Weltwirtschaft

Wegen Ukraine-Krieg: Hälfte der weltweiten Neongas-Produktion unterbrochen

Lesezeit: 2 min
14.03.2022 14:59
In der Ukraine haben zwei weltweit führende Produzenten von Neon den Betrieb eingestellt. Der Rohstoff ist entscheidend für die Herstellung von Computerchips. 
Wegen Ukraine-Krieg: Hälfte der weltweiten Neongas-Produktion unterbrochen
Neon wird bei der Produktion von Computerchips benötigt. (Foto: dpa)
Foto: Jenny Kane

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die beiden führenden ukrainischen Neon-Produzenten haben ihre Tätigkeit eingestellt. Sie produzierten bisher etwa die Hälfte des weltweiten Bedarfs an dem Rohstoff, der bei der Herstellung von Computerchips entscheidend ist. Nun droht ein Preisanstieg bei Neon sowie eine weitere Verschärfung des weltweit anhaltenden Halbleitermangels.

Nach Berechnungen von Reuters, die auf Zahlen des Marktforschers Techcet beruhen, stammen 45 bis 54 Prozent des weltweiten Neons, das für den Laser zur Herstellung von Chips entscheidend ist, aus beiden ukrainischen Unternehmen Ingas und Cryoin. Techcet schätzt, dass der weltweite Neonverbrauch für die Chipherstellung im vergangenen Jahr etwa 540 Tonnen betrug.

Beide Firmen haben ihren Betrieb wegen des Kriegs eingestellt. Der Stillstand bringt Unsicherheiten für die weltweite Produktion von Chips, die ohnehin schon von Mangel ergriffen ist, nachdem die Corona-Krise die Nachfrage nach Mobiltelefonen, Laptops und später Autos in die Höhe getrieben hat und zugleich einige Unternehmen gezwungen hat, die Produktion zu drosseln.

Die Neon-Produktion könnte sich hart auswirken, wenn der Krieg andauert. "Wenn die Lagerbestände bis April aufgebraucht sind und die Chiphersteller keine Aufträge in anderen Regionen der Welt haben, bedeutet dies wahrscheinlich weitere Einschränkungen für die gesamte Lieferkette und die Unfähigkeit, das Endprodukt für viele wichtige Kunden herzustellen", sagt Angelo Zino, Analyst bei der Analysefirma CFRA.

Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine produzierte Ingas 15.000 bis 20.000 Kubikmeter Neon pro Monat für Kunden in Taiwan, Korea, China, den USA und Deutschland, wovon etwa 75 Prozent an die Chipindustrie gingen, so Nikolay Avdzhy, Chief Commercial Officer des Unternehmens, gegenüber Reuters. Sein Unternehmen hat seinen Sitz in Mariupol, das weiter von den russischen Streitkräften belagert wird.

Das in Odessa ansässige Unternehmen Cryoin, das bisher monatlich etwa 10.000 bis 15.000 Kubikmeter Neon hergestellt hat, stellte den Betrieb bereits am 24. Februar ein, als die Invasion begann. Man wollte die Sicherheit der Mitarbeiter gewährleisten, sagt die Leiterin der Geschäftsentwicklung Larissa Bondarenko.

Bondarenko zufolge kann das Unternehmen könne mindestens drei Monate mit geschlossener Anlage überstehen. Allerdings würde eine Beschädigung der Ausrüstung die Finanzen des Unternehmens stärker belasten und eine rasche Wiederaufnahme des Betriebs erschweren. Es sei sich auch nicht sicher, ob das Unternehmen Zugang zu den für die Reinigung des Neon nötigen Rohstoffen hat.

Nach Angaben des taiwanesischen Wirtschaftsministeriums, bei dem der weltgrößte Chiphersteller TSMC angesiedelt ist, haben die taiwanesischen Unternehmen bereits Vorbereitungen getroffen und verfügen über "Sicherheitsvorräte" an Neon. Kurzfristig seien keine Probleme in der Lieferkette zu erwarten. Dies spiegelt ähnliche Äußerungen der taiwanesischen Zentralbank vom Freitag wider.

Laut Lita Shon-Roy, Präsidentin des Marktforschers Techcet, könnten kleinere Chip-Hersteller stärker betroffen sein. "Die größten Chiphersteller wie Intel, Samsung und TSMC haben eine größere Kaufkraft und Zugang zu Lagerbeständen, die sie für längere Zeiträume, zwei Monate oder mehr, abdecken können", sagte sie. "Viele andere Chipfabriken verfügen jedoch nicht über diese Art von Puffer."

Ukrainisches Neon ist ein Nebenprodukt der russischen Stahlproduktion. Das Gas, das auch in der Augenlaserchirurgie verwendet wird, wird auch in China hergestellt, aber die chinesischen Preise steigen stetig. Laut dem chinesischen Datenanbieter biiinfo.com hat sich der Preis für Neongas mit 99,9 Prozent Gehalt in China von 400 Yuan pro Kubikmeter im Oktober auf mehr als 1.600 Yuan Ende Februar vervierfacht.

Nach Angaben der U.S. International Trade Commission waren die Neonpreise auch im Vorfeld der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014 um 600 Produktion gestiegen.

Unternehmen in anderen Ländern könnten mit der Neonproduktion beginnen, aber es würde neun Monate bis zwei Jahre dauern, um die Produktion hochzufahren, so Richard Barnett, Chief Marketing Officer von Supplyframe, das Marktinformationen für Unternehmen in der globalen Elektronikbranche bereitstellt.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...