Mit der Konstituierung des neuen Deutschen Bundestags – und weil in politischen Talkshows teilweise sehr fragwürdige Thesen vertreten werden – erscheint es sinnvoll, die Sinne in Politik und Gesellschaft für wesentliche Grundlagen der Energiepolitik zu schärfen:
1. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass Wind- und Solaranlagen allein keine Versorgungssicherheit garantieren können. Dies gilt völlig unabhängig davon, wie viele dieser Anlagen künftig noch hinzugebaut werden. Wind- und Solaranlagen benötigen ein absolut zuverlässiges, 100-prozentiges Backup-System. Bei "Dunkelflaute" liefern Wind- und Solaranlagen wenig bis nichts.
2. Derzeit haben wir noch ein halbwegs zuverlässiges Backup-System: Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke.
3. Mit den jetzt unmittelbar bevorstehenden Stilllegungen der letzten sechs Kernkraftwerke und der gleichzeitigen Stilllegung von immer mehr Kohlekraftwerken, verlieren wir in Kürze dieses absolut notwendige Backup-System. Es kommt erwartungsgemäß zu einer extrem gefährlichen Unterdeckung bei der gesicherten Leistung.
4. Vor dem Hintergrund einer unmittelbar bevorstehenden "Stromlücke" hält selbst der Bundesverband Solarwirtschaft "Laufzeitverlängerungen" für "unausweichlich".
5. In fahrlässiger Weise wird derzeit die Illusion verbreitet, man könne – in kurzer Zeit – eine Wasserstoff-Methan-Wirtschaft als Backup-System für Wind und Sonne aufbauen. Es wird nahegelegt, man könne auf diese Weise bis spätestens 2030 ein Energiesystem mit 100 Prozent erneuerbaren Energien realisieren.
6. Eine solche Wasserstoffwirtschaft ist absolut nichts Neues – sie wird schon seit vielen Jahrzehnten propagiert, wissenschaftlich erforscht und erprobt. Nur: Geliefert wurde sie nie. Das hat nachvollziehbare Gründe, unter anderem:
▪ Eine Wasserstoff-Methan-Wirtschaft ("Power-to-Gas-to-Power") hätte Wirkungsgradverluste von größenordnungsmäßig 75 Prozent.
▪ Wegen diesen extremen Verlusten bräuchte man für die gesamte Energieversorgung gigantische Wind- und Solarstrom-Mengen, was praktisch nicht darstellbar ist.
▪ Die für die Wiederverstromung von Speichergasen erforderlichen "H2-ready"-Gaskraftwerke gemäß Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP gibt es noch nicht.
▪ Das Erdgasnetz lässt sich nicht in kurzer Zeit für hohe Wasserstoff-Anteile ertüchtigen.
▪ Eine Wasserstoff-Methan-Wirtschaft wirft nach wie vor Sicherheitsfragen auf.
▪ Eine umfassende Wasserstoff-Methan-Wirtschaft wäre unermesslich teuer, aus heutiger Sicht würde man wohl sagen: unbezahlbar.
7. Strom aus Wind- und Solaranlagen ist bei isolierter Betrachtung – und ohne die vollkommen offenen Entsorgungskosten – inzwischen sehr günstig. Bei ganzheitlicher Betrachtung aber ist ein solches Stromerzeugungssystem extrem teuer, da man die Kosten für einen Backup-Kraftwerkspark, für die Verklappung von Überschussstrom ins Ausland, für den teuren Import von Kohle und Atomstrom, für teure Kurzzeit-Batteriespeicher, für das völlig ungewisse Abenteuer einer Langzeitspeicherung mit Wiederverstromung (Wasserstoff/Methan/Gaskraftwerke) mit in Rechnung stellen muss.
8. Entgegen der früheren Erwartungen gelang es nicht, den Stromverbrauch wie auch den Energiebedarf insgesamt deutlich zu reduzieren. Inzwischen ist man sich sogar einig darin, dass der Strombedarf künftig deutlich steigen dürfte: wegen diskussionswürdigen Entwicklungen wie Elektromobilität, Elektrowärmepumpen und Elektrifizierung der Industrie. Auch im Wärmemarkt gelang es trotz Billionen-schwerer Ausgaben für Wärmedämm-Maßnahmen nicht, den Heizwärmebedarf (klima- und witterungsbereinigt) zu reduzieren.
9. Weder die dafür erforderlichen Strom-Mengen (Terawatt-Stunden) noch der damit verbundene Anstieg der Spitzenlast (Gigawatt) lassen sich durch einen forcierten Ausbau der Wind- und Solarenergie bereitstellen.
