Finanzen

Misereor: Ohne Schuldenerlasse droht der Kollaps

Die wohlhabenden Staaten müssen unter deutscher Präsidentschaft die Weichen für eine umfassende Entschuldung weltweit stellen, fordert das Hilfswerk Misereor.
26.01.2022 15:04
Aktualisiert: 26.01.2022 15:04
Lesezeit: 2 min

135 von 148 untersuchten Staaten sind kritisch verschuldet. Das zeigt der Schuldenreport 2022 von erlassjahr.de und MISEREOR, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Dreimal so viele Länder wie noch vor der Corona-Pandemie sind in einer besonders kritischen Situation.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich die gefährliche Dynamik aus steigender Verschuldung und schlechter werdender Schuldentragfähigkeit drastisch verschärft hat“, erklärt Kristina Rehbein, Politische Koordinatorin von erlassjahr.de. 39 Staaten seien besonders akut von Überschuldung bedroht oder bereits betroffen. „Das sind dreimal so viele Länder wie noch vor der Corona-Pandemie. Wir sprechen nicht nur von besonders einkommensschwachen Staaten, sondern von Ländern aller Einkommenskategorien. Dazu zählen sowohl kleine Inselstaaten mit höherem Einkommen wie Dominica als auch fragile Entwicklungsökonomien wie Sri Lanka oder Tunesien“, so Rehbein weiter.

Entschuldungsmaßnahmen der G20 ungeeignet

MISEREOR und erlassjahr.de halten die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft für nicht weitreichend genug, um die Lage zu entschärfen. „Die bisherigen Maßnahmen der G20 haben keine substantiellen Schuldenerlasse ermöglicht“, mahnt Klaus Schilder, Experte für Entwicklungsfinanzierung bei MISEREOR.

Der Schuldenreport zeige, dass ausgerechnet von den besonders betroffenen Staaten mehr als die Hälfte nicht für das Umschuldungsrahmenwerk „Common Framework“ der G20 qualifiziert sind. Zahlungseinstellungen konnten bislang nur durch hohe Neuverschuldung und strikte Sparmaßnahmen der betroffenen Länder vermieden werden. Zu einem hohen Preis: „2021 waren 83 Niedrig- und Mitteleinkommensländer gezwungen, dringend benötigte öffentliche Ausgaben zu kürzen, um den Schuldendienst weiter bedienen zu können. Staaten werden vor die unmögliche Wahl gestellt, zwischen dem Überleben ihrer Bevölkerung und dem Anspruch ihrer Gläubiger auf Schuldenrückzahlung zu entscheiden“, so Schilder.

G7 müssen private Gläubiger in die Pflicht nehmen

Private Gläubiger wie Anleger und Banken, die den Großteil der Forderungen gegenüber Entwicklungs- und Schwellenländern halten, wurden bis heute nicht für Entschuldungsmaßnahmen in die Pflicht genommen. „Anstatt sich an der Krisenüberwindung zu beteiligen, kassieren private Gläubiger weiter ihren Schuldendienst und wälzen die Kosten der Krise auf öffentliche Haushalte ab“, kritisiert Rehbein. Die Verantwortung, dies zu ändern, liege vor allem bei den Regierungen der G7-Staaten. Dort ist der Großteil der privaten Gläubiger niedergelassen. „Ohne rasche Schuldenerlasse und die entschlossene Einbeziehung von privaten Gläubigern droht der wirtschaftliche Kollaps in verschuldeten Ländern des Globalen Südens“, so Rehbein weiter.

Weichen für umfassende Entschuldung stellen

Bei der Lösung der weiterwachsenden Schuldenkrise kommt Deutschland in diesem Jahr mit dem G7-Vorsitz eine besondere Verantwortung zu. „Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung dazu verpflichtet, sich für Schuldenerleichterungen für besonders gefährdete Länder und ein längst überfälliges internationales Staateninsolvenzverfahren einzusetzen. An diesem Versprechen muss sich die Koalition nun messen lassen“, mahnt Klaus Schilder. „Wir erwarten, dass die Bundesregierung sich im Kreis der G7 für entsprechende Initiativen einsetzt. Ein wichtiger Schritt wäre die rechtliche Absicherung von Umschuldungsvereinbarungen durch nationale Gesetzgebung in den G7-Ländern.“ Solche Gesetze würden garantieren, dass auch private Gläubiger mit in die Verantwortung genommen werden.

Der Schuldenreport, der jährlich vom deutschen Entschuldungsbündnis erlassjahr.de und MISEREOR herausgegeben wird, analysiert jeweils aktuell die Verschuldungssituation von Ländern des Globalen Südens sowie die Rolle Deutschlands als Gläubiger.

Der aktuelle Report und weitere Materialien stehen hier zum Download bereit.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Volkswagen beendet Fahrzeugproduktion: Umbaupläne für Gläserne Manufaktur in Dresden
10.12.2025

Die VW-Fahrzeugproduktion in Dresden endet aus wirtschaftlichen Gründen nach mehr als 20 Jahren. Über die Zukunft des ehemaligen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jobabbau bei BASF und Co.: Deutsche Chemie-Industrie historisch schlecht ausgelastet
10.12.2025

Teure Energie, Wirtschaftskrise und Preisdruck: Die deutsche Chemiebranche steckt in der schwierigsten Krise seit 25 Jahren. Auch 2026...

DWN
Politik
Politik Schutz vor Einschüchterung: Bundesregierung beschließt besseren Schutz vor Schikane-Klagen
10.12.2025

Die Bundesregierung schützt Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten künftig besser vor sogenannten Schikane-Klagen. Mit dem Vorhaben...

DWN
Finanzen
Finanzen Kapitalmarkt 2026: Mehr Börsengänge in Deutschland und Europa erwartet
10.12.2025

Mit Ottobock, TKMS und Aumovio zählen drei deutsche Börsendebüts zu den gewichtigsten in Europa im laufenden Jahr. Doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Weihnachtsfeier steuerlich absetzen: So gelingt es – Tipps vom Steuerberater
10.12.2025

Viele Unternehmen möchten ihre Weihnachtsfeier steuerlich absetzen und gleichzeitig die Kosten im Blick behalten. Eine gut geplante Feier...

DWN
Politik
Politik „Reichsbürger“-Verfahren: Prinz Reuß wird zu Vorwürfen sprechen
10.12.2025

Der mutmaßliche „Reichsbürger“ Heinrich XIII. Prinz Reuß wird zu den Vorwürfen eines geplanten „Staatsstreichs“ Stellung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Warum die Rekordausgaben der Tech-Giganten zum Risiko werden
10.12.2025

Die Tech-Konzerne pumpen Milliarden in künstliche Intelligenz und treiben ihre Investitionslast auf historische Höhen. Doch aus dem...

DWN
Politik
Politik Kampf gegen den Klimawandel: EU-Einigung auf Klimaschutzziel für 2040
10.12.2025

Die neuen Klimaziele der EU stehen fest: Der Treibhausgasausstoß soll bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Bei der...