Deutschland

Chemie-Branche: „Industrieller Flächenbrand“ bei Wegfall von russischem Gas

Die chemische Industrie fürchtet für den Fall eines Ausbleibens russischer Gas-Lieferungen einen "industriellen Flächenbrand" für die Bundesrepublik.
30.03.2022 16:26
Aktualisiert: 30.03.2022 16:26
Lesezeit: 1 min
Chemie-Branche: „Industrieller Flächenbrand“ bei Wegfall von russischem Gas
Jürgen Fuchs (l), Vorsitzender der Geschäftsführung der BASF Schwarzheide GmbH, spricht mit Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident, über das Unternehmen. (Foto: dpa) Foto: Patrick Pleul

Die chemische Industrie fürchtet für den Fall eines Ausbleibens russischer Gas-Lieferungen einen "industriellen Flächenbrand" für die Bundesrepublik. "Wenn unserer Industrie das Gas ausginge, müssten wir Produktionsanlagen herunterfahren", erklärte der Chef des Branchenverbandes VCI, Christian Kullmann, am Mittwoch gegenüber Reuters. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte zuvor die Frühwarnstufe des sogenannten Notfallplans Gas ausgerufen. Aktuell gebe es aber keine Versorgungsengpässe. Doch müsse Deutschland für eine weitere Eskalation des Gas-Streits mit Russland gewappnet sein.

Komplexe Chemie-Anlagen könne man "nicht einfach mal aus und wieder anschalten wie eine Mikrowelle", sagte Kullmann, der auch Chef des Spezialchemiekonzerns Evonik ist. "Wenn Chemieanlagen einmal heruntergefahren sind, dann stehen sie still für Wochen und Monate", betonte er. Stünden aber die Anlagen der Chemieindustrie still, würden wenig später die Bänder in anderen Branchen wie der Autoindustrie oder dem Maschinenbau folgen: "Es gäbe einen gewaltigen Dominoeffekt durch fast alle Industrien." "Das wäre ein industrieller Flächenbrand", erklärte Kullmann: "Wenn einige Ökonomen jetzt so tun, als ließe sich ohne Gas eine echte, tiefe Rezession vermeiden, sind das akademische Träumereien."

Einen kurzfristigen Ausstieg aus dem Gas sieht der VCI-Chef nicht. "Für die meisten chemischen Produktionsprozesse, bei denen Gas als Rohstoff benötigt wird, gibt es kurz- und mittelfristig keine Alternativen", sagte Kullmann. Auch der Ludwigshafener Chemieriese BASF betonte, eine kontinuierliche Belieferung mit Erdgas sei für die Chemieproduktion unverzichtbar. Erdgas lasse sich weder als Rohstoff noch als Energieträger kurzfristig ersetzen.

Die Frühwarnstufe ist nur die erste von drei Krisenstufen. In der letzten Stufe müsste die Industrie mit staatlichen Einschränkungen ihrer Versorgung rechnen. Auf die Sanktionen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte Russlands Präsident Wladimir Putin mit der Ankündigung reagiert, dass Gas- und Ölexporte künftig in Rubel bezahlt werden müssten. G7-Staaten wie Deutschland lehnen dies ab. Deutschland ist noch stark von Lieferungen russischen Gases abhängig. "Das Primat der Politik gilt", erklärte Kullmann: "Die deutsche Industrie steht geschlossen hinter der politischen Linie dieser Bundesregierung".

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alt gegen Jung: Wie die Generation Z das Arbeitsleben umkrempelt – und was zu tun ist
01.07.2025

Alt gegen Jung – und keiner will nachgeben? Die Generationen Z und Babyboomer prallen aufeinander. Doch hinter den Vorurteilen liegen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt ohne Erholung im Juni: Warten auf den Aufschwung
01.07.2025

Die erhoffte Belebung des Arbeitsmarkts bleibt auch im Sommer aus: Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland nur minimal um...

DWN
Politik
Politik Schlachtfeld der Zukunft: Die Ukraine schickt ihre Kampfroboter ins Gefecht
01.07.2025

Die Ukraine setzt erstmals schwere Kampfroboter an der Front ein. Während Kiew auf automatisierte Kriegsführung setzt, treiben auch...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen bleibt Luxus: Immobilienpreise steigen weiter deutlich
01.07.2025

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind erneut gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Kaufpreise für Häuser und...

DWN
Politik
Politik Trump und Musk im Schlagabtausch: Streit um Steuerpläne und neue Partei eskaliert
01.07.2025

Die Auseinandersetzung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem Tech-Milliardär Elon Musk geht in die nächste Runde. Am Montag und in...