Politik

Deutsch-Russische Beziehungen: Es kann nur besser werden

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sind fundamental für Sicherheit, Frieden und Stabilität in Europa. Leider haben sie sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert.
05.12.2021 12:07
Lesezeit: 5 min
Deutsch-Russische Beziehungen: Es kann nur besser werden
Der zukünftige Bundeskanzler, Olaf Scholz (SPD), Noch-Kanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin. (Foto: dpa) Foto: Bernd von Jutrczenka

Der Wendepunkt für die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland war die Ukraine-Krise im Jahr 2014. Auf die Besetzung der Krim durch russische Truppen und die russische Unterstützung für die Separatisten im ostukrainischen Donbass antwortete die EU mit der Verhängung scharfer Sanktionen. Diese sollten eine Verhaltensänderung Moskaus bewirken, sind jedoch weitgehend ohne Erfolg geblieben. Daher bezweifeln viele Experten ihren Sinn – dennoch hat die Bundesregierung im EU-Rat stets ihre Verlängerung befürwortet.

Erfolgreich war lediglich der Minsker Dialog zur Friedenssicherung zwischen Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine, und zwar

insofern, als dass die Kämpfe in der Ostukraine abflauten. Ein dauerhafter Waffenstillstand konnte aber nie erreicht werden. Weder die russische noch die ukrainische Seite bewegen sich wirklich bei der Lösung des Konfliktes. So weigert sich die Ukraine weiterhin, ein Gesetz zur Selbstverwaltung des Donbass´ und die Durchführung regionaler Wahlen zu erlassen, was aber im Protokoll von Minsk vereinbart war. Während die deutsche Bundesregierung die russische Position deutlich kritisiert, ist man gegenüber der Ukraine eher nachsichtig. Diese Einseitigkeit wird international durchaus wahrgenommen und schwächt die deutsche Position.

Syrien und Libyen

Im Syrienkrieg kritisierte Deutschland stets die russische Unterstützung für den syrischen Präsidenten Assad, hält sich ansonsten aber bewusst aus dem Konflikt heraus. In Libyen dagegen bemüht sich Berlin um eine Friedenslösung zwischen der Regierung in Tripolis und dem aufständischen General Chalifa Haftar. Die Bundesregierung lud daher auch Russland, das Haftar unterstützt, zu der Friedenskonferenz 2020 in Berlin ein. Der dort erzielte, wenngleich fragile Waffenstillstand wird auch von Russland mitgetragen. Ein positives Beispiel deutsch-russischer Kooperation!

Rolle von EU und NATO

Mehr Trennlinien zwischen Russland und Deutschland gibt es dagegen bei der Einschätzung der Rolle von EU und NATO in Osteuropa. Die russische Regierung betrachtet die dortigen Aktivitäten der EU mit Misstrauen. Dies gilt auch für das Programm der östlichen Partnerschaft, mit dem Brüssel und Berlin postsowjetische Staaten wie die Ukraine, Georgien, Armenien und Moldawien stärker an europäische Strukturen anbinden wollen. Besonders kritisch wird von der russischen Regierung die starke Unterstützung Deutschlands und der EU für die Ukraine gesehen, die von allen postsowjetischen Staaten das schlechteste Verhältnis zu Moskau hat.

Eine weitere Ausweitung der NATO auf das Gebiet der früheren Sowjetunion hat Deutschland bisher eher skeptisch gesehen. Auf dem NATO-Gipfel in Bukarest 2008 verhinderten die Bundesrepublik und Frankreich mit ihrem Veto die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und Georgien. Damals vertrat die Bundesregierung die Position, dass dadurch das Konfliktpotenzial der NATO mit Russland beträchtlich steigen würde. Es bleibt abzuwarten, ob auch die neue Bundesregierung diesen Kurs beibehält.

Osteuropa

Auf dem Balkan befürchtet die Bundesregierung eine zunehmende Einflussnahme Russlands, aber auch der Türkei und Chinas. Deshalb gehört Berlin zu den Befürwortern einer engen Anbindung der Staaten des Westbalkans an die EU. Auch in Weißrussland gehen die Interessen Deutschlands und Russlands weit auseinander. Der Kreml unterstützt den weißrussischen Machthaber Lukaschenko, obwohl allgemein bekannt ist, dass Putin und Lukaschenko kein besonders enges Verhältnis pflegen. Doch angesichts der Massenproteste in Weißrussland überwiegt in Moskau die Sorge, dass die prowestliche Opposition an die Macht kommen könnte. Berlin dagegen unterstützt offen die Opposition.

Handel und Nord Stream

Im Gegensatz zur Politik war der Handel lange Zeit ein verbindendes Element zwischen Russland und Deutschland. Vonseiten der deutschen Wirtschaft wurden gute Beziehungen nach Russland gepflegt. Infolge der EU-Sanktionen hat aber auch der deutsch-russische Handel gelitten. Die Bundesregierung befürwortet die Sanktionen gegen Russland und nimmt dabei wenig Rücksicht auf die Interessen des deutschen Außenhandels. Der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes, kritisiert die Aussetzung der EU-Russland-Gipfel und die Einstellung deutsch-russischer Regierungskonsultationen ab 2014: „Wir haben seitdem immer weniger Dialog und noch mehr Konflikte.“

Die Gaspipeline Nord Stream 2 hätte grundsätzlich das Potenzial, zu einem verbindenden Element zwischen Deutschland und Russland zu werden. Das ist von Moskau durchaus so gewollt. Zugleich kann durch Nord Stream aber auch die Position der aus Moskauer Sicht unberechenbaren Ukraine geschwächt werden. Genau dies wird aber von Merkel und Außenminister Heiko Maas abgelehnt, sodass sich die Bundesregierung dafür eingesetzt hat, dass die Gasdurchleitung durch die Ukraine auch nach Aufnahme des Betriebs von Nord Stream 2 nicht wesentlich reduziert wird. Im Sommer 2021 konnte in diesem Punkt ein tragfähiger Kompromiss erzielt werden.

