Wirtschaft

Mariupol wird wichtiges Zentrum der Neuen Seidenstraße

Nach dem Übergang in den russischen Machtbereich wird sich Mariupol zu einem wichtigen Zentrum der Neuen Seidenstraße entwickeln. Die Voraussetzungen dafür sind ideal.
03.04.2022 08:19
Lesezeit: 3 min
Mariupol wird wichtiges Zentrum der Neuen Seidenstraße
Nach der Integration in den russischen Machtbereich könnte Mariupol zum Zentrum der Neuen Seidenstraße aufsteigen. (Foto: dpa) Foto: Maximilian Clarke

Die strategisch wichtige Stadt Mariupol mit ihrem Hafen am Asowschen Meer ist seit Wochen hart umkämpft. Derzeit werden dort offenbar die letzten Reste des ukrainischen Asow-Bataillons von der russischen Armee, den Donezker Streitkräften und den tschetschenischen Spetsnaz vollständig vernichtet.

Doch nach den harten Kämpfen, unter denen auch die Zivilbevölkerung von Mariupol sehr gelitten hat, zeichnet sich nun mittelfristig eine goldene Zukunft für die Stadt und ihre Menschen ab. Denn Mariupol wird voraussichtlich auf die eine oder andere Weise in den russischen Machtbereich eingebunden und wird auch aufgrund seiner Lage eine wichtige Rolle im eurasischen Wirtschaftsraum spielen.

Diese Woche hat es in Mariupol noch starke Kämpfe um Asowstal gegeben, eines der größten Eisen- und Stahlwerke in ganz Europa. Dorthin hatten sich die noch übrigen Asow-Truppen zurückgezogen. Das Werk gehört zur Metinvest-Gruppe, die von Rinat Achmetow kontrolliert wird, dem reichsten Oligarchen der Ukraine.

Russland ist heute der fünftgrößte Stahlproduzent der Welt und verfügt zudem über riesige Eisen- und Kohlevorkommen. Mariupol bezog einst seine Kohle aus dem Donbass, wurde aber in der Folge des Maidan-Putsches im Jahr 2014 zu einem Importeur. So wird jetzt zum Beispiel Eisen aus dem über 200 Kilometer entfernten Kriwbas in der Ukraine bezogen.

Nachdem sich Donezk als unabhängige Republik gefestigt hat oder sich per Referendum für den Beitritt zur Russischen Föderation entschieden hat, wird sich diese Situation voraussichtlich wieder ändern. Mit der Integration Mariupols in den russischen Machtbereich wird Asowstal nun wohl wieder Kohle aus dem Donbass beziehen.

Das Werk investiert in eine breite Palette von Produkten, darunter Baustahl, Eisenbahnschienen, gehärteter Stahl für Ketten, Bergbauausrüstungen, Walzstahl für Fabrikanlagen, Lastwagen und Eisenbahnwaggons. Teile des Fabrikkomplexes sind recht modern, während andere, jahrzehntealte Anlagen dringend einer Modernisierung bedürfen, was die russische Industrie aber sicherlich leisten kann.

Strategisch gesehen handelt es sich um einen riesigen Komplex direkt am Asowschen Meer, das nun de facto zur Volksrepublik Donezk gehört. Es liegt somit in der Nähe des Schwarzen Meeres, was wiederum eine kurze Reise zum Mittelmeer bedeutet. Von dort können Schiffe durch den Suez-Kanal und den Indischen Ozean viele potenzielle Kunden nicht nur in Westasien, sondern auch in Süd- und Südostasien erreichen.

Der Analyst Pepe Escobar erwartet daher "einen regelrechten Boom beim Bau von Eisenbahnen für den Güterverkehr in Russland, China und den zentralasiatischen 'Stans' zu bewirken". Die zentralasiatischen Stan-Länder sind Afghanistan, Kasachstan, Kirgisistan (auch Kirgistan), Pakistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.

Der Eisenbahnbau ist im Übrigen der bevorzugte Verbindungsmodus für die Belt and Road Initiative (Neue Seidenstraße), die von China im Jahr 2013 gestartet wurde, und vor allem auch für den Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (INSTC), ein immer stärker werdendes Güterverkehrsnetz zwischen Indien, Iran, Afghanistan, Aserbaidschan, Russland, Zentralasien und Europa.

Mittelfristig dürfte Mariupol nach Ansicht von Escobar zu einem der wichtigsten Knotenpunkte eines Booms von Nord-Süd-Routen und der Neuen Seidenstraße werden. Russland, der Iran und Indien befänden sich nach den westlichen Sanktionen nun in einem "fortgeschrittenen Verflechtungsmodus" und hätten bereits "Mechanismen zur Umgehung des US-Dollars in ihrem Handel" entwickelt.

