„Stiftungen werden von besonders erfolgreichen und vermögenden Menschen gegründet, weil sie der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen.“ So lautet die weitgehend akzeptierte Definition von Organisationen, die sich - dem gängigen Bild zufolge - der Philanthropie widmen.
Doch was verbirgt sich hinter dieser wohlklingenden Fassade? Sind Stiftungen, wie der amerikanische Schriftsteller Sinclair Lewis es formulierte, möglicherweise ein „Ausdruck tätiger Reue“? Oder verfolgen sie sogar ganz andere Ziele, als der Öffentlichkeit vermittelt wird?
Ein Blick auf die einflussreichsten Stiftungen unserer Zeit zeigt jedenfalls, dass sie noch nie so viel Macht ausgeübt haben wie in den vergangenen Jahrzehnten, und dass es zwischen dem Bild, das sie von sich vermitteln, und ihren tatsächlichen Aktivitäten erhebliche Unterschiede gibt.
Das Stiftungs-Prinzip: Der Obrigkeit das Geld entziehen
Stiftungen sind keine Erscheinung der Neuzeit. Es gab sie bereits im Mittelalter und in der Antike. Sie wurden immer dann gegründet, wenn die Obrigkeit von ihren Untertanen Abgaben forderte. Im Mittelalter zum Beispiel entzog sich die sehr mächtige Geistlichkeit den Forderungen des Adels, indem sie Stiftungen gründete.
An diesem Prinzip hat sich auch in der Neuzeit nichts geändert. Die ältesten Stiftungen der USA stammen aus der Zeit des Bürgerkrieges (1861 bis 1865). Damals erhob die Regierung der Nordstaaten zur Finanzierung des Krieges gegen die Südstaaten zum ersten Mal Steuern. Umgehend verhinderten einige sehr wohlhabende „Tycoons“ (die Vorgänger der heutigen Oligarchen) den staatlichen Zugriff auf einen Teil ihres Vermögens, indem sie Stiftungen (englisch: foundations oder endowments) gründeten.
Kein Wunder also, dass einige der bedeutendsten Stiftungen heute noch die Namen von Männern wie John D. Rockefeller, John Harvey Kellogg oder Andrew Carnegie tragen. Auch kein Wunder, dass diese Männer sich alle Mühe gaben, in der Öffentlichkeit den Eindruck großzügiger Menschenfreunde zu erwecken: Sie alle galten nämlich zu ihrer Zeit als „Räuberbarone“ und waren als Teil des „Money Trusts“ wegen ihrer brutalen Geschäftsmethoden in der amerikanischen Bevölkerung zutiefst verhasst.
Hilfreich zur Seite gestanden hat ihnen nach der Jahrhundertwende die US-Politik, die das Stiftungsrecht vier Jahre nach der Einführung der bundesweiten Einkommenssteuer 1913 an die Erfordernisse der Wohlhabenden anpasste und auf diese Weise dafür sorgte, dass in Amerika bis heute mehr als 50.000 Stiftungen gründet werden konnten, deren Gesamtbudget in unseren Tagen bei etwa einer halben Billion Dollar liegt.
Steuervermeidung unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit
Auch das deutsche Stiftungsrecht dient trotz anders lautender Beteuerungen durch die Betroffenen vor allem einem Zweck: der Verringerung der Steuerlast. Die Dachorganisation „Deutsches Stiftungszentrum“, der zurzeit über 670 Stiftungen mit einem Gesamtvermögen von mehr als 3,3 Milliarden Euro angehören, behauptet auf ihrer Website zwar: „Stiftungen sind kein Steuersparmodell.“
Auf derselben Seite heißt es jedoch: „Die Schenkung von Unternehmensanteilen an eine private Stiftung kann ein Mittel zur Verringerung der Einkommens- und/oder Erbschaftssteuerschuld sein.“ Weiter unten wird das Ganze auch noch spezifiziert: „Die Ersparnisse bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer können dazu führen, dass der weitaus überwiegende Teil der Stiftungsdotation aus Steuerersparnissen finanziert werden kann.“
Etwas später werden auch noch einige konkrete Details preisgegeben: „Private Stiftungen können sowohl mit privat gehaltenen als auch mit börsennotierten Aktien finanziert werden. Darüber hinaus kann die Stiftung beide Arten von Aktien auf unbestimmte Zeit halten. Falls und wenn die Stiftung die Aktien verkauft, zahlt sie eine nominale Verbrauchssteuer (1,39 %) auf den Nettogewinn.“
Stiftungen dienen also sehr wohl der Steuervermeidung. Um trotzdem den Eindruck der Gemeinnützigkeit aufrechtzuerhalten, heißt es auf der Website des „Deutschen Stiftungszentrums“ dann aber noch: „Wer Vermögen in eine gemeinnützige Stiftung einbringt, dem steht dieses Geld nicht mehr zur eigenen Disposition.“
Stiftungen fördern Eigeninteresse, Korruption und Geldwäsche
Diese Aussage ist allerdings nur formal richtig, denn das Geld kann sehr wohl zur Förderung der eigenen Interessen und zur Mehrung des eigenen Vermögens eingesetzt werden. Ein weltbekanntes und brandaktuelles Beispiel hierfür liefert die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung.
