Die Entscheidung, ob es zu einer Impfpflicht kommt, fällt voraussichtlich in drei Wochen. Dann ist die Abstimmung geplant. Auf dem Tisch liegen mehrere Vorschläge, bei denen sich auch Politiker unterschiedlicher Parteien zusammengetan haben:
Impfpflicht ab 18
Der Vorschlag kommt von einer Gruppe um den Grünen-Politiker Janosch Dahmen und den stellvertretenden SPD-Fraktionschef Dirk Wiese. Nach dpa-Informationen haben sich ihm 235 Abgeordnete verschiedener Parteien angeschlossen, darunter - als Abgeordnete - auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Der Bundestag hat 736 Abgeordnete.
Diesem Gesetzentwurf zufolge würde eine Impfpflicht ab 1. Oktober greifen und wäre bis Ende 2023 befristet. Erwachsene müssten ab Oktober in der Lage sein, einen Impf- oder Genesenennachweis vorzuzeigen, sonst droht ein Bußgeld. Ausgenommen sind Schwangere im ersten Schwangerschaftsdrittel und Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Die Abgeordneten argumentieren damit, dass immer noch zu viele Menschen nicht geimpft seien, um die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems im Herbst und Winter abzuwenden. Sie verweisen auch darauf, dass wieder gefährlichere und ansteckendere Virusvarianten auftreten könnten.
Mögliche Impfpflicht ab 50
Eine Abgeordnetengruppe um den FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann spricht sich für eine Beratungspflicht und eine mögliche Impfpflicht ab 50 Jahren aus. Dem Vorschlag haben sich laut Ullmanns Büro bisher 45 Politiker angeschlossen, darunter etwa SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Sie argumentieren, dass besonders bei ungeimpften Menschen ab 50 ein «erheblich höheres Risiko» für schwere Corona-Verläufe und Krankenhauseinweisung bestehe. Der konkrete Vorschlag: Ungeimpfte Erwachsene sollen zunächst zu einer ärztlichen Pflicht-Impfberatung. Je nach Corona-Lage und Stand der Impfkampagne könnte der Bundestag später in einem zweiten Schritt eine Impfpflicht ab 50 beschließen. Auch diese Regelungen wären bis Ende 2023 befristet.
«Impfvorsorgegesetz»
CDU und CSU machen als Fraktion einen eigenen Vorschlag: Ein Impfregister soll aufgebaut werden, damit klar wird, wer überhaupt geimpft ist und wer gezielt angesprochen werden müsste. Einen Impfpflichtbeschluss zum jetzigen Zeitpunkt lehnt die Union ab und spricht sich stattdessen für einen «gestuften Impfmechanismus» aus, den Bundestag und Bundesrat bei verschärfter Pandemielage in Kraft setzen könnten. Dieser könnte dann zwar theoretisch auch eine Impfpflicht vorsehen, aber nur für bestimmte besonders gefährdete Bevölkerungs- und Berufsgruppen.
Anträge gegen die Impfpflicht
Einen Antrag gegen die Einführung einer Impfpflicht hat eine Abgeordnetengruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki eingebracht. Dem haben sich nach Angaben aus Kubickis Büro 50 Abgeordnete verschiedener Parteien angeschlossen, darunter zum Beispiel Gregor Gysi oder Sahra Wagenknecht von der Linken. Argumentiert wird unter anderem damit, dass es noch ungeklärte Fragen bei Schutzdauer und Schutzumfang einer Corona-Impfung gebe und dass immer wieder versprochen wurde, dass es keine allgemeine Impfpflicht geben werde. Neben diesem parteiübergreifenden Antrag hat auch die AfD einen Antrag gegen die Einführung einer Impfpflicht eingebracht. Diese wäre «verfassungsrechtlich nicht zulässig».
Mehrheiten offen
Bei der Abstimmung reicht eine einfache Mehrheit. Das heißt, es müssten nicht mindestens 369 aller 736 Abgeordneten dafür stimmen. Ein solche absolute Mehrheit ist bei normalen Gesetzen nicht erforderlich, nur bei der Kanzlerwahl, der Bundestagspräsidentenwahl, Vertrauensfragen und wenigen anderen Ausnahmen. Bei der Impfpflicht würde es reichen, wenn ein Antrag von den anwesenden Parlamentariern mehr Ja als Nein-Stimmen bekommt. Da sich bisher für keinen Vorschlag eine Mehrheit abzeichnet, wird noch nach Kompromissen gesucht, etwa für eine Zusammenführung von Vorschlägen. Das wäre auch nach der ersten Bundestagsberatung am Donnerstag noch möglich. Verhindert werden muss nach Angaben eines Bundestagssprechers, dass zwei widersprüchliche Anträge angenommen werden.