Panorama

„Skythengold“: Kiew und Moskau streiten um das Erbe der Krim

Irgendwo in den Niederlanden liegt ein Goldschatz: Kostbare Kulturobjekte aus Museen der Krim. Gerichte müssen über die Zukunft entscheiden. Doch für Kiew und Moskau geht es um mehr.
07.01.2022 10:36
Aktualisiert: 07.01.2022 10:36
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der bittere Konflikt zwischen der Ukraine und Russland wird auch an einem ungewöhnlichen Schauplatz ausgefochten: Tausende Kilometer entfernt in der friedlichen Grachtenmetropole Amsterdam. Eigentlich geht es um kostbare Kulturgüter: Das über 2000 Jahre alte Gold des Reitervolkes der Skythen von der Krim. Die prachtvollen Objekte waren 2014 in Amsterdam ausgestellt worden. Doch dann wurde die Krim von Russland annektiert. Nun ist die Eigentumsfrage unklar, und Richter befassen sich in den Niederlanden mit der heiklen Frage: Wem gehört das Gold der Krim? Für Moskau und für Kiew ist es eine hochpolitische Frage.

Ende Oktober hatten die Amsterdamer Richter zwar auch in zweiter Instanz die Sammlung der Ukraine zugesprochen. Doch das letzte Wort im Streit um das „Skythengold“ ist damit wohl noch nicht gesprochen. Vier Museen der Krim erheben Anspruch auf das Gold und wollen nun vor den Hohen Rat, das höchste Gericht der Niederlande, ziehen und Revision einlegen. Das muss bis zum 26. Januar geschehen.

Der Chef der Krim-Republik, Sergej Aksjonow, hatte kurz vor dem Jahreswechsel Russlands Staatschef Wladimir Putin noch um Hilfe gebeten. Moskau hatte das Urteil vom Oktober bereits scharf kritisiert und den Krim-Museen Unterstützung zugesichert.

Dagegen ist die Ukraine zuversichtlich. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem „langerwarteten Sieg“: „Wir holen uns immer das Eigene zurück. Zuerst holen wir das 'Skythengold' und danach die Krim“, twitterte er nach dem Urteil.

Angefangen hatte alles mit der Ausstellung „Krim: Gold und die Geheimnisse des Schwarzen Meeres“ im Amsterdamer Allard Pierson Museum. Zu sehen waren Objekte aus vier Museen der Krim, darunter ein 2400 Jahre alter Helm der Skythen, filigrane Broschen und eine goldene Schwert-Scheide. Die Ausstellung war zuvor im Landesmuseum in Bonn gezeigt worden.

Normalerweise hätte das Amsterdamer Museum die Objekte nach der Schau an die Leihgeber zurückgegeben. Doch das verhinderten die dramatischen Ereignisse, die die Region bis heute zu einem Krisenherd Europas machen. In Kiew wurde im Februar 2014 nach prowestlichen Protesten der russlandfreundliche Präsident Wiktor Janukowitsch gestürzt. Danach annektierte Russland die Krim.

Nun stellte sich in Amsterdam die Frage: Gehören die Gold-Objekte den Museen auf der Krim oder dem Staat Ukraine? Das Museum erklärte, dass es in dieser Frage neutral sei. „Bis zu einem (endgültigen) Urteil in dem Fall sorgt das Allard Pierson für eine sichere Aufbewahrung der Objekte“, teilte es mit.

Die 565 Objekte stammen aus der Zeit des 2. Jahrhunderts vor Christus bis zum späten Mittelalter. Eine besondere Kostbarkeit sind nach Angaben des Nationalen Museums für Geschichte der Ukraine drei chinesische lackierte Holzschatullen aus dem ersten Jahrhundert. Ihr Fund war eine kleine Sensation, denn die Kästchen belegen die frühen Verbindungen der Krim über die Seidenstraße nach China. Die Krim-Museen sehen sich als Eigentümer. Denn es handele sich um das Kulturerbe von „lokalen Stämmen und lokalen Völkern“.

