Finanzen

Buffett contra Kubin: Investor-Legende setzt auf Bargeld - DWN-Börsenexperte setzt dagegen

Lesezeit: 6 min
24.11.2021 16:21  Aktualisiert: 24.11.2021 16:21
Die DWN haben eine Reihe von Artikeln veröffentlicht, in denen über namhafte Investoren berichtet wurde, die vor einem möglichen Aktien-Crash warnen. Jetzt meldet sich DWN-Börsenexperte Andreas Kubin zu Wort - mit einer ganz anderen Vorhersage.
Buffett contra Kubin: Investor-Legende setzt auf Bargeld - DWN-Börsenexperte setzt dagegen
Warren Buffett präsentiert im Rahmen der Jahreshauptversammlung von Berkshire Hathaway "Berky Boxer Shorts", die von der zu Berkshire gehörenden Modefirma "Fruit of the Loom" hergestellt wurden. (Foto: dpa)

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Ist das Horten von viel Bargeld in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation wirklich die beste Strategie? Bringt es wirklich ein Höchstmaß an Sicherheit?

Nein! Definitiv nicht, im Gegenteil: Es ist vielleicht die allerschlechteste Option, denn auf Cash erhält man seit geraumer Zeit so gut wie keine Zinsen mehr. Und was Staatsanleihen angeht: Die sind sowieso obsolet! Aber zurück zum Bargeld.

Neuerdings lese ich wieder häufiger Meldungen, Investmentprofis - auch solche mit klingendem Namen - würden verstärkt große Mengen an Bargeld horten und/oder ihre Bargeldbestände deutlich erhöhen. Ich halte das – großer Name hin oder her – in Zeiten wie diesen für eine Strategie, die sich möglicherweise rächen wird.

Mein Rat: Lassen sie sich nicht verrückt machen. Wenn sie in soliden Dividenden-Titeln investiert sind und nicht erst sehr spät zu deutlich überhöhten Kursen eingestiegen sind, sollten Sie ganz entspannt bleiben.

Nicht zu viel Bargeld – aber auch nicht zu wenig

Merke: Ein gewisser Cash-Bestand muss immer verfügbar sein. Das heißt, niemals zu 100 Prozent investiert sein!

Das besagt auch eine (Meta-)Investmentregel aus meinem persönlichen Regelwerk: Immer ausreichend Liquidität haben! Wobei man über die genaue Höhe natürlich lange diskutieren kann – aber nicht darüber, dass Reserven vorhanden sein müssen. Übereifrige Klein-Anleger lassen nicht selten zu wenig liquide Mittel über, manchmal sogar überhaupt keine. Für den Fall der Fälle, für eine etwaige Notsituation, sind sie dann nicht gerüstet.

Übrigens verleiht eine ausreichende Summe Bargeld ihrem Besitzer ein unvergleichlich gutes intrinsisches Gefühl der Unabhängigkeit, ja, sie macht sogar angstfrei vor vielen Unwägbarkeiten des Lebens.

Der vorausschauende Investor hat stets genug Bargeld zur Hand

Aber der Besitz von ausreichend Bargeld bedeutet auch einen handfesten Vorteil. Welchen? Genau, der Investor verfügt für den Fall eines Börsenabsturzes über genügend Liquidität zum Kauf solider Unternehmen, die zum Zeitpunkt einer Abverkaufs-Hysterie an der Börse förmlich verschleudert werden. Merke: Aber auch in diesem Zusammenhang ist - im Unterschied zum Pokerspiel – ein „All in“ absolut verboten. Mit anderen Worten: Niemals sein gesamtes Bargeld investieren – und seien die Kaufoptionen auch noch so günstig!

Summa summarum steht fest: Die seit einigen Jahren präferierte Inflationspolitik und der daraus resultierende Kaufkraftverlust, resultierend in einer absoluten negativen Realverzinsung auf Sparguthaben (Inflation!), lassen gar keine anderen Alternativen zu, als investiert zu sein.

Die nächste Wachstums-Delle ist vorprogrammiert

Und noch eins ist klar: Die nächste Wachstumsdelle ist vorprogrammiert! Mehr denn je ist es wichtig, überwiegend auf dividendenstarke Titel zu setzten.

Was die Wachstumsdelle angeht: Ja, tatsächlich: Wir steuern aktuell auf eine solche zu, wenn nicht gar auf eine Rezession – geschuldet unter anderem den angedrohten Lockdowns und angekündigten Repressalien. Die perfide Ankündigung einer Zwangsimpfung in Österreich durch den interimistischen Bundeskanzler wird die Börsenkurse europaweit mit Sicherheit alles andere als stärken. Zur Beruhigung sei angeführt, dass es weltweit immer noch eine beträchtliche Menge an soliden Unternehmen gibt.