Wenn sich die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock nun gegen eine Betriebserlaubnis von Nord Stream 2 stark macht, so ist dies ein Aufruf zum gezielten Vertragsbruch. Dies würde die Glaubwürdigkeit Deutschlands nicht nur in Russland beschädigen. Der Vorwurf Baerbocks, dass Russland in den letzten Monaten seine Gaslieferungen gezielt reduziert hätte, um dadurch den Druck für eine Betriebszulassung von Nord Stream 2 zu erhöhen, lässt sich schwer beweisen. Zwar sind die russischen Gaslieferungen seit August etwas zurückgegangen. Allerdings sind auch die Lieferungen von amerikanischem Flüssiggas nach Deutschland in den vergangenen Wochen um 15 Prozent gefallen. Dies liegt einfach daran, dass in Asien derzeit höhere Preise auf den Gasmärkten erzielt werden können als in der EU.

Auswirkungen des Klimawandels

In Zeiten des Klimawandels bietet sich ein zusätzliches Feld der Kooperation mit Russland an. Das Riesenreich leidet seit einigen Jahren unter verstärkten Waldbränden, vor allem in Sibirien. Zudem tauen zunehmend die nordrussischen Permafrostböden. Dadurch entweicht viel zusätzliches Methan in die Atmosphäre. Da Klimaschutz an den Grenzen eines Landes nicht haltmacht, ist eine verstärkte Kooperation zwischen Deutschland und Russland notwendig, zum Beispiel beim Auf- und Ausbau alternativer Energien. Durch seine riesigen Agrarflächen ist Russland für eine Zusammenarbeit bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff besonders interessant. Alexej Kaplun, Generaldirektor eines führenden Exporthubs für grünen Wasserstoff in Russland, betont, dass er „sehr großes Interesse an einer Kooperation mit der deutschen Wirtschaft“ habe.

Fazit

Es gibt noch weitere Konfliktpunkte zwischen Deutschland und Russland, beispielsweise die Menschrechtslage in Russland oder der Giftanschlag auf Alexej Navalny. Doch trotz dieser schwierigen Gemengelage ist eine Kooperation mit Russland ohne Alternative. Den nur durch Zusammenarbeit zwischen den beiden größten europäischen Ländern sind Entspannung und Sicherheit in Europa möglich.

Ganz sicher ist Putin kein einfacher Partner. Er vertritt die nationalen Interessen Russlands ebenso hart wie geschickt und hat dabei immer zusätzlich die Sicherung seiner persönlichen Macht im Auge. Zudem denkt Putin eher national als multilateral, das heißt: Gut ist, was Russland und seiner Macht nutzt. Dagegen werden in Berlin die Interessen von EU, NATO und anderen multilateralen Organisationen sowie die Solidarität mit Flüchtlingen oft höher gewertet als nationale Interessen. Diese sehr unterschiedlichen Politikansätze erschweren das gegenseitige Verstehen. Doch solange Putin noch Präsident ist, muss die deutsche Außenpolitik mit ihm leben. Und bis dahin gilt: lieber miteinander reden als nur übereinander.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Von Google Glass zu Meta Ray-Ban: Wie Smart Glasses den Markt neu definieren
02.11.2025

Smart Glasses galten lange als Nischenprodukt. Mit dem Aufschwung von KI und neuen Hardware-Initiativen rücken sie nun ins Zentrum...

DWN
Politik
Politik Abhängigkeit von US-Technologie: Welche Herausforderungen Europa jetzt meistern muss
02.11.2025

Technologie und digitale Souveränität stehen im transatlantischen Verhältnis zunehmend im Fokus. Europa nutzt US-amerikanische Systeme,...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersrente berechnen: So hoch ist die Maximalrente in Deutschland - unerreichbar für die meisten
01.11.2025

Im Alter gilt, je mehr Rente, desto besser. Doch selbst mit extra Schichten oder einem hohen Einkommen ist der maximale Betrag an...

DWN
Finanzen
Finanzen Zehn S&P 500‑Aktien mit Aufholpotenzial: So bewerten Analysten Chancen und Risiken
01.11.2025

Zehn S&P 500‑Aktien, die Analysten trotz schwächerer Jahresperformance als chancenreich einstufen, werden auf Wachstum, Bewertung und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lithium und die Energiewende: Wie der Rohstoff Elektronik und E-Mobilität vorantreibt
01.11.2025

Lithium gilt als das Metall unserer Zeit. Smartphones, Laptops und Elektroautos kommen ohne es nicht aus. Die Nachfrage steigt rapide,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Winzer unter Druck: Wie sich eine Branche neu erfinden muss
01.11.2025

Der deutsche Weinbau steckt in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten. Sinkender Konsum, steigende Kosten und eine zunehmende...

DWN
Technologie
Technologie Wärmepumpen als Zeichen moderner Energieeffizienz: Wie KI ihre Leistung steigern wird
01.11.2025

Das Heizen wird künftig noch effizienter, kostengünstiger und komfortabler. Dank künstlicher Intelligenz werden Wärmepumpen in der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrradverleih in Europa: Wie nachhaltige Mobilität jährlich 305 Millionen Euro bringt
01.11.2025

Fahrräder sind in vielen europäischen Städten längst Teil der urbanen Mobilität. Bikesharing bietet Vorteile über den reinen...