Sie engagiert sich seit Jahren vor allem in zwei Bereichen – weltweiten Impfkampagnen und der globalen Initiative zur Abschaffung des Bargeldes. Hierzu hat sie im ersten Fall der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Impfallianz GAVI erhebliche Summen gespendet und im zweiten Fall zusammen mit anderen Stiftungen und mehreren Regierungen im Jahr 2012 die Better-Than-Cash-Allianz gegründet und mitfinanziert.
Man muss nur einen Blick auf die führende Rolle von Bill Gates‘ Unternehmen Microsoft bei der Digitalisierung der Medizin und des Geldes werfen, um zu wissen, dass beide Engagements alles andere als uneigennützig sind. Noch klarer werden die verborgenen Absichten, wenn man sich die Aktienpakete ansieht, die die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung hält: Darunter befinden sich jede Menge Pharma-Werte.
Stiftungen können aber nicht nur ganz legal dem Eigeninteresse dienen, sondern auch sehr nützlich sein, wenn es darum geht, kriminelle Machenschaften zu kaschieren.
Man stelle sich zum Beispiel einen Waffenhändler vor, dem ein ausländischer Diktator eine schmucke Yacht im Mittelmeer in Aussicht stellt, wenn er ihm illegalerweise Rüstungsmaterial zukommen lässt. Alles, was der Waffenhändler machen muss, ist Folgendes: Er gründet eine Beratungsgesellschaft, diese Beratungsgesellschaft gründet eine Stiftung und diese Stiftung eröffnet eine Briefkastenfirma in einer Steueroase wie zum Beispiel Liechtenstein.
Der ausländische Diktator zahlt dann an die Briefkastenfirma, die ihrerseits das Geld an die Stiftung weiterleitet, die dann die Yacht kauft und zu Wasser lässt. Tatsächlich ist der Waffenhändler nun nicht offiziell der Besitzer der Yacht, kann damit aber juristisch unbehelligt und auf unbegrenzte Zeit in See stechen.
Auch Geldwäsche lässt sich auf diese Weise hervorragend betreiben, denn die Stiftung muss eingenommene Gelder ja nicht unbedingt für Yachten ausgeben, sondern kann damit auch in bestehende Unternehmen einsteigen. Das Stiftungsrecht schafft also die Voraussetzungen für eine Intransparenz, die die verschiedensten Formen der Wirtschaftskriminalität begünstigt.
Wichtiger als Geld: Politischer Einfluss
Noch bedeutender als der finanzielle Einfluss ist in der jüngeren Vergangenheit die Rolle geworden, die einige Stiftungen im Bereich der Politik und der Umgestaltung der Gesellschaft spielen.
In Deutschland zählen die nach Konrad Adenauer, Friedrich Ebert, Heinrich Böll und Rosa Luxemburg benannten Stiftungen zu den bekanntesten und einflussreichsten. International verblasst ihre Bedeutung jedoch gegenüber den großen US-amerikanischen Stiftungen, wie zum Beispiel der bereits erwähnten Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die allein aufgrund ihres gigantischen Kapitals von fünfzig Milliarden unendlich viel mehr Einfluss nehmen kann als ihre deutschen Konkurrenten.
Noch bedeutender ist allerdings das 1987 aus dem vom deutschen Professor Klaus Schwab 1971 gegründeten „European Management Forum“ hervorgegangene „World Economic Forum“, das ein völlig neues Geschäftsmodell entwickelt hat.
Schwabs Stiftung konzentriert ihre Aktivitäten nicht etwa darauf, finanzielle Gewinne zu erwirtschaften und ihrem Gründer so zu größerem wirtschaftlichem Wohlstand zu verhelfen, sondern betreibt ein ausgeklügeltes System globalen Netzwerkens. Schwab versammelt Jahr für Jahr die wirtschaftliche und politische Elite der Welt um sich und sorgt so dafür, dass man sich kennt, jederzeit aufeinander zurückgreifen und sich so gegenseitig unterstützen und helfen kann.
Aber das ist nicht alles: Seit Anfang der 1990er Jahre sucht Schwab in einem gezielten Auswahlverfahren die nächste Generation an politischen und wirtschaftlichen Führern aus und lässt sie im Rahmen des „Young-Global-Leaders“-Programms in seinem Sinne und im Interesse seiner Klientel ausbilden.
Dass sich unter den so herangezogenen Führungskräften Namen wie Bill Gates, Jeff Bezos, Angela Merkel, Tony Blair, Emmanuel Macron und zahlreiche weitere politische und wirtschaftliche Spitzenkräfte der Welt befinden, zeigt nicht nur, welch ungeheuren Einfluss das World Economic Forum heute ausübt.
Es zeigt vor allem, wie das Stiftungsrecht unser aller Leben in immer stärkerer Weise beeinflusst.