Wirtschaft

Zölle USA: Deutsche Wirtschaft rutscht in neue Rezession

Noch bevor die neuen US-Zölle voll greifen, verliert die deutsche Wirtschaft an Schwung. Die Exporte schwächeln, Investitionen sinken – und ein drittes Rezessionsjahr droht. Wie tief die Zölle die Konjunktur treffen, warum Entlastung auf sich warten lässt und welche Rolle Europa künftig spielt.
30.07.2025 10:39
Aktualisiert: 30.07.2025 10:39
Lesezeit: 3 min
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Zölle USA: Deutsche Wirtschaft rutscht in neue Rezession
Auf die exportorientierte deutsche Wirtschaft kommen harte Zeiten zu. Schon vor dem Inkrafttreten der meisten US-Zölle fehlt Europas größter Volkswirtschaft der Schwung. (Foto: dpa) Foto: Christian Charisius

Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt

Die deutsche Wirtschaft geht geschwächt in das neue Zoll-Zeitalter mit den USA. Im zweiten Quartal dieses Jahres ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 Prozent gesunken, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Zuvor hatte es zum Jahresauftakt noch ein unerwartetes Mini-Wachstum gegeben, das vom Amt auf 0,3 Prozent (zuvor: 0,4 Prozent) revidiert wurde. Das hatten Experten vor allem auf Vorzieheffekte im Hinblick auf die damals nur angekündigten US-Zollschranken zurückgeführt.

Deutlich schwerere Exportbedingungen

Seit dem Wochenende ist zumindest in groben Zügen geklärt, unter welchen deutlich schwierigeren Bedingungen die exportorientierte deutsche Wirtschaft weiterhin Waren in den USA absetzen kann. In den Verhandlungen mit der EU-Kommission hat US-Präsident Donald Trump "asymmetrische", also einseitige Zölle von 15 Prozent auf Importe aus der EU durchgesetzt. Zuvor hatte die US-Regierung mit 30 Prozent Zoll gedroht und auf bestimmte Waren wie Stahl, Aluminium oder Autos schon vorab höhere Sätze verhängt, die teils fortbestehen.

Rückgang bei Investitionen – Konsum zieht an

Vor allem Investitionen in Ausrüstungen und Bauten sind von April bis Juni niedriger ausgefallen als im Vorquartal, berichtet das Statistikamt. Die privaten und staatlichen Konsumausgaben legten dagegen preis-, saison- und kalenderbereinigt zu.

Konzentration auf Europa?

Nach Einschätzung von Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater wurde im zweiten Quartal zumeist abgewartet, wie sich die außenwirtschaftlichen Bedingungen entwickeln. "Für Deutschland gilt ganz klar: In dem Maß, in dem sich die Weltmärkte verschließen, muss sich die wirtschaftliche Dynamik auf den eigenen Wirtschaftsraum in Deutschland und Europa konzentrieren."

Autohandel im Fokus

Die für die deutsche Wirtschaft wichtigen Autoexporte in die USA wurden bereits seit April mit 27,5 Prozent Zoll belastet und sollen nun zum 1. August auf 15 Prozent sinken. In den USA hergestellte Autos sollen perspektivisch ganz ohne Zoll nach Europa exportiert werden können. Rund zwei Drittel dieser Ausfuhren kommen allerdings deutschen Herstellern zugute, die in den USA Werke betreiben und die dort gefertigten Autos exportieren.

Milliardenschwerer Schaden erwartet

Wie andere Handelspartner der USA müssen die Deutschen mit Einbußen in Milliardenhöhe rechnen. "Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle", hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eingeräumt. Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel können allein die Auto-Zölle das deutsche Inlandsprodukt um 0,15 Prozent schmälern.

Zölle dämpfen Nachfrage

Grundsätzlich verteuern Zölle europäische Waren in den USA, was zu einer sinkenden Nachfrage führen dürfte. Sie gelten daher als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erwartet negative Folgen für Unternehmen, die stark auf die USA angewiesen sind, etwa in der Pharmaindustrie, der Autoindustrie und im Maschinenbau.

Wirtschaftsinstitute warnen

"Ein Deal mag die Unsicherheit für Unternehmen leicht senken – doch US-Zölle von 15 Prozent schaden der deutschen Wirtschaft", sagt auch die Leiterin des Ifo Zentrums für Außenwirtschaft in München, Lisandra Flach. Sie rechnet mit einem negativen Effekt von minus 0,2 Prozent auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt.

IWF sieht leichte Erholung

Der Internationale Währungsfonds (IWF) blickt nach dem Zollabkommen hingegen optimistischer auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland als zuvor. Weil die Zollsätze geringer ausfielen als erwartet, könne die Bundesrepublik im laufenden Jahr ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent erzielen. Zuvor hatte die Organisation mit Sitz in Washington noch eine Stagnation prognostiziert.

Warten auf öffentliche Aufträge im Inland

Die konjunkturelle Grundtendenz in Deutschland hat die Bundesbank schon vor dem Zollabkommen als schwach eingeschätzt, da auch die Binnennachfrage nicht anspringt. Zwar habe sich die Stimmung in der Wirtschaft aufgehellt mit der Aussicht auf milliardenschwere Investitionen der Bundesregierung. Ein Schub für die Wirtschaft werde jedoch erst verzögert einsetzen.

Staatliche Investitionen lassen auf sich warten

Konkrete Aufträge etwa an die Bauindustrie lassen auf sich warten. Zugleich bleiben die Industriebetriebe schwach ausgelastet, und Verbraucher halten ihr Geld zusammen. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ist für das kommende Jahr verhalten optimistisch: "Für 2026 erwarten wir weiter ein recht starkes Wachstum von 1,4 Prozent, weil die Bundesregierung in großem Umfang Ausgaben aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen verschiebt und die freigewordenen Mittel rasch ausgibt und die Konjunktur so anfacht."

Drittes Rezessionsjahr droht

Die deutsche Wirtschaftsleistung war bereits in den vergangenen beiden Jahren leicht geschrumpft, im ersten Vierteljahr 2025 legte das Bruttoinlandsprodukt hingegen überraschend zu. Mit dem Zollabkommen droht nun der deutschen Volkswirtschaft erstmals ein drittes Rezessionsjahr in Folge.

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