10. Es ist daher geplant, die Stromversorgung für Privatverbraucher, Gewerbe und Industrie zu rationieren ("Angebots-orientierte Stromversorgung"). Schon heute müssen stromintensive Industriebetriebe (gegen Entschädigung, die wir alle bezahlen) regelmäßig ihre Anlagen abschalten, wenn nicht mehr genügend Strom erzeugt beziehungsweise importiert werden kann. Damit vertreibt man die Industrie aus Deutschland. Im Bundeswirtschaftsministerium wurde darüber hinaus bereits ein Gesetzentwurf erarbeitet, der die zeitweise "Abschaltung von Elektrowärmepumpen und Elektroautos" vorsieht, weil man für diese Zusatzanwendungen weder die Strommengen noch die Leistungsspitzen zuverlässig zur Verfügung stellen kann.
11. Es ist insofern gar nicht geplant, weiterhin eine zuverlässige und preiswerte Energieversorgung aufrechtzuerhalten. Wir bewegen uns - so jedenfalls können die jüngsten Äußerungen von an den Koalitionsgesprächen beteiligten Politikern in den Talkshows interpretiert werden – planmäßig in eine StromMangelWirtschaft. Es ist fraglich, welchen Wert Ankündigungen im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP haben, man wolle in den kommenden Jahren Gaskraftwerke als Backup-System bauen, wenn diese "H2-ready" (Wasserstoff-geeignet) sein sollen, was technisch derzeit offenbar noch gar nicht möglich ist.
12. Eine von der künftigen Bundesregierung möglicherweise geplante StromMangelWirtschaft würde erwartungsgemäß zu massiven Wohlstandsverlusten, zu De-Industrialisierung, Verarmung und Verelendung führen. Schon jetzt können sich immer größere Teile der Bevölkerung Strom, Raumwärme, Warmwasser, Mobilität als auch sonstige Güter und Dienstleistungen des alltäglichen Bedarfs (Grundbedürfnisse!) kaum noch leisten, weil Energie immer teurer wird. Hilft man diesen Bevölkerungsschichten durch Umverteilung, so führt das erwartungsgemäß zum weiteren Absturz der Mittelschicht und zur existenziellen Bedrohung bis hin zur potenziellen Vernichtung des arbeitsplatzschaffenden Mittelstands, also von jenen immer weiter schrumpfenden Leistungsträgern, die die Transferleistungen für die Ärmeren zu stemmen haben. Das Verhältnis zwischen Steuer- und Sozialbeitragszahlern einerseits und Transfer-Empfängern andererseits wird so von Tag zu Tag katastrophaler. Eine solche populistische Umverteilungspolitik schadet am Ende vermutlich allen, weil sie die Grundlage des Wohlstands für alle systematisch unterminiert.
Mit Blick auf die neue Regierungsbildung ist es für unsere Gesellschaft überlebenswichtig, sich mit den vorstehenden Thesen auseinanderzusetzen. Auch Nicht-Fachpolitiker und jüngere Politiker sollten sich angesichts der essentiellen Bedeutung damit befassen.
Wesentlich ist jetzt auch eine gesellschaftliche Antwort auf diese Herausforderungen. Unser Land hat hunderte Fachleute und kompetente Professoren zu bieten – es gibt nicht nur Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die gefühlt in jeder zweiten politischen Talkshow zum Thema präsent ist.
Dieses Land leistet sich ungezählte Wissenschaftler und sonstige Fachleute, die vorstehende Thesen beurteilen können. Es ist überfällig, dass bei Maybrit Illner und in anderen Talk-Shows gerade jetzt auch andere Professor/innen und Praktiker aus der Energiewirtschaft zu Wort kommen.
Die jungen Politiker im Deutschen Bundestag versprechen einen Neuanfang, einen neuen Politik-Stil.
Meine Empfehlung dafür wäre, die energiepolitische Debatte schnellstmöglich auf ein rationales Gleis zu setzen, bevor Entwicklungen eintreten, die nur noch schwer wieder "einzufangen" sind.
Viele "Ältere" würden sich über junge Politiker und Wissenschaftler freuen, die jenseits von ideologischem Ballast der Vergangenheit mutige Wege für eine versorgungssichere preiswerte und umweltfreundliche Energiepolitik bahnen. Es bedarf dringend junger Kräfte, die mithelfen, alte Grabenkämpfe und Glaubenskriege zu beenden und eine Versöhnung in unserer Gesellschaft zu organisieren, die helfen, Brücken zu bauen und neue Kompromisse auf rationaler Grundlage zu finden.