Finanzen

Zentralbanken auf der ganzen Welt forcieren geldpolitische Normalisierung

Lesezeit: 3 min
09.02.2022 14:00
Während Federal Reserve und EZB noch immer für laxe Finanzierungsbedingungen sorgen, forcieren viele Notenbanken weltweit die geldpolitische Straffung.
Zentralbanken auf der ganzen Welt forcieren geldpolitische Normalisierung
Ein Junge arbeitet an Hochzeitsschmuck aus Rupiennoten in Indien. (Foto: dpa)
Foto: Jaipal Singh

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Zahlreiche Notenbanken auf der ganzen Welt forcieren die von ihnen vor Monaten eingeleitete Normalisierung der Geldpolitik und straffen dadurch die bislang vergleichsweise laxen Finanzierungsbedingungen. Finanzmarktteilnehmer in den beiden wichtigsten Währungsräumen der Welt - dem Dollar- und dem Euroraum - hingegen genießen derzeit noch extrem stimulierende Bedingungen, auch wenn sowohl die US-Zentralbank als auch die Europäische Zentralank zuletzt eine zaghafte Kurswende angekündigt hatten.

„Global Tightening“

Zuletzt hatte die Zentralbank Islands am Mittwoch ihren Leitzins kräftig auf 2,75 von zuvor 2 Prozent erhöht. Die Währungshüter reagierten damit auf einen deutlichen Preisauftrieb. Zuletzt wurde der Leitzins im November um einen halben Punkt angehoben. Die Teuerungsrate war auf Island zu Jahresbeginn auf 5,7 Prozent gestiegen.

Vergangene Woche reagierte die Bank of England auf die hartnäckig erhöhte Inflation mit ihrer zweiten Leitzinsanhebung innerhalb weniger Wochen. Der Leitzins stieg um 0,25 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent, wie die Zentralbank am Donnerstag mitteilte. Die Bank kündigte zudem an, ihre infolge von Wertpapierkäufen aufgeblähte Bilanz zu verkürzen. Aus fälligen Staatsanleihen resultierende Erträge sollen dazu künftig nicht mehr in neue Anleihen investiert werden.Das Portfolio an Unternehmensanleihen soll sogar schrittweise verkauft werden. Darüber hinaus ließ die Notenbank durchblicken, in naher Zukunft weitere Zinsanhebungen durchführen zu wollen. Eine zusätzliche Straffung sei in den kommenden Monaten angebracht, soweit sich die Wirtschaft erwartungsgemäß entwickle, teilte der geldpolitische Ausschuss MPC mit.

Tschechiens Zentralbank hob die Leitzinsen Anfang Februar um 75 Basispunkte auf 4,5 Prozent an - es handelt sich dabei um das höchste Zinsniveau seit dem Jahr 2002. Der Schritt war die sechste Anhebung infolge seit Juni 2021.

Brasiliens Notenbank hatte die Leitzinsen am 2. Februar um massive 150 Basispunkte auf nun 10,75 Prozent angehoben. Es war die achte Anhebung in Folge seit März 2021. Der Straffungszyklus umfasst inzwischen 875 Basispunkte. Sowohl im November als auch im Dezember lag die jährliche Inflation in dem südamerikanischen Riesenland bei rund 10 Prozent.

Armenien hob die Leitzinsen am 1. Februar um weitere 25 Basispunkte auf nun 8 Prozent an.

Kolumbiens Zentralbank überraschte Beobachter Ende Januar mit einem signifikanten 100-Basispunkte-Sprung. Der Leitzins liegt derzeit bei 4 Prozent.

The South Africa Reserve Bank hob ihren wichtigsten Refinanzierungssatz Ende Januar ebenfalls um 25 Basispunkte auf 4 Prozent an.

