Finanzen

EU-Kommissar Gentiloni: Die Schuldenregel haben wir nie durchgesetzt

Der italienische EU-Kommissar Gentiloni will beim Schuldenabbau nicht alle EU-Länder über einen Kamm scheren. Vor allem Italien soll wohl mehr Zeit bekommen.
29.12.2021 11:33
Aktualisiert: 29.12.2021 11:33
Lesezeit: 1 min

EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni will die Rückzahlung von Schulden künftig für jeden Mitgliedstaat individuell regeln. «Wir können nicht alle Länder über einen Kamm scheren. Die Unterschiede in den Schuldenquoten sind dafür zu hoch», sagte Gentiloni der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview. Im nächsten Jahr will die für Gesetzesvorschläge zustände EU-Kommission eine Reform der EU-Schuldenregeln vorschlagen. Es sei sinnvoll, für jedes Land eigene Ziele als Teil der Reform festzulegen, sagte Gentiloni.

Der sogenannte Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU sieht vor, dass Länder nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung an Schulden aufnehmen. Während der Corona-Krise wurde der Pakt ausgesetzt, er soll aber 2023 wieder in Kraft treten. Die Schuldenquote der EU liegt der Kommission zufolge inzwischen bei rund 92 Prozent.

Es gibt jedoch große Unterschiede: Gentilonis Heimat Italien etwa hat Schulden im Umfang von rund 155 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufgenommen, die Niederlande nur rund 57 Prozent. Besonders hoch verschuldete Länder fürchten, dass eine rasche Rückkehr zu strengen Vorgaben dem Aufschwung schaden könnte.

Gentiloni sagte, eine «glaubwürdige und realistische Reform» des EU-Stabilitätspakts müsse die Staaten auf ihrem derzeitigen Schuldenniveau abholen und nicht nach einheitlichen Maßstäben behandeln. Gentiloni widersprach der Position der Bundesregierung, der Stabilitätspakt sei flexibel genug. «Es stimmt, der Pakt lässt sich sehr flexibel auslegen», sagte der Italiener. «Aber wenn sich eine flexible Auslegung von Regeln irgendwann nicht mehr von deren kompletter Missachtung unterscheiden lässt, ist etwas schiefgegangen.»

Bereits vor der Corona-Krise galten die strengen Regeln als kaum umsetzbar. «Seien wir ehrlich: Die Schuldenregel haben wir nie durchgesetzt», sagte Gentiloni. Daher müsse die Reform auch wirkungsvollere Instrumente zur Umsetzung der Haushaltsregeln enthalten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
15.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzielles Notfallpaket: So sichern Sie Ihr Vermögen in Krisenzeiten
15.11.2025

In Zeiten wachsender Unsicherheiten rückt neben Notvorräten und Fluchtplänen auch die finanzielle Absicherung in den Fokus. Marek...

DWN
Politik
Politik Für einen Kampfjet braucht es 400 Kilogramm seltene Erden: Europa im Wettbewerb mit China und den USA
15.11.2025

Seltene Erden sind zu einem entscheidenden Faktor in globalen Machtspielen geworden und beeinflussen Industrie, Verteidigung und Hightech....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht
15.11.2025

In Deutschland redet kaum jemand über Klassen – als wäre soziale Herkunft heute keine Machtfrage mehr. Doch die Soziologin Prof. Nicole...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzblasen 2025: Wo der nächste große Crash drohen könnte
15.11.2025

An den Finanzmärkten steigt die Nervosität. Künstliche Intelligenz treibt Bewertungen auf Rekordhöhen, Staaten verschulden sich wie nie...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise: Boom zu Neuverträgen – eine Prognose
15.11.2025

Laut ifo sind Neuverträge in Großstädten um 48 Prozent teurer als Bestandsverträge. Das, so Experten, ist nicht nur ein Problem für...

DWN
Finanzen
Finanzen So profitiert Trumps Familie im Kryptosektor: CZ-Deals bringen Milliarden
14.11.2025

Der Fall um Čangpeng Žao und die Trump Familie wirft ein Schlaglicht auf die Verknüpfung von Kryptowährungen, Finanzströmen und...