Viele Landwirte schauen angesichts stark gestiegener Kosten für Düngemittel besorgt auf das neue Jahr. „Sollten die Preise auf diesem Niveau bleiben und es zu Lieferengpässen kommen, könnte es zu teilweise erheblichen Ertragsrückgängen bei der Ernte 2022 kommen“, heißt es in einem Ende Dezember veröffentlichten Marktbericht des Bauernverbands. Stark gestiegene Preise für Erdgas - welches bei der Düngerproduktion eingesetzt wird - , Lieferengpässe und Brüche in den Lieferketten, die Energiekrise sowie eine nicht nachlassende globale Nachfrage nach Düngern ließen ein solches Szenario realistisch erscheinen.
Bei Stickstoffdünger habe es wegen erheblicher Verteuerungen von Erdgas, das bei der Herstellung eingesetzt wird, Preissteigerungen von bis zu 236 Prozent gegeben, heißt es in dem Marktbericht des Bauernverbands für 2021. Zugleich hätten einige europäische Hersteller die Produktion reduziert. Die Lage sei nach wie vor kritisch. Der Bauernverband setze sich deshalb für eine vorübergehende Aussetzung von Anti-Dumping-Zöllen ein, um den Kostendruck für die europäischen Landwirte zu mindern und die Getreideversorgung im kommenden Jahr zu sichern.
Höhere Kosten für Dünger und Diesel schlagen bei vielen Höfen auch auf die Ertragslage durch. „Die Erzeugerpreise für Getreide- und Ölsaaten lassen auf den ersten Blick zwar eine positive Stimmung vermuten“, erläuterte Bauernpräsident Joachim Rukwied. „Doch diese verbesserte Erlössituation wird durch die beispiellos explodierten Betriebsmittelpreise für Düngemittel und Energie ausgebremst.“
Entwicklungsländer in großer Gefahr
Die stark steigenden Düngemittelpreise stellen insbesondere für ärmere Länder eine große Gefahr dar. Viele Bauern und Landwirte können sich den Dünger in der Folge nicht mehr leisten, wodurch die Ernteerträge zurückgehen.
Zuletzt warnte die Nichtregierungsorganisation IFDC vor schwerwiegenden Auswirkungen. Den Kalkulationen von IFDC zufolge könnte die Nachfrage nach Düngemittel im vergangenen Jahr in Subsahara-Afrika um bis zu 30 Prozent zurückgegangen sein.
„Sollten die Preise für Dünger weiterhin höher liegen als der Durchschnitt der vergangenen Jahre, dann könnte die Nachfrage noch weiter absacken. Die Konsequenzen wären verheerend: ein Rückgang von 30 Prozent oder ungefähr 2 Millionen metrischen Tonnen im Jahr 2022 bedeutet einen Rückgang bei der Nahrungsmittelproduktion von ungefähr 30 Millionen metrischen Tonnen - was das Äquivalent zur Ernährung von 100 Millionen Menschen darstellt. Dies hätte weitere signifikante Folgewirkungen und würde die Lebensmittelimporte nach Afrika steigern, während die Lebensmittelpreise weltweit steigen“, schreibt die Organisation in einem Bericht vom 21. Dezember 2021.
Özdemir fordert Ende von „Ramschpreisen“
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) fordert höhere Preise für Lebensmittel und Agrarprodukte. „Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben, sie treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das Artensterben und belasten das Klima. Das will ich ändern“, sagte er der Bild am Sonntag. Er wolle, dass die Menschen in Deutschland ihre Lebensmittel genauso wertschätzten wie ihre Autos. „Manchmal habe ich das Gefühl, ein gutes Motoröl ist uns wichtiger als ein gutes Salatöl“, kritisierte der Minister. Lebensmittel dürften zwar kein Luxusgut werden. „Doch der Preis muss die ökologische Wahrheit stärker ausdrücken“, sagte Özdemir.
Özdemir strebt neben dem Ende von „Ramschpreisen“ eine Ausweitung der Fläche ökologisch bestellter Felder bis 2030 von derzeit knapp 10 auf 30 Prozent an und will dafür die „Nachfragemacht des Staates nutzen“: Die Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen sollte auf mehr regionale und Bio-Produkte umgestellt werden. „Der Staat muss da Vorbild sein.“
Weiterhin plant Özdemir strengere Vorgaben für Fertigprodukte, damit sich die Menschen gesünder ernähren. „Deutschland ernährt sich insgesamt zu ungesund“, sagte er. Über 50 Prozent der Erwachsenen seien übergewichtig. „Der Grund dafür sind zu viel Zucker, Fett und Salz, vor allem in Fertigprodukten.“ Die Politik habe zu lange versucht, die Industrie mit freiwilligen Selbstverpflichtungen zur Reduktion dieser Inhaltsstoffe zu bewegen. „Damit ist jetzt Schluss. Mit mir wird es verbindliche Reduktionsziele geben“, machte Özdemir deutlich.