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Ukraine-Krise: Medienberichte heizen Spannungen weiter an

Lesezeit: 4 min
24.01.2022 14:32  Aktualisiert: 24.01.2022 14:32
Die Krise rund um die Ukraine verschärft sich. Auffallend ist, dass einzelne Akteure die Eskalation vorantreiben, während andere offenbar zu deeskalieren versuchen.
Ukraine-Krise: Medienberichte heizen Spannungen weiter an
Besucher gehen auf einer Elektronikmesse an einer Wand aus Bildschirmen vorbei. (Foto: dpa)
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Die Nachrichtenagentur dpa berichtet:

Inmitten schwerer Spannungen im Ukraine-Konflikt droht zwischen Berlin und Kiew ein Zerwürfnis. Entsetzt hat die Ukraine am Wochenende auf umstrittene Äußerungen des inzwischen zurückgetretenen deutschen Marine-Inspekteurs Kay-Achim Schönbach reagiert. Das Außenministerium berief deswegen Deutschlands Botschafterin in Kiew, Anka Feldhusen, ein.

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Auf Kritik stößt zudem das kategorische Nein der Bundesregierung zu Waffenlieferungen. «Die derzeitigen Äußerungen Deutschlands enttäuschen», schrieb Außenminister Dmytro Kuleba bei Twitter. Auch zwischen Großbritannien und Russland wird der Ton schärfer.

Von einem «Scherbenhaufen» sprach der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, am Sonntag mit Blick auf den Eklat um den Inspekteur der Deutschen Marine. Das stelle «die internationale Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands – nicht nur aus ukrainischer Sicht – massiv in Frage», sagte er der Welt. Aus den Äußerungen Schönbachs spreche «deutsche Arroganz und Größenwahn».

Der Vizeadmiral hatte bei einem Auftritt in Indien Verständnis für Russlands Staatschef Wladimir Putin geäußert. Zudem sagte er zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine: «Die Halbinsel Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen.» Am Samstagabend räumte Schönbach seinen Posten. Für Kiew ist die Sache damit nicht erledigt. Die Ukraine verlangt seit Jahren ihre 2014 von Russland einverleibte Halbinsel Krim am Schwarzen Meer zurück.

Angesichts der schweren Spannungen zwischen Russland und der Ukraine dürfte der Bundesregierung die Missstimmung Kiews denkbar ungelegen kommen. Deutschland vermittelt gemeinsam mit Frankreich in dem seit acht Jahren währenden Ukraine-Konflikt. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte erst am Mittwoch und Donnerstag in Kiew und Moskau für eine rasche Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen geworben.

Die Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts dauern seit Tagen bei verschiedenen Gesprächen an. Die USA und ihre westlichen Verbündeten verlangen einen Rückzug der an der ukrainischen Grenze zusammengezogenen russischen Truppen. Im Gegenzug fordert Moskau Sicherheitsgarantien und ein Ende der Osterweiterung des westlichen Militärbündnisses Nato, durch die sich Russland bedroht sieht.

Die Ukraine hat Deutschland bereits mehrfach um Hilfe gebeten. Berlin kofinanziert die Lieferung eines Feldlazaretts aus Estland in die Ex-Sowjetrepublik. Waffen gebe es aber nicht, stellte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht in der Welt am Sonntag klar. «Waffenlieferungen wären da aktuell nicht hilfreich - das ist Konsens in der Bundesregierung.»

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Die USA hatten am Wochenende einmal mehr ihre Bereitschaft zur Hilfe für die Ukraine dokumentiert. Nur wenige Stunden nach einem Treffen von US-Außenminister Antony Blinken mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow am Freitag in Genf landete eine US-Frachtmaschine auf einem Flughafen der Hauptstadt Kiew. An Bord seien 90 Tonnen Fracht gewesen, darunter Munition «für die Frontverteidigung», so die Kiewer US-Botschaft. Weitere Lieferungen sollten folgen.

Russland hatte wiederholt dazu aufgerufen, die Ukraine nicht weiter aufzurüsten, weil dies militärische Spannungen schürte und das Land ermuntern könnte, etwa den Donbass im Osten des Landes anzugreifen, um sich dort die abtrünnigen Teile der Gebiete Luhansk und Donezk zurückzuholen. Großbritannien schickte dennoch Panzerabwehrwaffen in die Ukraine. Nicht nur deshalb reagierte Moskau verärgert.

