Weltwirtschaft

Energie-Krise und Lieferengpässe: Wer sind die Profiteure?

Lesezeit: 5 min
16.10.2021 10:59
Mittelstand und Verbraucher zahlen die Zeche für Energie- und Lieferkrise. Doch es gibt auch Profiteure.
Energie-Krise und Lieferengpässe: Wer sind die Profiteure?
Auch die Preise für Benzin steigen - und zwar massiv. (Foto: dpa)

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Wer in diesen Tagen einen Blick auf seine Heizungskosten wirft, dürfte sich verwundert die Augen reiben. Die Preise haben sich innerhalb eines Jahres mehr als verfünffacht. Das aber ist bei weitem nicht die einzige schlechte Nachricht: Wer sein Auto betanken will, muss fast täglich tiefer in die Tasche greifen oder - wie in Großbritannien – sogar unverrichteter Dinge nach Hause fahren, weil der Tankstelle das Benzin ausgegangen ist.

Hintergrund ist der weltweite Preisschub für Öl, Erdgas und Kohle. Erdöl, die meistverkaufte Ware der Welt, hat die 80-Dollar-Marke passiert und steigt weiter. Der Preis für Erdgas hat sich allein seit Anfang Oktober mehr als verdoppelt, und Kohle kostet heute mehr als sechsmal so viel wie vor einem halben Jahr.

Das hat dramatische Auswirkungen für die Endverbraucher - selbst wenn die Preise nicht weiter klettern würden. Eine vierköpfige Familie, die in Bayern auf 100 Quadratmetern wohnt, muss für den aktuellen Zahlungszeitraum mit einem Anstieg der Heizkosten um durchschnittlich 530 Euro rechnen.

Das aber dürfte nur ein Best-Case-Szenario sein, denn die Preisspirale dreht sich momentan von Tag zu Tag schneller. Großversorger wie E.ON kündigen bereits an, vorerst keine neuen Gaskunden mehr zu akzeptieren, und erste Anbieter wie die „Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft“, die hinter den Marken „Immergrün“ und „Meisterstrom“ steht, stellen die Strom- und Gasversorgung ihrer Kunden ganz ein.

Produzierende Industrie und Handel stehen ebenfalls vor riesigen Problemen

Der Anstieg der Energiepreise ist allerdings nur eines von vielen Problemen, die zurzeit förmlich explodieren. Die produzierende Industrie erlebt aktuell Schwierigkeiten, wie sie sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannt hat.

In Fabriken und auf Baustellen fehlt Material, in der Autoproduktion kommt es wegen des Chipmangels bereits zu Betriebsstilllegungen, und die Landwirtschaft muss aus dem gleichen Grund immer neue Ernteausfälle verkraften.

Nicht anders sieht es im Einzelhandel aus. Laut einer Ifo-Umfrage klagen 74 Prozent der deutschen Einzelhändler über Lieferprobleme. Im Bereich der Unterhaltungselektronik verzeichnen 97 Prozent der Einzelhändler Ausfälle bei ihren Bestellungen, bei Baumärkten und Möbelhäusern sind es sogar 99 Prozent.

Hintergrund ist zum einen ein vermindertes Angebot der Logistik zu Land, zu Wasser und in der Luft. Die Branchen haben wegen der Lockdowns kräftig abgespeckt und nutzen die gestiegene Nachfrage für drastische Preiserhöhungen. Hintergrund sind aber auch die vielen Risse, die in den Lieferketten entstanden sind und deren Auswirkungen erst nach und nach spürbar werden.

Hinzu kommt ein weltweites Anziehen der Inflation. Sie ist zum einen eine Folge der riesigen Geldinjektionen zur Stabilisierung des globalen Finanzsystems und der immensen Hilfszahlungen in Form von Ausfall-, Stützungs- und Kurzarbeitergeldern, die nun in den Konsum fließen. Zum anderen aber ist sie eine Folge der Verknappung des Angebots aufgrund der aktuellen Lieferschwierigkeiten und damit eine Folge der zahlreichen von der Politik angeordneten Lockdowns.

Die Strategie der Politik: nicht helfen, sondern verschärfen

Was aber tun die Regierungen, um die von ihnen verursachte Krise in den Griff zu bekommen? In Berlin versucht man, die Lage zu ignorieren oder schönzureden, in Paris und Rom stellt man die Bürger durch Hilfszahlungen, die den Staat Milliarden kosten, ruhig. Auf jeden Fall wird nirgendwo etwas unternommen, um das Übel bei der Wurzel zu packen oder ihm auf den Grund zu gehen.

Fassungslos machen einen die Erklärungen, die die Politiker zu den Ursachen der Krise abgeben. Wir hätten einen besonders langen und harten Winter hinter uns, der Wind wehe in diesem Jahr schwächer als sonst und Wladimir Putin liefere einfach nicht die Mengen an Erdgas, die man von ihm erwartet hätte. Die Lieferschwierigkeiten als Folge der diversen Lockdowns der vergangenen eineinhalb Jahre hätte man in dieser Heftigkeit nicht voraussehen können…

Was für ein Unsinn! All das hätte seit Monaten einkalkuliert und in die Planung mit einbezogen werden können. Haben wir nicht gerade erst erfahren, wie freizügig die Berliner Regierung ist, wenn es um die Einstellung von Beratern geht? Und leben wir nicht in einer Zeit, in der Quantencomputer in der Lage sind, jedes noch so unwahrscheinliche Zukunftsszenario bis ins Detail durchzuspielen?