Das aber war für die Richter nicht ausschlaggebend. Sie urteilten auf der Basis des Museumsgesetzes der Ukraine von 1995. Das nämlich sollte verhindern, dass ukrainische Museumsstücke in ausländische Hände geraten. „Auch wenn die Museumsstücke von der Krim stammen und insoweit auch als Erbe der Krim anzusehen sind, sind sie doch Teil des kulturellen Erbes der Ukraine.“ Als sehr schwerwiegend bewerteten die Richter auch das „öffentliche Interesse“ des ukrainischen Staates.

Die Kuratorin der damaligen Ausstellung, Valentina Mordwinzewa, kann den Groll einiger Museumsmitarbeiter nachvollziehen. „Ich denke, die Menschen in den Museen auf der Krim gehen davon aus, dass, wenn die Exponate einmal nach Kiew kommen, sie dann für immer weg sind von der Krim“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Sorgen bereitet ihr die Zukunft der Stücke, deren Dokumentation weiter auf der Krim und damit unter russischer Verwaltung liege. „Und wer interessiert sich denn tiefer für die Krimkulturen hier in Kiew? Die Fachleute arbeiten meistens auf der Krim“, meinte die Archäologin. Ob es wegen der Lage einen fachlichen Austausch geben könne, sei fraglich.

„Wenn die Objekte nach Kiew kommen, dann wird es hier wie ein politischer Sieg aufgenommen“, sagte Mordwinzewa, die regelmäßig zwischen Moskau und Kiew pendelt. Bis es soweit ist, kann es noch dauern und liegt das Gold der Krim weiter in den Niederlanden an einem geheimen Ort. Doch kaum jemand erwartet, dass ein Urteil endgültig die Frage klären wird, um die es Moskau und Kiew eigentlich geht: Wem gehört die Krim?

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Siton Mining: Mining mit BTC, XRP und DOGE.Verdienen Sie 8.600 $ pro Tag an passivem Einkommen

Auf dem volatilen Kryptowährungsmarkt ist die Frage, wie sich die täglichen Renditen digitaler Währungen maximieren lassen, anstatt sie...

DWN
Politik
Politik Fed senkt Leitzins: Trump drängt auf geldpolitischen Kurswechsel
18.09.2025

Die US-Notenbank senkt erstmals seit Ende 2024 den Leitzins – ein Schritt, der tief in die innenpolitische Auseinandersetzung hineinragt....

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation in Deutschland: Wieso sich so viele Deutsche Geld für Lebensmittel leihen
18.09.2025

Brot, Milch, Schulden: Mehr als die Hälfte der unter 50-Jährigen greift für Alltagsausgaben zum Kredit – oft bei der Familie. Wer...

DWN
Politik
Politik Draghi-Report: Ohne gemeinsame EU-Schulden verliert Europa gegen alle
18.09.2025

Ein Jahr nach seinem wegweisenden Draghi-Report warnt Mario Draghi vor einer dramatisch verschlechterten Lage der EU. Der ehemalige...

DWN
Finanzen
Finanzen Topmanager erwarten Trendwende bei Börsengängen
17.09.2025

Nach Jahren der Flaute sehen Topmanager eine Trendwende am Markt für Börsengänge. Warum Klarna den Wendepunkt markieren könnte und was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Solar-Krise: Solarfirma Meyer Burger schließt Standorte - 600 Beschäftigten gekündigt
17.09.2025

Rettung geplatzt: Warum auch Investoren keinen Ausweg für den insolventen Solarmodul-Hersteller Meyer Burger sehen und was jetzt mit den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinesische Waren: Europas Industrie gerät zunehmend unter Druck
17.09.2025

Chinesische Waren fluten Europa. Subventionen aus Peking drücken Preise, während Europas Industrie ins Hintertreffen gerät. Deutschland...

DWN
Politik
Politik AfD stärkste Kraft: AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei
17.09.2025

Die AfD zieht in der Sonntagsfrage an der Union vorbei – für die SPD geht es minimal aufwärts. Eine Partei, die bislang nicht im...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft TOP10 Biotech-Unternehmen: Was Anleger jetzt wissen müssen
17.09.2025

Biotech-Unternehmen dominieren mit GLP-1 und Onkologie – doch Zölle, Patente und Studienerfolge entscheiden über Renditen. Wer jetzt...