Der Bundesrat hat am 5. November einer Verordnung zugestimmt, die eine ganz grundsätzliche Neuerung bringt: Erstmals wird die Anwendung von Fernablesung in Privatwohnungen verpflichtend gemacht und dafür der Einsatz von Mobilfunktechnologie erlaubt. Das bedeutet einen Eingriff in wesentliche Grundrechte. Die Rede ist von der neuen Heizkostenverordnung: Im Zuge nationaler Umsetzung der Empfehlungen einer EU-Richtlinie von 2018 wird da im Zusammenhang mit dem Gebäudeenergie-Gesetz (GEG) Fernablesung vorgeschrieben, und zwar bei Wärmemesszählern sowie bei Wohnungswasserzählern für verbrauchsabhängige Abrechnung in Mehrfamilienhäusern und Mietswohnungen. Bis spätestens Ende 2026 muss alles auf diese technologische Praxis umgestellt sein.
Die Vorschrift zur Fernablesung ist zwar technikneutral gehalten; man kann insofern auch Kabel einsetzen, aber da das jedenfalls sehr teuer würde, dürfte es in der Praxis bei Funklösungen bleiben. Während jetzt viel um bürokratische Einzelheiten der gängelnden Verordnung diskutiert wird, kümmert jene disruptive Änderung in Sachen Mobilfunk offenbar erstaunlich wenige Bürgerinnen und Bürger. Dabei deuten in den letzten Jahren immer mehr Studien international darauf hin, dass Mobilfunkstrahlung durchaus ungute biologische Effekte zeitigen kann. Schon 2011 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein potenzielles Krebsrisiko benannt. Zehn Jahre später – um hier nur ein aktuelles Beispiel zu nennen – legten die Schweizer Forscher David Schuermann und Meike Mevissen im International Journal of Molecular Science dar, dass Strahlen-Exposition sogar schon im niedrigen Dosisbereich zu biologischen und gesundheitlich bedenklichen Effekten führen kann. Dank diesem vom Umweltbundesamt der Schweiz finanzierten Studienüberblick lässt sich kaum mehr glaubwürdig in Abrede stellen, dass Mobilfunkstrahlung Ursache so mancher körperlicher und nervöser Beschwerden durch die Auslösung von oxidativem Zellstress sein dürfte. Nicht von ungefähr hat im August ein US-Bundesgericht die dortige Regulierungsbehörde Federal Communication Commission (FCC) verpflichtet, endlich darzulegen, warum sie wissenschaftliche Nachweise für Schäden durch drahtlose Strahlung seit vielen Jahren ignoriert habe – ein wegweisendes Urteil! Und trotzdem zwingt jetzt die neue Heizkostenverordnung den Mobilfunk - zumindest indirekt - in die Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer von Millionen Menschen in Deutschland hinein.
Der Umweltmediziner Joachim Mutter berichtete schon vor Jahren, dass manche seiner Patienten nach dem Einbau neuer Heizungsmesszähler auf Funkbasis vielerlei Beschwerden und Krankheiten erworben hatten, und zwar auch, wenn sie gar nicht wussten, dass neue Strahlungsquellen installiert worden waren. Es habe sich um das breite Spektrum des „Mikrowellensyndroms“ gehandelt: Schlaflosigkeit, Kopf- und Körperschmerzen, Herzpalpitation, Blutdruckkrisen, Schwindel, Müdigkeit, Gedächtnisschwäche, Augenbrennen, Hautbrennen, Tinnitus, Depressionen. Die Beschwerden hätten sich erst gebessert, nachdem die elektronischen Wärmezähler gegen die alten Messröhrchen an den Heizkörpern ausgetauscht wurden.