Als stellvertretendes Beispiel die jüngsten Zahlen von NVIDIA: Der Halbleiter- sowie Grafikkarten-Spezialist teilte nach Börsenschluss am Mittwoch, den 17. November, fulminante Zahlen mit. Im abgelaufenen Quartal stiegen die Erlöse der US-Hightech-Firma im Jahresvergleich um 50 Prozent auf 7,1 Milliarden Dollar (rund 6,3 Milliarden Euro). Der Gewinn stieg um signifikante satte 84 Prozent auf 2,46 Milliarden Dollar. Mit anderen Worten: Das Unternehmen mit Sitz in Santa Clara (US-Bundesstaat Kalifornien) kann neue stolze Rekordmarken vermelden.

„Seeking Alpha“ schrieb vergangenen Donnerstag, den 18. Nov. 2021: „Die Anteile von NVIDIA wogten um 11 Prozent nach oben, nachdem Wall Street-Analysten ihre Einschätzungen über Bord warfen, nachdem der Chip-Gigant besser als erwartete Gewinnzahlen präsentierte und den Ausblick weiter anhob.“

Man darf aber bei aller Euphorie nicht vergessen, dass in diesem Titel immer noch viel Fantasie eingepreist ist, wirft doch „Marketscreener“ ein geschätztes KGV von 80,5 x für das Fiskaljahr 2022 aus, das heißt, die Aktie wird zum fast siebenfachen Buchwert gehandelt. Dieser Euphorie wurde NVIDIA in den letzten Jahren jedoch immer wieder gerecht. Aber trotzdem etwas Vorsicht auch bei bisher glänzenden Zahlen. So schrieb beispielsweise die „Automobilwoche“: „Im Geschäft mit Autobauern wird aber auch Nvidia von den Engpässen bei Bauteilen gebremst, wegen denen Fahrzeuge nicht fertiggebaut werden können. Der Quartalsumsatz der Sparte [Auto – Anm. d. Red.] sank um elf Prozent auf 135 Millionen Dollar.“

An den geschätzten Leser und Investor sei gerichtet, konzentrieren Sie sich bitte auch auf einige andere vielversprechende Halbleitertitel, denn die Halbleiterbranche hat ihren Zenit noch lange nicht erreicht. AMD, United Microelectronics Corporation, Intel sowie Taiwan Semiconductor Manufacturing sollte man allesamt im Fokus behalten.

Was verspricht die europäische Zentralbankpolitik?

Die EZB-Direktorin Christine Lagarde hat erst vor wenigen Tagen angekündigt, es werde 2022 keine Zinserhöhung geben – erst 2023 könnte eine kommen, aber auch nur vielleicht. Ich bin nach wie vor felsenfest davon überzeugt, dass es auch 2023 noch keine, sagen wir nennenswerte, Zinsanhebungen geben wird. Wir alle wurden, simpel ausgedrückt, zu Gefangenen der überbordenden Inflationsentwicklung, einer Entwicklung also, die das Ergebnis der Zentralbank-Politik ist, die uns und unser Geld doch eigentlich schützen müsste.

Hinzu kommt, dass der Euro in US-Dollar mit 1,13 eine ziemlich nachgiebige Performance aufweist. Für diejenigen Anleger, die noch immer nicht ausreichend in Dollar-notierten, Franken-notierten oder anderen währungsstarken Wertpapieren investiert sind, sowie für diejenigen, die immer noch mit dem Investieren warten, könnten künftige Investitionen oder Nachkäufe relativ teuer werden.

Auch gegenüber dem britischen Pfund schmierte der Euro deutlich ab. Vor drei Jahren notierte er noch 5,4 Prozent höher gegenüber der britischen Währung. Wobei diese Entwicklungen keineswegs überraschend sind, im Gegenteil, sie waren faktisch zu antizipieren.

Wirkliche Gewinner sind auf alle Fälle dort zu finden, wo nach dem Crash im März 2020 oder noch früher kontinuierlich Positionen in diversifizierten Währungen aufgebauten wurden. Diejenigen, die seit dem ersten Halbjahr 2020 immer noch auf einen noch stärkeren Rückgang der Börsenindizes hoffen, könnten damit schlecht beraten sein.

Die Inflationierungstendenzen werden weiter anhalten und der Kaufkraftverlust - über alle Preise betrachtet - nicht abnehmen

In diesem inflationären Börsenumfeld gehe ich weiterhin von einer Inflationierung der Börse aus, was aber nicht unbedingt heißt, dass Börsenrücksetzer zwischendurch auszuschließen wären. Die sollten dann für sukzessive Einstiege genützt werden.

