dass die Verelendungstheorie schon überholt war, bevor sie von der breiten Masse überhaupt aufgenommen wurde. Marx ökonomisches Modell steht auf äußerst wackeligen Beinen, denn es basiert auf der Arbeitswertlehre, die wiederum auf Adam Smith zurückgeht. Smith und andere klassische Ökonomen seiner Zeit beobachteten, dass sich Preise und Kosten von Gütern annähern. Daraus zogen sie den etwas absurden Schluss, dass Preise auf objektiven Herstellungskosten (letztlich den Preisen der eingesetzten Produktionsfaktoren: Rohstoffe, Maschinen und Arbeitszeit) und nicht etwa auf dem Wechselspiel von subjektiven Bewertungen durch die Konsumenten und den angebotenen Mengen beruhen. Der Wert eines Gutes ist nicht durch die aufgewendeten Produktionsmittel, sondern dadurch bestimmt, wie viel es für den Käufer wert ist (Grenznutzen). Die Arbeitswertlehre steht im Widerspruch zum realen wirtschaftlichen Leben. Dieser Irrglaube ist aber die Basis des gesamten marxschen Theoriegebäudes, das aus diesem Grund eigentlich schon vor einer weiterführenden Analyse in sich zusammenbricht.

Hier seien dennoch zwei der gravierendsten Denkfehler von Marx vorgestellt, die übrigens schon von zeitgenössischen Ökonomen (allen voran Böhm-Bawerk) vermerkt wurden:

  • Wenn nur menschliche Arbeit einen Mehrwert schafft, dann müssten Unternehmen, die kapitalintensiver produzieren, also mehr auf Maschinen setzen, weniger profitabel sein. Als Marx „das Kapital“ verfasste, war aber etwas ganz anderes zu beobachten. Die Profitraten (Kapital-Renditen) zwischen und innerhalb von Branchen nähern sich einander an – unabhängig von der Produktionsweise.
  • Was hindert Unternehmen daran, ihre Preise so niedrig anzusetzen, dass sie die gesamte Konkurrenz unterbieten? Durch den vermeintlich gigantischen von Arbeitern erwirtschafteten Mehrwert entsteht ein großer Spielraum für Preissetzungen, während die Unternehmung trotzdem noch profitabel wäre. Vom niedrigeren Preisen profitiert dann sogar der ausgebeutete Arbeiter, dessen Lebensstandard steigt. Marx geht von der wirren Vorstellung aus, dass sich die Kapitalisten quasi gemeinschaftlich darauf versteifen, den gesamten „Mehrwert“ auch preislich abzuschöpfen und ignoriert dabei das Konkurrenzprinzip – welches er aber wiederum an anderer Stelle aufgreift (siehe Verelendungstheorie und Durchschnittsprofitrate).

An dieser Stelle könnte man auch noch detailliert über die hanebüchene Unterscheidung von Gebrauchs- und Tauschwert eines Gutes schreiben, die Marx einführen musste, damit im Rahmen seiner Theorie (die einen konstanten Wert der menschlichen Arbeit postuliert) überhaupt so etwas wie Preisbewegungen am Markt möglich sind. Oder man könnte diskutieren, warum die Arbeiter ihre Ausbeutung durch die Kapitalisten einfach so als alternativlos akzeptieren sollten. Aber bis hierhin sollte deutlich geworden sein, dass seine Theorie schon aus damaliger Sicht unzulänglich und hochgradig unwissenschaftlich war.

Marx ökonomische Ideen gründen sich nicht auf Wahrheitssuche, sondern speisen sich aus seiner Gesellschaftstheorie. Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften sieht er als „eine Geschichte von Klassenkämpfen“, wobei revolutionären Umwälzungen eine besondere Rolle zukäme.

„Gesellschaftsrelevante Wissenschaft“

Für das Verständnis seiner Ideen entscheidend ist folgender vielzitierter Satz aus Marx Frühschrift „Thesen zu Feuerbach“ (1845): „Die Philosophen (heute würde man von Intellektuellen sprechen, Anm. d. Red.) haben die Welt bisher nur interpretiert. Es kommt darauf an, sie zu verändern.“ Verändern wohin? Und zu welchem Zweck? Übersetzt auf den Marxismus bedeutet das: Der Marxismus ist keine wahrheitssuchende Theorie, sondern eine rein programmatische (Irr-)Lehre.

Von objektiver Wissenschaft hielt Marx nichts. Seiner Ansicht nach sollte Wissenschaft „gesellschaftlich relevant“ sein, also nicht nach der Wahrheit suchen, sondern gewisse (politische) Ziele verfolgen. Mit anderen Worten: Nur ideologische Wissenschaft ist von Wert. Und das Ziel war anscheinend die Veränderung der Gesellschaft hin zum klassenlosen Kommunismus und zentraler Planwirtschaft (ohne Privateigentum, mit vergemeinschafteten Produktionsmitteln und staatlich verordnetem Arbeitszwang), sodass Marx sich dementsprechend eine passende Theorie zimmerte.

Marx, Engels und die unter ihnen versammelten Intellektuellen wollten die Welt verändern. Dass ihre Theorie widersprüchlich war und man die von ihnen vorgegebenen Ziele niemals würde erreichen können, war ihnen anscheinend egal. Vermutlich ging es ihnen gar nicht um soziale Gerechtigkeit oder bessere Existenzbedingungen für die Armen.

Das würde auch erklären, warum sie keinen Lebensstil pflegten, der ihre hehren Ziele reflektieren würde oder warum sie teils so abfällig über die Arbeiterklasse dachten. Marx beschrieb die Arbeiter in einem Briefwechsel mit Engels als „verkommenes Gesindel“, Engels selbst bezeichnete sie einmal als „greulich dumme Massen“. Marx hat in seinem Leben keinen einzigen Tag in der Produktion gearbeitet und laut Zeitzeugen auch nie eine Fabrik von innen gesehen. Stattdessen war er chronisch pleite und musste deshalb mehrfach von seinem Freund Friedrich Engels (der Fabrikanteile besaß) finanziell unterstützt werden. Der große marxistische Prophet, abhängig von – laut seinen eigenen Aussagen ausbeuterischem – Kapitalisten-Einkommen. Was für ein Widerspruch.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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