Betroffen von den neuen Vorschriften sind Messeinrichtungen für Wasser, Gas und Heizwärmeverteiler. Die so „praktischen“ Vorgaben bedeuten für viele Wohnungsinhaber in ihrem Privatbereich eine unbemerkte, oft genug aber unerwünschte Strahlung. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat deutlich gewarnt: „Personen in der Nähe von drahtlos kommunizierenden Smart Metern sind den elektromagnetischen Feldern der Geräte ausgesetzt und absorbieren einen Teil der ausgesendeten Strahlungsleistung.“ Besänftigend heißt es weiter, funkende Zähler oder Messsysteme seien ja in der Regel im Keller installiert, und mit dem Abstand zum Sender nähmen die Feldstärken schnell ab. Doch gemäß der novellierten Verordnung werden Funkzähler in vielen Schlaf- und Kinderzimmern installiert werden, wobei sie sich häufig an Heizungen direkt neben dem Bett befinden. Und immer öfter werden sie mit einem hauszentralen Smart-Meter-Gateway zu kommunizieren haben. Einst hatte das BfS noch formuliert: „Um dem Grundsatz des Strahlenschutzes zu entsprechen, Belastungen wenn möglich zu vermeiden oder zu minimieren, können bevorzugt solche Smart Meter eingesetzt werden, die ihre Daten kabelgebunden übertragen“ – doch wenn nun zumindest indirekt Mobilfunk für die Heizmessung vorgeschrieben ist, sind Kabel weitestgehend passé, weil praktisch kaum oder nur mit hohem finanziellen Aufwand realisierbar. Folglich funkt‘s im Gebäude hin und her – frei nach dem zur Norm erhobenen Realitätsprinzip: „Das Ethische ist in die Technik hinein verschwunden; die Ethik ist nicht mehr da“ (Günter Rohrmoser).
Wer sich nun vielleicht durch Abschirmungsmaßnahmen vor den künstlich gepulsten, gezielt gebäudedurchdringenden Mobilfunk-Frequenzen schützen möchte, dürfte es schwer haben – nicht zuletzt wegen der Kosten und möglichen Reflexionen. Besonders betroffen wird die ohnehin schon viel geplagte Minderheit Elektrohochsensibler sein, die selbst niedrigere Dosierungen der künstlich gepulsten Strahlung als körperliche Belästigung empfinden und „allergisch“ spüren. Die oft zu hörende, auch behördlich gängige Meinung, es handele sich bei ihren Empfindungen und Ängsten um rein psychische Störungen, lässt sich keinesfalls pauschalisieren: Zynisch ignoriert sie all jene Befunde und Erklärungsmodelle, denen zufolge Mobilfunkstrahlung eben nicht nur physikalische Wärmewirkungen, sondern auch biologische Effekte unterhalb der geltenden Grenzwerte zeitigen kann. Hierüber informieren näher die Verbraucherorganisation Diagnose:Funk sowie die Broschüre „Elektrohypersensibilität“ der Kompetenzinitiative e.V. (2018).
Obendrein fragt es sich, inwieweit die jetzt in Kraft tretende Vorschrift überhaupt der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung gerecht wird, die doch auf Datensparsamkeit zielt, statt auf Datenmultiplikation. Zwar wird versichert, fernablesbare Verbrauchserfassungsgeräte würden Datenschutz und -Sicherheit nach dem Stand der Technik gewährleisten. Aber wie wenig der „Stand der Technik“ tatsächlich gewährleistet, haben gerade heuer zahlreiche internationale Meldungen über erfolgreiche und schwerwiegende Hackerangriffe bewiesen. Unerbittlich schreitet die digitale Transformation fort – ohne etwa zu fragen, ob angesichts zweifelhafter Cyber-Sicherheit im Blick auf Infrastrukturen nicht ein Ablassen von deren Digitalisierung ratsam wäre. Sollte man Zählerstände künftig doch besser wieder wie bisher händisch ablesen oder per Postkarte festhalten lassen, und zwar jährlich statt monatlich? Das würde nicht nur die Strahlenbelastung in vielen Haushalten reduzieren, sondern auch der allenthalben um sich greifenden Überwachungsmentalität einen gewissen Riegel vorschieben. Die Juristin Margit Krug macht in ihrer Broschüre „Lauschangriff durch smarte Zähler“ im pad-Verlag eindringlich auf diese Problematik aufmerksam.
Sofern sich die novellierte Heizkostenverordnung übrigens auf verstärkte Möglichkeiten und Anregungen zur Energieeinsparung beruft, mutet diese Argumentation doch recht gesucht an – zumal ja das viele Funken und das geplante Weiterleiten der Daten per Smartmeter-Gateway in verschiedene Netzwerke seinerseits wieder Energie verbraucht. Aber die gegenwärtige Politik, zu deren größten ideologischen Zielen das Forcieren der Digitalisierung im Sinne eines neuen, gleichwohl naiven Fortschrittsglaubens zählt, dürfte kaum bemüht sein, die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung in ihrer Reinheit und Deutlichkeit ernstzunehmen. Vielleicht wird ja bei der vom Bundesrat als Bedingung durchgesetzten Evaluierung in drei Jahren noch einmal ernsthaft nachgeschaut, wie es den Menschen mit der neuen Verordnung insgesamt geht.