Das Außenministerium in London behauptete am Samstag, Russland wolle eine pro-russische Regierung in der Ukraine etablieren. Als möglicher Kandidat für die Führungsposition wurde von britischer Seite der frühere ukrainische Abgeordnete Jewgenij Murajew genannt. Der von London als potenzieller Moskauer Statthalter genannte Kandidat steht allerdings selbst seit 2018 auf einer russischen Sanktionsliste.

Murajew selbst sagte der Sonntagszeitung The Observer, das britische Außenministerium scheine «durcheinander» zu sein. «Es ist nicht besonders logisch. Ich bin aus Russland verbannt.» Darüber hinaus sei Geld von der Firma seines Vaters dort konfisziert worden.

Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa nannte die britische Darstellung «Unsinn». Sie rief im Nachrichtenkanal Telegram das Außenministerium in London auf, «provozierende Aktivitäten» einzustellen. Die Verbreitung dieser «Desinformationen» durch britische Medien sei einmal mehr der Beweis dafür, «dass gerade die Nato-Länder, angeführt von den Angelsachsen, eine Verschärfung der Lage rund um die Ukraine betreiben».

Eine «Informationskampagne» nannte sie zudem im Radiosender Echo Moskwy einen Bericht, wonach China Russland angeblich gebeten haben soll, während der Winterspiele im Februar nicht in die Ukraine einzumarschieren. Moskau weist das fast täglich zurück. Präsident Putin will zu den Olympischen Winterspielen nach Peking reisen.

Der britische Justizminister Dominic Raab legte am Sonntag in der BBC noch einmal nach und sprach von einem «sehr signifikanten Risiko» eines Einmarschs Russland in die Ukraine. Ein solcher Schritt werde «sehr schwerwiegende Konsequenzen».

Indes kündigten die USA trotz schwerer Spannungen ein neues Nato-Manöver an. Die Übung im Mittelmeer mit dem Namen «Neptune Strike 22» soll nach US-Angaben an diesem Montag beginnen und zwölf Tage dauern. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte, das Manöver stehe nicht im Zusammenhang mit Befürchtungen eines russischen Einmarsches in die Ukraine. Russland hatte zuvor verschiedene Seemanöver mit insgesamt 140 Kriegsschiffen in den nächsten Wochen etwa im Mittelmeer, Pazifik und Atlantik angekündigt.

Borell: Sollten Situation nicht „dramatisieren“

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell hat davor gewarnt, die Lage zu „dramatisieren“. Wie der englischsprachige Dienst von Reuters berichtet, lehnte Borell es ab, dass EU-Staaten Teile ihres Personals in der Ukraine abziehen - wie dies die USA und Großbritannien derzeit tun.

Die Europäische Union sehe derzeit keinen Grund dafür, Botschaftspersonal und Familienangehörige von Diplomaten zur Ausreise aus der Ukraine aufzufordern. „Ich denke, nicht, dass wir dramatisieren müssen“, sagte Borrell am Montag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel. Solange noch Verhandlungen mit Russland liefen, glaube er nicht, dass man die Ukraine verlassen müsse. „Wir werden das Gleiche nicht tun, weil wir dafür keine spezifischen Gründe haben“ sagte Borrell.

Zugleich räumte Borrell ein, dass sich die Situationseinschätzung ändern könne. US-Außenminister Antony Blinken, der per Videokonferenz zum EU-Treffen zugeschaltet werden sollte, werde die US-Ankündigung erklären, sagte der Spanier.

Die USA hatten zuvor mitgeteilt, ihre Botschaftspräsenz in Kiew angesichts der angespannten Lage im Ukraine-Konflikt zu verringern. Die freiwillige Ausreise nicht unmittelbar benötigter Beschäftigter wegen der angeblich anhaltenden Bedrohung durch russische Militäraktionen sei genehmigt worden, teilte das US-Außenministerium mit. Familienangehörige von Diplomatinnen und Diplomaten wurden aufgefordert, die Ukraine zu verlassen.

Die EU-Vertretung in der Ukraine liegt im Zentrum der Hauptstadt Kiew. Sie wird derzeit vom estnischen Diplomaten Matti Maasikas geleitet.


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