Deutschland

Wirtschaftswachstum deutlich niedriger als Inflation

Die deutsche Wirtschaft hat ihr Wachstumstempo im Sommerquartal etwas gedrosselt. Einziger Treiber war der private Konsum, der nun jedoch wieder einzubrechen droht.
25.11.2021 10:44
Lesezeit: 2 min
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Die Konsumenten haben die deutsche Wirtschaft im Sommer mit ihrem Kaufrausch vor einer Flaute bewahrt. Die Verbraucher sorgten mit ihren Ausgaben dafür, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen Juli und September um 1,7 Prozent stieg, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Es revidierte damit eine frühere Schätzung von plus 1,8 Prozent.

Die privaten Haushalte gaben 6,2 Prozent mehr aus als im Vorquartal, während Staatskonsum, Investitionen und Außenhandel die Konjunktur jeweils bremsten. Derweil trübte sich die Verbraucherlaune vor Weihnachten ein. Die Nürnberger GfK-Marktforscher sagen in ihrem Konsumklima-Barometer für Dezember einen Rückgang um 2,6 auf minus 1,6 Punkte voraus - der niedrigste Wert seit einem halben Jahr.

"Wie schön war doch der Sommer", sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. "Das weitgehend von der Pandemie befreite dritte Quartal bescherte nicht nur den Menschen ein unbeschwertes Leben, sondern heizte auch den privaten Konsum kräftig an." Vor allem Restaurants, Bars und Hotels profitierten. Nun aber wirke die vierte Corona-Welle "ähnlich einer Handbremse für die Wirtschaft". Auch ohne Lockdown führe allein die Vorsicht der Verbraucher zu Umsatzeinbrüchen im Hotel- und Gaststättengewerbe und im stationären Einzelhandel.

"Die deutschen Konsumenten sind in Moll gestimmt", sagte auch Chefökonom Jörg Zeuner von Union Investment. "Selbst wer sein Geld ausgeben will, kann das nicht ohne weiteres tun." Denn die Lieferengpässe belasteten das Angebot, und die Einschränkungen hielten manche Menschen von den Geschäften fern.

PRIVATER KONSUM ERST HUI - DANN PFUI

"Es ist eine teuflische Kombination von Inflationssorgen und Corona-Ängsten", sagte Andreas Scheuerle von der DekaBank. "Die Menschen ziehen sich wegen der explodierenden Infektionen immer mehr in ihre sicheren eigenen vier Wände zurück und verzichten auf den Konsum von Dienstleistungen."

Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen IMK-Institut hält sogar ein Schrumpfen des Konsums im laufenden Quartal für möglich. "Die Hoffnung ist, dass sich im Gegenzug die Industrie etwas besser entwickelt, weil sich die Lage bei den Vorprodukten allmählich entspannt." Allerdings hätten die Deutschen in der Corona-Krise sehr viel Geld zurückgelegt, das im nächsten Jahr teilweise in den Konsum fließen könnte, sagte Dullien.

"Das Konsumklima wird gegenwärtig von zwei Seiten in die Zange genommen", erläuterte GfK-Fachmann Rolf Bürkl. Die explodierenden Corona-Inzidenzen und die Furcht vor weiteren Einschränkungen lasteten auf der Verbraucherlaune. Zum anderen lasse eine hohe Inflation von 4,5 Prozent die Kaufkraft der Menschen dahinschmelzen. "Dies dämpft die Aussichten für das bevorstehende Weihnachtsgeschäft etwas." Hinzu komme auch, dass die Sparneigung steige. Die Bereitschaft der Verbraucher zum Kauf teurer Güter wie Möbel oder Autos ließ laut GfK im November nach. Die Konsumenten blickten auch skeptischer auf die Konjunktur und ihre künftige finanzielle Lage.

Für Ende 2021 rechnen viele Fachleute mit einer Stagnation der Wirtschaft. Im Sommer lag das Bruttoinlandsprodukt noch um 1,1 Prozent unter dem Niveau des vierten Quartals 2019, dem Vierteljahr vor Beginn der Corona-Krise. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank im November den fünften Monat in Folge und zeigte, wie sehr die Firmen unter Lieferengpässen, Corona-Welle und teurer Energie leiden. Immerhin verbesserte sich nach Angaben der Münchner Forscher die Stimmung der Außenhändler leicht. "Die deutsche Exportwirtschaft ist trotz Lieferproblemen bei Vorprodukten und Rohstoffen robust aufgestellt", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

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