Politik

Streit in Parteispitze – Wer setzt sich durch? Nato-AfD oder Russland-AfD?

In knapp drei Monaten wählt die AfD eine neue Parteispitze. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gibt es Kritik an Parteichef Chrupalla. Innerhalb der AfD bekämpfen sich die Transatlantiker und das russlandnahe Lager. Das deutschnationale Lager unter Höcke wurde bereits abgeschoben.
31.03.2022 14:09
Aktualisiert: 31.03.2022 14:09
Lesezeit: 3 min
Streit in Parteispitze – Wer setzt sich durch? Nato-AfD oder Russland-AfD?
Nato und Russland: Alice Weidel und Tino Chrupalla (l) leiten die Geschicke der AfD. (Foto: dpa) Foto: Jens Büttner

Seit geraumer Zeit gibt es innerhalb der AfD einen ideologischen Richtungsstreit. Innerhalb der Partei gibt es Transatlantiker, ein russlandnahes Lager, das auch offen für China ist, und einen reinen deutschnationalen Kreis um Björn Höcke.

In der AfD-Spitze gibt es nach Angaben aus Parteikreisen Streit über den Russland-Kurs von Tino Chrupalla. Bei einer Sitzung des Bundesvorstands am vergangenen Freitag sollen nach dpa-Informationen auch die Worte gefallen sein, er sei als Bundessprecher ungeeignet. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte bereits am Dienstag berichtet, in der AfD-Spitze sei ein massiver Streit über Chrupallas Kurs entbrannt. Es werde offen diskutiert, ob Chrupalla noch der richtige Parteichef sei. Chrupalla ist ein vehementer Gegner von Sanktionen gegen Russland. Im Jahr 2020 traf er den russischen Außenminister Sergej Lawrow in Moskau.

Auslöser sei dessen Haltung in der Ukraine-Krise und ein immer tieferer Graben zwischen Ost- und Westverbänden in der AfD. Aus einem internen Chat zitierte die Zeitung Bundesvorstandsmitglied Joana Cotar: „Mit jemandem an der Spitze, der sich nicht als Sprecher des Ostens UND des Westens versteht, werden wir keinen Blumentopf mehr gewinnen“. Bei Twitter schrieb sie am Sonntag nach der Landtagswahl im Saarland, mit dem Ergebnis könne die AfD nicht zufrieden sein: „Zeit für eine ehrliche Analyse und eine Politik, die auch im Westen ankommt! #Wechsel #Saarland.“

Nach dpa-Informationen gab es seit Ende Februar mehrere hundert Parteiaustritte - die AfD hatte zum Jahreswechsel etwa 30 000 Mitglieder. Kritiker Chrupallas bringen das in Zusammenhang mit dessen Rede in der Sondersitzung des Bundestags am 27. Februar, wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine. Der AfD-Chef hatte dort gesagt: „Es darf in diesen Tagen aber nicht unser Ziel sein, den einen Schuldigen auszumachen“. Er hatte dazu aufgerufen, mit Blick auf die deutsche Wiedervereinigung 1990 „gerade in diesen Tagen Russlands Beitrag für Deutschland und Europa“ nicht zu vergessen.

Der AfD-Chef hatte zudem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Reaktivierung des Kalten Krieges vorgeworfen. „Ein neues Wettrüsten, lehnen wir ab und deswegen, diese 100 Milliarden Herr Scholz, das ist wirklich irre.“ Chrupalla sprach das vom Kanzler angekündigte Sondervermögen für die Bundeswehr an. Das klang wie ein Widerspruch zum eigenen Parteiprogramm, in dem die AfD für eine Stärkung der Bundeswehr eintritt.

AfD-Bundesvize Stephan Brandner bestätigte auf dpa-Nachfrage, dass es in der Vorstandssitzung am vergangenen Freitag eine Auseinandersetzung gegeben habe. Er habe da aber schon härteres erlebt. Er nannte es zudem „nicht förderlich“, so etwas an die Öffentlichkeit zu tragen. „Auch in Drucksituationen darf man nicht gegeneinander, sondern muss miteinander arbeiten“, sagte er.

Ein Parteisprecher verneinte, dass es Streit über den Russland-Ukraine-Kurs Chrupallas gegeben habe. Der Vorstand habe ausführlich über die allgemeinen Positionen der AfD zum Krieg in der Ukraine diskutiert. Die Frage, ob die Eignung Chrupallas als Parteichef von Mitgliedern des Vorstands in Frage gestellt wurde oder wird, beantwortete der Sprecher ebenfalls mit Nein und verwies auf den im Juni geplanten Parteitag. Dort würden die Delegierten aus ihrer Sicht über die Eignung derjenigen Mitglieder entscheiden, die sich wieder zur Wahl stellten.

Die AfD will auf dem Treffen eine neue Parteispitze wählen. Nach dem Rückzug von Jörg Meuthen führt Tino Chrupalla derzeit die Partei allein. Er hatte schon im vergangenen Jahr angekündigt, wieder antreten zu wollen. Weitere Kandidatinnen oder Kandidaten haben sich bisher nicht öffentlich in Stellung gebracht. Es steht auch die Frage im Raum, ob es bei der Einzelspitze bleiben soll - dafür müsste die Satzung geändert werden - oder ob wieder eine Doppelspitze gewählt wird.

Der Krieg in der Ukraine hat die Debatte über die inhaltliche Ausrichtung, das öffentliche Auftreten und die personelle Aufstellung der AfD neu befeuert. Parteiführung und Fraktion haben den russischen Angriff auf die Ukraine zwar offiziell verurteilt. Doch damit sind die innerparteilichen Diskussionen nicht vorbei. Bezeichnend ist eine Episode aus dem Bundestag in der vergangenen Woche: Der AfD-Abgeordnete Steffen Kotré sagte in einer Rede, der völkerrechtswidrige Angriffskrieg in der Ukraine bringe viel Leid, dieses habe die russische Regierung auf dem Gewissen, aber wenn man darüber rede, müsse man immer die Mitschuld des Westens betrachten. Der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, Norbert Kleinwächter verließ daraufhin nach eigenen Angaben das Plenum und schrieb bei Twitter: „Ich distanziere mich in aller Entschiedenheit von der widerlichen Putin-Propaganda, die Steffen Kotré heute im Bundestag verbreitet hat.“

Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Deutschland dürften sich in allen Parteien transatlantisch ausgerichtete Politiker durchsetzen – genau wie in der Linkspartei. Es ist davon auszugehen, dass Chrupalla gestürzt wird, um eine transatlantische Spitze zu installieren. Zumindest ist das der politische Trend in Deutschland. Am Ende wird die AfD offenbar von „Kalten Kriegern“ übernommen.

Die außenpolitischen Prioritäten dieser AfD-Spitzenfunktionäre sind zu erörtern: Alice Weidel, Stephan Brandner, Beatrix von Storch, Carsten Hütter, Joachim Kuhs, Sylvia Limmer, Jochen Haug, Stephan Protschka, Alexander Wolf, Joachim Paul und Joana Cotar.

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