Wer profitiert eigentlich von den Engpässen?

Man muss schon von erschreckender Naivität sein, um den Erklärungen der Politiker Glauben zu schenken. Was aber steht dann hinter der aktuellen Krise und der Verweigerung eines aktiven Gegensteuerns durch die Politik? Um das herauszufinden, muss man nur einen Blick auf die Gewinner und die Verlierer der jüngsten Entwicklung werfen.

Der mit Abstand größte Verlierer ist der Mittelstand. In Deutschland kämpft jedes zweite der 3,8 Millionen kleinen und mittelgroßen Unternehmen aktuell mit den Folgen von Lieferproblemen. Vier von fünf Betrieben im verarbeitenden Gewerbe können nicht richtig produzieren, weil Güter wie Stahl, Aluminium, Kupfer, Kunststoffe, Verpackungsmaterialien und Holz fehlen.

Wie aber kann es sein, dass dieser Mittelstand, der mehr als sechzig Prozent der Wirtschaftsleistung erbringt, mehr als dreißig Millionen Arbeitskräfte beschäftigt und die mit Abstand größte Steuerlast trägt, von der Politik derart im Stich gelassen wird?

Die Antwort ist simpel: Weil die Politik nichts anderes ist als das Vollzugsorgan des größten Gewinners der Krise, nämlich des digital-finanziellen Komplexes. Dieses Kartell aus IT-und Finanzkonzernen ist mittlerweile mächtiger als jede andere Kraft auf unserem Planeten: Der Börsenwert der fünf größten IT-Konzerne kratzt seit einigen Wochen immer wieder an der 10-Billionen-Dollar-Marke, und die beiden größten Vermögensverwaltungen der Welt, BlackRock und Vanguard, verwalten inzwischen sage und schreibe 17 Billionen Dollar.

Es ist dieses Kartell, das der Politik seine Interessen diktiert und das den Mittelstand zurzeit weltweit ausplündert, um einen seiner lukrativsten Geschäftszweige zu fördern – die Plattform-Ökonomie. Also die Branche, deren Mitglieder im Internet Transaktionen zwischen Anbietern und Kunden vermitteln. Zu den bekanntesten Plattform-Unternehmen zählen beispielsweise Amazon sowie der Unterkunfts-Vermittler Airbnb, der einen Jahresumsatz von rund 3,5 Milliarden Dollar erzielt, an der Börse jedoch mehr als 100 Milliarden Dollar wert ist.

Der digital-finanzielle Komplex setzt auf die Plattformen

An der Spitze der Plattform-Ökonomie steht der – bereits erwähnte - Online-Händler Amazon, der nach Angaben der New York Times allein in den ersten zehn Monaten des Jahres 2020 mehr als 425.000 neue Mitarbeiter eingestellt und seine globale Belegschaft damit um 50 Prozent auf über 1,2 Millionen Menschen erhöht hat!

Während kleine und mittelständische Einzelhändler durch die Preisexplosionen und Lieferkettenengpässe in immer größere Not geraten, boomt Amazons Online-Geschäft wie nie zuvor. Das gleiche gilt für den Dienstleistungsbereich. Ob Hotellerie, Gastronomie oder Beförderungsgewerbe - überall geraten die Kleinen und Mittleren durch Preissteigerungen und Lieferengpässe in zunehmende Schwierigkeiten, und überall erobern die Plattformfirmen immer neues Terrain.

Nun treffen die Probleme natürlich (teilweise) auch einige von ihnen, aber im Gegensatz zum Mittelstand stehen hinter den Plattformen große Geldgeber, die es ihnen erlauben, lange Durststrecken hinzunehmen und sogar über Jahre hinweg mit Dumpingangeboten Verluste einzufahren, nur um schlussendlich das Geschäft des Mittelstands zu übernehmen – mit anderen Worten, ihn in den Ruin zu treiben.

Das Ziel ist ein neues Finanzsystem

Was wir zurzeit erleben, ist nichts anderes als die Ohnmacht und die vollständige Hilflosigkeit der Politik angesichts der Plünderung des Systems durch den digital-finanziellen Komplex. Diese Plünderung erfolgt allerdings nicht blindlings, sondern mit einem klaren Ziel: Das aktuelle Finanzsystem, das nach zwölf Jahren des Gelddruckens und der Zinssenkungen nicht mehr dauerhaft am Leben zu erhalten ist, soll in den Worten von Klaus Schwab „kreativ zerstört“ werden, um einem neuen System Platz zu machen.

Dieses neue System soll auf dem digitalen Zentralbankgeld beruhen, das allerdings von großen Teilen der Bevölkerung nicht hingenommen würde, da es sie der absoluten Kontrolle und der totalen Überwachung durch den Staat unterwerfen würde.

Was liegt da aus der Sicht des digital-finanziellen Komplexes näher, als die Preise bewusst in die Höhe schießen und die Wirtschaft zerbrechen zu lassen, um auf diese Weise wirtschaftliche, finanzielle und soziale Verwerfungen zu erzeugen, die es schlussendlich ermöglichen, das digitale Zentralbankgeld in Form des universellen Grundeinkommens als Rettung vor dem Chaos zu präsentieren und es auf diese Weise ohne großen Widerstand einzuführen?

                                                                            ***

Ernst Wolff, 69, befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen internationaler Politik und globaler Finanzwirtschaft.


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