Politik

Schwere Ausschreitungen auf Korsika nach Angriff auf Nationalisten

Nach der Attacke auf einen inhaftierten korsischen Nationalisten in Frankreich wird die Insel von schweren Ausschreitungen erschüttert.
10.03.2022 16:08
Aktualisiert: 10.03.2022 16:08
Lesezeit: 1 min
Schwere Ausschreitungen auf Korsika nach Angriff auf Nationalisten
Demonstranten werfen Steine und Fackeln auf französische Gendarmen, während im Hintergrund ein Feuer brennt. (Foto: dpa) Foto: Pascal Pochard-Casabianca

Angriffe auf die Polizei, Attacken mit Dutzenden Molotow-Cocktails, Feuer im Gerichtsgebäude: Auf der französischen Mittelmeerinsel Korsika sind Demonstrationen von Nationalisten in Gewalt und Zerstörung umgeschlagen. In der Inselhauptstadt Ajaccio im Süden und den nördlichen Städten Bastia und Calvi warfen Randalierer am Mittwochabend Brandbomben, Steine und Molotow-Cocktails auf Sicherheitskräfte und Verwaltungsgebäude. Auslöser war der jüngste Angriff auf Yvan Colonna, eine wegen Mordes inhaftierte Ikone der korsischen Separatisten. Auch der Justizpalast in Ajaccio wurde Medienberichten zufolge von einer Brandbombe getroffen. Die Polizei setzte Tränengas und Schockgranaten ein.

Den Behörden zufolge wurden mindestens 23 Polizisten, sechs Demonstranten und zwei Journalisten verletzt. Endgültige Zahlen zu Verletzten, Festnahmen und Teilnehmern gab es zunächst nicht.

Das Verhältnis zwischen Korsika und der Zentralregierung in Paris gilt seit langem als schwierig. Jahrzehntelang kämpften korsische Separatisten - oft mit Gewalt - für mehr Eigenständigkeit. Die Untergrundorganisation FLNC legte erst 2014 die Waffen nieder. Etwa zeitgleich gewannen gemäßigte Nationalisten politisch an Bedeutung, mittlerweile haben sie die Mehrheit im Regionalparlament. Sie fordern einen Autonomiestatus für die Insel.

Bereits seit Tagen kommt es auf der beliebten Urlaubsinsel nun wieder zu Ausschreitungen. Ausgelöst wurden die Unruhen durch einen Angriff auf den bekannten korsischen Nationalisten Colonna in einem Gefängnis der südfranzösischen Stadt Arles. Ein Mitgefangener verletzte ihn lebensgefährlich. Colonna kam in die Notaufnahme und liegt mittlerweile im Koma. Die Terrorstaatsanwaltschaft ermittelt.

Colonna war wegen Mordes an Claude Erignac, dem Präfekten von Korsika, zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der ranghöchste Vertreter des französischen Staates auf Korsika war 1998 in Ajaccio erschossen worden. Colonna bestritt die Tat.

Demonstranten werfen Frankreich nun vor, mitschuldig an dem Angriff auf Colonna zu sein. Dessen Antrag auf Verlegung in ein Gefängnis auf der Insel wurde stets abgelehnt. Auch seine beiden Mittäter sitzen in Poissy bei Paris in Haft und waren nie erfolgreich mit ihren Anträgen auf Verlegung näher zu ihren Familien hin.

Während einige Demonstranten darin eine politische Entscheidung sehen, verweist die Regierung in Paris darauf, dass die drei auf einer Liste von Gefangenen stehen, die besonders beobachtet werden müssten - etwa weil sie als ausgesprochen gewalttätig gelten, Fluchtgefahr besteht oder sie Mitglied einer Terrororganisation sind. Gefangene mit diesem Sonderstatus können nur in bestimmten Gefängnissen einsitzen. Colonna wurde nun von der Liste genommen. Seine beiden Komplizen können darauf hoffen, dass es auch in ihren Fällen bald eine Entscheidung gibt.

Letztlich habe der Angriff auf Colonna ohnehin vorhandene Wut und Enttäuschung in Teilen Korsikas lediglich verstärkt, meint der Politologe André Fazi von der Universität Korsika. Der Frust rühre daher, dass Forderungen der Nationalisten sich in den vergangenen Jahren nicht verwirklichten. Ein echter Dialog zwischen der nationalistischen Mehrheit im Regionalparlament und der Regierung in Paris finde nicht statt.

Fazi zufolge sind unter der gewaltbereiten Minderheit der Nationalisten besonders viele junge Menschen, die den Mord am Präfekten Erignac und den Prozess gegen Colonna - wenn überhaupt - nur in Teilen mitbekommen haben. Der Staatsanwalt von Ajaccio sieht die Ausschreitungen der jungen Menschen vielmehr als Ausdruck von Perspektivlosigkeit. Für das Wochenende sind neue Proteste angekündigt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VDA rechnet 2026 mit rund 693.000 neuen E-Autos
08.12.2025

Deutschlands Autokäufer stehen vor einem elektrischen Wendepunkt: Verbände prognostizieren deutliche Zuwächse bei Elektroautos und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtwechsel im Arbeitsmarkt 2025: Arbeitgeber geben wieder den Ton an
08.12.2025

Der Wind am Arbeitsmarkt 2025 dreht sich offenbar: Nach Jahren der Bewerbermacht gewinnen Unternehmen wieder Spielraum. Jan-Niklas Hustedt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzzahlen 2025: Warum Firmenpleiten weiter steigen
08.12.2025

Deutschlands Insolvenzzahlen klettern auf den höchsten Stand seit Jahren. Besonders Mittelstand, Handel und Autozulieferer geraten unter...

DWN
Finanzen
Finanzen Klöckner & Co-Aktie hebt ab: Übernahmefantasie und positive Analysteneinstufung treiben Aktienkurs
08.12.2025

Die Klöckner-Co-Aktie schießt hoch, weil erneut Übernahmegespräche kursieren. Doch hinter dem Kurssprung steckt eine lange...

DWN
Politik
Politik EU-Krisenpolitik: Ein Plüschelefant gegen Putin und Trump
08.12.2025

Ein harmloser Plüschelefant entlarvt ein System voller Überregulierung und geopolitischer Schwäche. Warum ein Plüschelefant die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europa unterschätzt die Rohstoffkrise: Ex-Rio-Tinto-Chef stellt der EU ein vernichtendes Urteil aus
08.12.2025

Europa will sich aus der Rohstoffabhängigkeit von China befreien,doch laut Jakob Stausholm, dem langjährigen Chef des Bergbaukonzerns Rio...

DWN
Technologie
Technologie Stromproduktion: Rekord bei Strom aus Wind und Sonne
08.12.2025

Deutschlands Stromproduktion hat im Sommer neue Rekorde erreicht: Windkraft und Photovoltaik dominieren, Kohle verliert weiter. Doch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Industrieproduktion im verarbeitenden Gewerbe setzt Erholung fort
08.12.2025

Die deutsche Industrieproduktion legt erneut zu – vor allem der Bau liefert Rückenwind. Nach dem Einbruch im Sommer mehren sich positive...