Merke: Auf rasche, starke Einbrüche folgen oft steile Anstiege. Börseneinbruch und Börsenerholung weisen dann einen deutlich ausgeprägten Keil im Chartbild auf. Wer konsequent bestimmte Investmentregeln befolgt und seine Investmentstrategie beherzigt, der kann das Börsengeschehen viel entspannter verfolgen, denn er gerät bei Börsenkorrekturen nicht gleich in Panik.

Der Schwarze Montag im Oktober 1987

Der Dow Jones notierte am frühen Vormittag des 19. Oktober 1987 bei 2.246,74 Punkten und schloss an jenem „Schwarzen Montag“ bei 1.738,74 Zählern. Es war der bis dato schlimmste Börsencrash binnen Tagesfrist. Ein erneuter „Schwarzer Montag“ ist nicht auszuschließen. Berechnungen zur Häufigkeit stellte der Harvard-Ökonom Xavier Gabaix an, dem zufolge ein 22,6-prozentiger Crash wie am Schwarzen Montag alle 150 Jahre stattfindet; ein 12,8-prozentiger Absturz wie 1929 aber alle 27 Jahre. In den beiden auf den 19. Oktober folgenden Handelstagen schoss der Dow Jones zunächst um sechs Prozent (20. Oktober) sowie um zehn Prozent (21. Oktober) wieder nach oben. Die restlichen Verluste wurden innerhalb einer Zeitspanne von zwei Jahren wieder vollständig wettgemacht.

Nach wie vor gilt es, wie oben bereits geschrieben, genügend Bargeld bereitzuhalten, falls die Kurse einbrechen sollten. Die hohe Kunst der Anlagestrategie ist es, wiederum nicht zu viel Bargeld zu haben und bereits mit einem satten Kapitalanteil sinnvoll investiert zu sein. Eines ist auch klar: Frühestens (ja, richtig gelesen, frühestens) vor 2008/2009 wäre die Strategie eine andere gewesen. Damals hätte ich ruhigen Gewissens einen signifikant höheren Cashbestand als heute vorgesehen.

Der optimale Bargeldbestand

Die Höhe des prozentualen Bargeldbestands muss jeder Anleger für sich selbst individuell definieren. Empfehlungen für die Strategie, die ein Anleger verfolgen muss, damit ihm eine möglichst nahe Annäherung an den optimalen Wert gelingt, kann nur derjenige geben, der über ein umfangreicheres Wissen über die Finanzmärkte verfügt. Jeder, der hier einfach nur aus dem Bauchgefühlt heraus Empfehlungen ausspricht, hat entweder die Gabe eines Hellsehers oder ist sich der Schwierigkeit der Aufgabe nicht bewusst beziehungsweise verschweigt sie wissentlich.

Seit mehr als einer Dekade ist es meine Strategie, mit einem Anteil zwischen rund 75 Prozent und 85 Prozent des frei zur Verfügung stehenden Buchgeldes (zum Beispiel Sparkonten) oder Zentralbankgeldes (Banknoten) investiert zu sein.

69,89 Milliarden Dollar Bargeld ist viel für uns. Für Birkshire Hathaway ist es das nicht!

Laut „statista.com“ belief sich die Bilanzsumme 2020 von Berkshire Hathaway auf 873,7 Milliarden US-Dollar. Wenn sich der Bargeldbestand, wie die DWN am 12. November berichteten, Ende des dritten Quartals 2021 auf 69,989 Milliarden Dollar erhöht wurde, dann sind das nur acht Prozent der Bilanzsumme von 2020 und bedeutet, dass die Experten dort erkannten, aktuell zu hoch investiert zu sein. Summa summarum ist ihr Bargeldbestand noch relativ gering gehalten.

In Diskussionen erlebe ich immer wieder, dass sich manche nach wie vor Folgendes nicht vorstellen können: Nämlich, dass die Börsen-Indizes Ende 2022 oder 2023 höher stehen könnten als heute. Was bei dieser „Gelddruckerei“ ja keineswegs unlogisch ist, aber meist nur jenen Leuten logisch erscheint, die sich lange mit der Materie Inflationierung und Kaufkraftverlust beschäftigt haben. Die Zeiten gleichen sich häufig, völlig gleich sind sie nie. Bewährtes wiederholen sowie Ausnahmen erkennen und auf Basis dieses Erkennens handeln: Darin besteht die Kunst!

Andreas Kubin lebt in Oberösterreich, hat ein MBA mit Schwerpunkt "Finanzen" und verfügt über drei Jahrzehnte Börsen-Erfahrung. 

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