Wirtschaft

Alarm für die Weltwirtschaft: Silizium-Preis steigt um 300 Prozent

Der aktuelle Mangel an Siliziummetall bedroht die Produktion von Autoteilen und Computerchips. Dies ist eine weitere herbe Belastung für die angeschlagene Weltwirtschaft sowie ein Hinweis auf Stagflation.
05.10.2021 11:00
Lesezeit: 2 min
Alarm für die Weltwirtschaft: Silizium-Preis steigt um 300 Prozent
Am Frankfurter Flughafen sind Kollektoren installiert, für deren Herstellung Silizium erforderlich ist. (Foto: dpa) Foto: Frank Rumpenhorst

Der aktuelle Mangel an Siliziummetall ist vor allem durch die kürzlichen Produktionskürzungen in Teilen Chinas ausgelöst worden. Die Preise für das Industriemetall sind nach den dortigen Stromengpässen innerhalb von weniger als zwei Monaten um rund 300 Prozent angestiegen, wie Daten von Bloomberg zeigen.

Dies ist neben Dingen wie unterbrochenen Lieferketten und Energieengpässen eine weitere erhebliche Belastung für zahlreiche Unternehmen. Am Freitag teilte der norwegische Chemiehersteller Elkem ASA mit, dass er und mehrere andere Unternehmen aufgrund der Knappheit an Siliziummetall einige Verkäufe ausgesetzt haben.

Das Problem zeigt auch, wie sich die globale Energiekrise auf vielfältige Weise auf die Volkswirtschaften auswirkt. Die Drosselung der Produktion in China, dem bei weitem größten Siliziumproduzenten der Welt, ist das Ergebnis von Bemühungen, den Stromverbrauch in dem Land zu senken. Daher mussten kürzlich auch mehrere Zulieferer von Apple und Tesla Teile ihrer Produktion in China einstellen.

Silizium macht 28 Prozent des Gewichts der Erdkruste aus und ist einer der vielseitigsten Rohstoffe überhaupt. Es wird in Computerchips verwendet, aber auch in Beton, Glas und Autoteilen. Es kann zu einem ultraleitfähigen Material verarbeitet werden, das in Solarzellen zum Einsatz kommt. Und es ist das Rohmaterial für Silikon, das etwa in medizinischen Implantaten, Dichtungsmitteln, Deodorants und Topflappen verwendet wird.

Trotz seines natürlichen Vorkommens in rohen Formen wie Sand und Ton gab es in den letzten Jahren Warnungen, dass die steigende industrielle Nachfrage zu einer Verknappung von Rohstoffen wie Kies führen könnte. Jetzt, da China die Produktion von hochreinem Siliziummetall drosselt, wird die Anfälligkeit der Siliziumversorgungskette in alarmierendem Ausmaß deutlich.

Besonders alarmierend sind die Folgen für die Automobilhersteller, wo Silizium mit Aluminium legiert wird, um Motorblöcke und andere Teile herzustellen. Neben Silizium müssen Autobauer auch mit einem Preisanstieg bei Magnesium rechnen, einem weiteren Legierungsbestandteil, der während der Energiekrise in China mit Produktionsproblemen zu kämpfen hatte.

"Wenn es zu Engpässen bei der Siliziumversorgung kommt, hat man ein Problem", sagte Keith Wildie, Leiter des Handels bei Romco Metals, einem Hersteller von Aluminiumlegierungen, gegenüber Bloomberg. "Es gibt immer noch ein gewisses Angebot, aber es wird zu einem Clearingpreis gehandelt, der offensichtlich sehr hoch ist."

Siliziummetall wird durch Erhitzen von Sand und Koks in einem Ofen hergestellt. Seit der Jahrtausendwende schwankte der Preis meist zwischen 8.000 und 17.000 Yuan (1.200 bis 2.600 Dollar) pro Tonne. Dann wurde den Erzeugern in der Provinz Yunnan befohlen, die Produktion von September bis Dezember um 90 Prozent unter das Niveau von August zu senken. Seitdem sind die Preise auf bis zu 67.300 Yuan gestiegen.

