Politik

Deutschland bremst EU-Debatte um gemeinsamen Gaseinkauf

Lesezeit: 2 min
23.03.2022 17:01
Bundeskanzler Olaf Scholz ist prinzipiell offen für den gemeinsamen Einkauf von Flüssiggas in der EU. Dies dürfe jedoch nur freiwillig geschehen.
Deutschland bremst EU-Debatte um gemeinsamen Gaseinkauf
Kanzler Scholz am Mittwoch mit Wirtschaftsminister Habeck im Bundestag ist gegen einen verpflichtenden gemeinsamen Gaskauf in der EU. (Foto: dpa)
Foto: Kay Nietfeld

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Einen Tag vor den Gipfeln von EU, Nato und G7 in Brüssel hat die Bundesregierung die Einheit des Westens gegenüber Russland betont. Zugleich bremste Kanzler Olaf Scholz am Mittwoch aber die Debatte um einen Stopp für russische Energielieferungen nach Europa, weil ansonsten eine Rezession drohe.

"Hunderttausende Arbeitsplätze wären in Gefahr. Ganze Industriezweige stünden auf der Kippe", sagte Scholz im Bundestag. Sanktionen dürften die EU-Staaten nicht härter treffen als Russland. Die Bundesregierung zeigte sich zudem zwar prinzipiell offen für Überlegungen der EU-Kommission, den Einkauf von Flüssiggas künftig gemeinsam abzustimmen. "Aber das kann nur freiwillig sein", betonte ein Regierungsvertreter und verwies darauf, dass Privatfirmen und nicht Staaten das Gas einkauften.

Von den drei Gipfeln in Brüssel, an denen auch US-Präsident Joe Biden teilnimmt, werde ein Signal der Ge- und Entschlossenheit des Westens ausgehen, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Ein großes neues Sanktionspaket der EU sei aber nicht zu erwarten. Vielmehr müsse man schauen, wie die bereits sehr harten vier Sanktionspakete wirkten - und auch welche Nebenwirkungen sie hätten. "Es gibt die Bereitschaft, Sanktionen auszudehnen, sofern dies notwendig ist", sagte ein Regierungsvertreter aber.

Die US-Regierung hatte angekündigt, dass sie weitere Sanktionen etwa gegen russische Parlamentarier verhängen wolle. Diese hatte die EU bereits auf eine Sanktionsliste gesetzt. Sehr skeptisch äußerte sich ein Regierungsvertreter zu dem polnischen Vorschlag, Russland aus dem G20-Kreis der wichtigsten Industriestaaten auszuschließen. Dies werde wegen des Widerstands einiger G20-Länder wohl nicht passieren.

Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs wollen sich bei dem zweitägigen Gipfel auch darüber unterhalten, wie sie von Russland unabhängiger werden können. "Morgen werde ich mit US-Präsident Biden darüber sprechen, wie LNG-Lieferungen von den Staaten nach Europa in den kommenden Monaten priorisiert werden können", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. "Wir streben eine Zusage für zusätzliche Lieferungen in den kommenden zwei Wintern an."

Scholz wird an allen drei Gipfel teilnehmen und ist bei den G7 Gastgeber. Bei dem Nato-Gipfel gehe es auch darum, das Engagement an der Ostflanke des Bündnisses deutlich ausweiten, hieß es in Regierungskreisen. Dies widerspreche nicht der Nato-Russland-Grundakte, weil sich die Sicherheitsbedingungen in Europa durch die russische Invasion in der Ukraine verändert hätten. Es gehe auch darum, wie man Länder wie die Moldau und Georgien besser unterstützen könne.

Beim anschließenden zweitägigen EU-Gipfel wird es auch um die Frage gehen, wie die 27 EU-Staaten auf die hohen Energiepreise reagieren können. Die Bundesregierung zeigte sich offen für Überlegungen, das EU-Beihilferecht zu lockern und über zusätzliche Steuern zur Abschöpfung übermäßiger Gewinne nachzudenken. Skeptisch sei man dagegen gegenüber Vorschlägen, eine Preisobergrenze festzusetzen, sagte ein Regierungsvertreter. Dies hatten etwa Spanien und Portugal ins Gespräch gebracht.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Grüne wollen Deutschlands wichtigste Energiequelle früher verbieten

Die Grünen intensivieren ihre Klima-Verbotspolitik. Aus der Wirtschaft kommt inzwischen heftiger Gegenwind.

DWN
Finanzen
Finanzen Drohende Bankenkrise: Westliche Notenbanken lancieren Dollar-Notversorgung

Die Notfall-Übernahme der Credit Suisse kann die Nervosität an den Finanzmärkten nicht lindern - im Gegenteil. Große westliche...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steigende Energiekosten belasten den deutschen Mittelstand

Die hohen Energiepreise belasten den deutschen Mittelstand zunehmend stark. Laut einem EU-Geheimpapier sind die aktuellen Umstände für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Toyota-Patriarch enthüllt: „Schweigende Mehrheit“ lehnt Fokussierung auf E-Autos ab

Der Patriarch des japanischen Autobauers warnt mit Blick auf E-Autos vor Risiken. Er gehöre zur „schweigenden Mehrheit“, welche die...

DWN
Politik
Politik Taiwans Kuomintang sucht Annäherung an China

Die oppositionelle Kuomintag verfolgt einen pragmatischen Kurs gegenüber Peking. Nun besucht erstmals ein ehemaliger Präsident Taiwans...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Türkei stoppt Ausfuhr sanktionierter Waren nach Russland

Nach „ernsten Warnungen“ verbietet die Türkei Exporte sanktionierter Produkte nach Russland.

DWN
Finanzen
Finanzen Bankenkrise: UBS übernimmt angeschlagene Credit Suisse

Kurz vor Öffnung der Börsen steht der Mega-Deal: Die schlingernde Großbank Credit Suisse wird vom größeren Konkurrenten UBS...

DWN
Deutschland
Deutschland Varta kündigt Aktien-Emission und Restrukturierung an

Der schwächelnde Batterie-Hersteller will sich über die Ausgabe zusätzlicher Aktien Luft für Restrukturierungen und Investitionen...