Die Betreiber der Gaspipeline Nord Stream 2 müssen weiter auf grünes Licht aus Deutschland für eine Betriebsaufnahme warten. Die Bundesnetzagentur hat ihr Verfahren zur Zertifizierung der Nord Stream 2 AG als unabhängige Betreiberin und damit zur Freigabe des Gastransports durch die Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland vorläufig ausgesetzt. Zunächst müsse die Betreiberfirma nach deutschem Recht organisiert werden, teilte die Behörde am Dienstag mit. Ohne Zertifizierung durch die Netzagentur ist der Transport des russischen Gases durch die fertiggestellte Pipeline in den deutschen Binnenmarkt nicht zulässig.
„Die Bundesnetzagentur ist nach eingehender Prüfung der Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Zertifizierung eines Betreibers der Leitung Nord Stream 2 nur dann in Betracht kommt, wenn der Betreiber in einer Rechtsform nach deutschem Recht organisiert ist“, heißt es in einer Mittelung der Netzagentur. Laut der EU-Gasrichtlinie müssen Betrieb der Leitung und Vertrieb des Gases ausreichend getrennt sein.
Die Nord Stream 2 AG mit Sitz in Zug in der Schweiz, hinter der der russische Gaskonzern Gazprom steht, hat sich laut Bundesnetzagentur dazu entschlossen, eine Tochtergesellschaft nach deutschem Recht nur für den deutschen Teil der Leitung zu gründen. Diese solle Eigentümerin des deutschen Teilstücks der Pipeline werden und dieses betreiben. Das Zertifizierungsverfahren bleibe so lange ausgesetzt, bis die Übertragung der wesentlichen Vermögenswerte und personellen Mittel auf die Tochtergesellschaft abgeschlossen ist, hieß es weiter. Die Behörde könne dann ihre Prüfung fortsetzen. Eine Frist für das Verfahren läuft im Januar ab.
Die Nord Stream 2 AG verwies auf die Gründung eines Nord-Stream 2-Tochterunternehmens: "Unser Unternehmen will mit diesem Schritt die Einhaltung von geltendem Recht und Richtlinien gewährleisten. Zu Details des Verfahrens, seiner möglichen Dauer und den Auswirkungen auf die Betriebsaufnahme der Pipeline könne sich das Unternehmen nicht äußern, hieß es weiter.
Selbst wenn die Bundesnetzagentur grünes Licht gibt, ist anschließend eine Überprüfung durch die Europäische Kommission vorgesehen. Diese könnte sich bis zu vier Monate dafür Zeit lassen - auch weil der politische Druck von Pipeline-Gegnern innerhalb der EU groß ist. Nach der Stellungnahme aus Brüssel hat wiederum die Bundesnetzagentur zwei Monate Zeit für eine etwaige Zertifizierung.
Gazprom hatte im September die Fertigstellung der Leitung bekanntgegeben. Die Pipeline wurde je zur Hälfte von Gazprom und den Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert. Durch die 1230 Kilometer lange Pipeline von Russland nach Deutschland sollen jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas geliefert werden.
Gaspreise ziehen an
Das Aussetzen der Zertifizierung findet vor dem Hintergrund gestiegener Spannungen in Osteuropa (Weißrussland, Polen, Ukraine) statt. Auch ist Europa angesichts des bevorstehenden Winters auf eine stabile Versorgung mit Erdgas angewiesen. Die Lagerbestände auf dem Kontinent sind dieses Jahr ungewöhnlich niedrig, die starke Nachfrage hatte unter anderem zu einer Explosion der Preise für Erdgas geführt. Insbesondere Deutschland, welches parallel aus der Atomkraft und Kohleverstromung aussteigt, ist dringend auf Erdgas angewiesen, um seine Stromversorgung zu stabilisieren.
Die Preise für Erdgas im europäischen Handel reagierten auf die Ankündigung mit massiven Anstiegen. Der Referenzpreis für Gas in Europa, der niederländische TTF-Benchmarkpreis, stieg am Dienstag um rund 5 Prozent.