Der Internationale Nord-Süd-Transportkorridor wird sich auch zunehmend mit Pakistan verbinden, meint Escobar. Der chinesisch-pakistanische Wirtschaftskorridor sei ein wichtiges Drehkreuz der Neuen Seidenstraße, "das sich langsam aber sicher nach Afghanistan ausdehnt". Der Besuch von Chinas Außenminister Wang Yi letzte Woche in Kabul diente dazu, die Einbindung Afghanistans in die Neue Seidenstraße voranzutreiben.

Russland pflegt nicht nur gute Beziehungen zu Indien, sondern baut gleichzeitig seine Handelsbeziehungen zu Pakistan aus. "Das große Nord-Süd-Konzept sieht also eine fließende Verbindung vom russischen Festland zum Kaukasus (Aserbaidschan), nach Westasien (Iran) bis nach Südasien (Indien und Pakistan) vor", so Escobar. Keines dieser Länder hat Russland mit Sanktionen belegt, obwohl die USA ständig Druck ausüben.

"Wir haben es hier mit der Verzahnung der Neuer Seidenstraße, dem Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor und dem Greater Eurasia Partnership zu tun", so Escobar. Letzteres ist ein Konzept, das von Russlands Präsident Wladimir Putin vorgestellt wurde und eine allmähliche Integration Eurasiens zum Ziel hat, die mit einer wirtschaftlichen Integration begonnen werden soll.

Russland wird die Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU), die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (in Fragen der Sicherheit) und die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, ein Militärbündnis postsowjetischer Staaten, nun verstärkt gegen den Westen in Stellung bringen. Gleichzeitig wird die Greater Eurasia Partnership Russland festigen und einen integrierten Raum in Eurasien schaffen.

Der künftige Schwerpunkt der Neuen Seidenstraße liegt Escobar zufolge wieder verstärkt auf dem Zugang zu unersetzlichen Rohstoffen, was vor allem Russland betrifft, sowie auf der Sicherung wichtiger Lieferungen für die chinesische Produktion. Rohstoffreiche Länder wie Kasachstan und viele Akteure in Afrika werden die wichtigsten Zukunftsmärkte für China sein.

Die Neue Seidenstraße und der Internationale Nord-Süd-Transportkorridor werden zunehmend mit dem Schwarzen Meer verbunden sein, wofür Mariupol gebraucht wird und wovon die Stadt profitieren wird. Nach Ansicht von Escobar könnten die westlichen Teile der Neuen Seidenstraße wegen der schrumpfenden industriellen Basis in Westeuropa nun sogar einer Neubewertung unterzogen werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen XRP-Inhaber strömen zu ALL4 Mining, um mit dem Bitcoin-Mining zu beginnen und verdienen 9.777 US-Dollar pro Tag

Nach zwei Bärenmärkten und einem langwierigen Kampf mit der US-Börsenaufsicht SEC hat XRP endlich seinen Rekord von 2018...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft IWF-Prognose 2025: Deutschland wächst kaum, USA ziehen davon
29.07.2025

Der Internationale Währungsfonds korrigiert seine Prognosen – und plötzlich scheint auch für Deutschland ein leichtes Wachstum...

DWN
Politik
Politik EU knickt vor Trump ein: Jetzt sollen Investitionen die Schmach kaschieren
29.07.2025

Die Europäische Union hat sich den US-Zöllen in Höhe von 15 Prozent unterworfen. Die Flucht nach vorn soll nun über eine Stärkung der...

DWN
Panorama
Panorama Diesel wird immer teurer: ADAC mit neuen Zahlen
29.07.2025

Lange galten Dieselfahrzeuge als Garant für niedrige Kraftstoffkosten – doch diese Rechnung geht immer seltener auf. Der Preisvorteil an...

DWN
Politik
Politik TVöD-Auszahlung: Millionen warten weiter – Gehaltserhöhung verzögert sich
29.07.2025

Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst warten auf die versprochene TVöD-Gehaltserhöhung. Die Tarifeinigung steht, die Auszahlung...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise in Deutschland: Eigentum wird wieder teurer
29.07.2025

Die Preise für Wohneigentum in Deutschland steigen erneut – und zwar fast überall. Während sich die Mieten nur moderat verteuern,...

DWN
Technologie
Technologie Großauftrag für deutschen KI-Chip-Spezialisten Spinncloud
29.07.2025

Das Dresdner Start-up Spinncloud erhält einen Millionenauftrag für seine KI-Chips, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden sind. In...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis von Kursrutsch erholt: Lohnt sich jetzt der Einstieg? Wie Anleger vom Goldpreis profitieren
29.07.2025

Der Goldpreis hat sich vom Kursrutsch erholt und zeigt sich derzeit stabil. Obwohl die Kursrally vorerst abgeflacht ist, tendiert der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Kontrolle, Katars Kapital und Amerikas Cloud: Wer in deutsche Schlüsselindustrien investiert und warum
29.07.2025

Direktinvestitionen aus China, Katar und den USA prägen deutsche Schlüsseltechnologien. Doch hinter den Milliarden stehen strategische...