Chiles Zentralbank schockierte Spekulanten und Anleger Ende Januar mit einem Anstieg des Leitzinses um massive 150 Basispunkte. Derzeit liegt die Rate bei 5,5 Prozent. Der im vergangenen Juli lancierte Straffungszyklus umfasst damit inzwischen 500 Basispunkte. In Chile pendeln die offiziellen Teuerungsraten um die Marke von 7 Prozent.

Ungarns Nationalbank hob die Leitzinsen um 50 Basispunkte auf nun 2,9 Prozent an. Es handelt sich dabei um den höchsten Stand seit dem Jahr 2013. Die Inflation liegt bei rund 7,5 Prozent.

Die State Bank of Pakistan hatte ihren Leitzins mithilfe dreier starker Zinsschritte im Gesamtumfang von insgesamt 275 Basispunkte auf jetzt 9,75 Prozent katapultiert. Die Teuerungsrate lag im Januar auf das Jahr hochgerechnet bei 13 Prozent.

Südkoreas Währungshüter begannen im August mit einer kontrollierten Straffung der Geldpolitik. Im Zuge dreier Schritte wurde der maßgebliche Leitzins auf 1,25 Prozent gebracht. Den vergleichsweise zögerlichen Straffungskurs rechtfertigen offizielle Teuerungsraten um 3 bis 4 Prozent.

Die peruanische Notenbank hatte den Leitzins mithilfe von insgesamt sechs Schritten seit vergangenem Jahr von 0,25 Prozent auf nun 3 Prozent angehoben. Die Inflation in dem südamerikanischen Land pendelt um den Wert von 6 Prozent.

Polen verschärfte die Finanzierungsbedingungen Anfang Januar um 50 Basispunkte auf 2,25 Prozent. Es handelte sich um den vierten Anstieg des Leitzinses in Folge, beginnend von einem Niveau von 0,1 Prozent aus. Deutschlands östlicher Nachbar ist derzeit mit einer hohen Teuerung von etwa rund 9 Prozent konfrontiert.

Die Zentralbank Mexikos wird am Donnerstag über ihre nächste Maßnahme entscheiden. An ihrem letzten Treffen am 16. Dezember hob sie die Leitzinsen um 50 Basispunkte auf nun 5,5 Prozent an. Das mittelamerikanische Land verzeichnete im Januar eine jährliche Inflationsrate von rund 7,5 Prozent - die stärkste Teuerung seit 2001.

Russlands Notenbank wird am Freitag über neue Maßnahmen entscheiden. Am letzten Treffen Mitte Dezember wurde eine Erhöhung der Leitzinsen um 100 Basispunkte auf jetzt 8,5 Prozent bekanntgegeben. Sieben Leitzinsanhebungen im Gesamtumfang von 425 Basispunkte wurden im vergangenen Jahr verzeichnet. Russland leidet unter einer hohen Teuerung von etwa 8,5 Prozent.

Die Reserve Bank of New Zealand beendete ihr Anleihenkaufprogramm im Juli 2021 und hob die Leitzinsen im vergangenen Jahr zweimal auf nun 0,75 Prozent an. Das nächste Treffen wird am 23. Februar stattfinden.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Konfliktlösung ohne Gericht: Verbraucherschlichtung als Chance für Ihr Business
27.04.2024

Verabschieden Sie sich von langwierigen Gerichtsverfahren! Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) senken Sie Ihre Kosten,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Krieg in der Ukraine: So ist die Lage
27.04.2024

Wegen Waffenknappheit setzt der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, auf Ausbau der heimischen Rüstungsindustrie, um sein Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Hohes Shiller-KGV: Sind die Aktienmärkte überbewertet?
27.04.2024

Bestimmte Welt-Aktienmärkte sind derzeit sehr teuer. Diese sind auch in Indizes wie dem MSCI World hoch gewichtet. Manche Experten sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen EM 2024 Ticketpreise explodieren: Die Hintergründe
27.04.2024

Fußball-Enthusiasten haben Grund zur Freude: Es besteht immer noch die Chance, Tickets für die EM 2024 zu erwerben. Allerdings handelt es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...