Yunnan ist mit einem Anteil von über 20 Prozent an der Produktion der zweitgrößte Produzent Chinas. Sichuan, wo ebenfalls Stromsperren verhängt wurden, liegt mit etwa 13 Prozent an dritter Stelle. Der größte Produzent, die autonome Uiguren-Region Xinjiang, hatte bisher keine größeren Probleme mit der Stromversorgung.

Zusammen mit den höheren Preisen für Öl und Metalle wie Aluminium und Kupfer führt die Siliziumknappheit zu einem Engpass, der sich bereits auf die gesamte Lieferkette ausgewirkt hat, von den Produzenten und Verladern bis hin zu den Spediteuren und Einzelhändlern. Die steigenden Preise gepaart mit dem Produktionsrückgang bei den betroffenen Firmen befeuern die Sorge, dass sich weltweit eine Stagflation einstellen könnte.

Die Verknappung macht sich bereits in der Solarbranche bemerkbar, wo eine verfeinerte und gereinigte Form des Siliziummetalls in Photovoltaik-Paneelen verwendet wird. Der Preis für Polysilizium in Solarqualität stieg am Mittwoch infolge der Lieferkürzungen sprunghaft um 13 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 2011. Seit Anfang Juni 2020 ist er um mehr als 400 Prozent angestiegen.

Siliziummetall spielt auch eine entscheidende Rolle bei Aluminiumlegierungen, denn es wirkt als Weichmacher. Es macht die Legierung weniger spröde. Hersteller können das Metall zu verschiedenen Teilen formen, die in zahlreichen Branchen wie der Automobilproduktion oder der Produktion von Haushaltsgeräten benötigt werden.

Yang Xiaoting, Senior Analyst bei Shanghai Metals Market erwartet, dass die Preise bis nächsten Sommer etwa auf dem derzeitigen Niveau bleiben, bis in der zweiten Jahreshälfte die Produktion gesteigert wird. Doch die Nachfrage aus Sektoren wie der Solarenergie und der elektronischen Ausrüstung steigt. "Selbst wenn es keine Beschränkungen des Energieverbrauchs gäbe, würde es einen Mangel an Industriesilizium geben."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nvidia-Aktie mit Rekordhoch: Geht die Aufwärtsrally weiter?
27.06.2025

Trotz Handelskrieg und wachsender Konkurrenz feiert die Nvidia-Aktie ein Rekordhoch nach dem anderen. Experten sprechen von einer...

DWN
Politik
Politik Bas überzeugt, Klingbeil verliert Ansehen: SPD-Parteitag bestimmt neues Führungsduo
27.06.2025

Auf dem SPD-Parteitag wurde nicht nur gewählt, sondern auch abgerechnet. Während Bärbel Bas glänzt, kämpft Lars Klingbeil mit einem...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Neobroker Trade Republic: Wie ein Berliner Fintech den Kapitalmarkt für alle geöffnet hat
27.06.2025

Büroräume in Berlin-Kreuzberg, drei Gründer mit einer Vision und eine App, die Europas Sparer an die Börse gebracht hat: Trade Republic...

DWN
Politik
Politik Bundestag stellt Weichen neu: Familiennachzug vorerst gestoppt
27.06.2025

Der Bundestag hat den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte gestoppt – ein umstrittener Schritt in der deutschen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Occidental Petroleum-Aktie: Warren Buffett setzt auf US-Ölgiganten – Risiko oder Chance?
27.06.2025

Warren Buffett stockt seine Beteiligung an der Occidental Petroleum-Aktie weiter auf – während grüne Fonds schließen. DWN zeigt, was...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn 2026: Anstieg bis 2027 auf 14,60 Euro geplant
27.06.2025

Der Mindestlohn in Deutschland soll in zwei Schritten weiter steigen – doch der Weg dorthin war steinig. Arbeitgeber, Gewerkschaften und...

DWN
Politik
Politik Bundeskabinett: Bauturbo, Bahnflächen, Mietpreisbremse und was sonst noch kommt
27.06.2025

Im Juni 2025 hat sich das Bundeskabinett getroffen, um Parameter für die kommende Legislaturperiode festzulegen – ganz sportlich einen...

DWN
Politik
Politik Von der Leyens Plan: EU will neuen globalen Handelsblock ohne die USA gründen
27.06.2025

Die EU will ein globales Handelsbündnis ohne die USA aufbauen – mitten im eskalierenden Konflikt mit Donald Trump. Bringt von der Leyens...