„Heute stellen wir den radikalsten Plan Europas vor, um von russischem Öl, russischem Gas und russischer Kohle wegzukommen", erklärte der polnischen Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Mittwoch während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Anna Moskwa, der Klimaministerin Polens im westukrainischen Mostyska. Ebenfalls mit von der Partie war Daniel Obajtek, der Chef des polnischen Ölkonzerns PKN Orlen. So war es auch ein Treibstofflager der PKN Orlen in Mostyska, das der Pressekonferenz als Kulisse diente.
Polnische Bemühungen begannen bereits 2015
Bis April, oder spätestens Mai, will Polen laut Morawiecki „vollständig von der russischen Kohle wegkommen.“ Zudem will die polnische Regierung ein konsequentes Kohleembargo gegen Russland verhängen. Auch vom russischen Öl will Polen sich schleunigst verabschieden. So betont der polnische Premierminister, dass sein Land auch hier „den radikalsten Plan in Europa“ verfolge, um noch Ende dieses Jahres auf russisches Öl verzichten zu können.
Von Vorteil ist für Polen dabei, dass das Land bereits seit Beginn der ersten Legislaturperiode der nationalkonservativen PiS-Regierung im Jahr 2015 die energiepolitische Unabhängigkeit von Moskau vorantreibt. So ist laut Zahlen der Kanzlei des polnischen Premierministers der Anteil russischen Öls im Import seitdem um 25 Prozent gesunken – ermöglicht hätte das vor allem das Knüpfen von Handelsbeziehungen mit Produzenten aus anderen Regionen der Welt.
Besonders vorausschauend, erklärt Morawiecki, hätte die polnische Regierung dabei im Hinblick auf russisches Gas gehandelt. Polen habe seine russischen Gasimporte von einem Anteil von 72 Prozent im Jahr 2015 auf 57 Prozent im Jahr 2021 reduziert. Im Jahr 2023 will Polen laut der Kanzlei des polnischen Premierminister schließlich gar kein russisches Gas mehr importieren. Die EU-Kommission fordert Morawiecki zum Handeln auf. Diese solle eine Steuer auf russische Treibstoffe einführen.
Russische Energie: "vom Erpressungs- zum Kriegsinstrument"
Überhaupt dürfe es „keine Wiederholung dieser dummen, kriminellen und schlechten Politik geben, die uns von Russland abhängig gemacht hat und die russische Volkswirtschaft finanzierte, damit Putin und Russland ihr Kriegsarsenal aufbauen und ihre Nachbarn angreifen konnten.“ Mit dem Angriff Moskaus auf die Ukraine hätte sich „ein Instrument der Erpressung in ein Instrument des Krieges verwandelt“.
Deshalb fordert der polnische Premierminister „Nachbarn, Partner und Freunde in der EU“ dazu auf, in die Fußstapfen Polens zu treten und „eine gerechte Steuer zu erheben, die gleiche Bedingungen für die gesamte EU schafft“. „Das ist unser Plan für die Europäische Union, das ist unser Plan dafür, Putin und Russland diese Waffe aus der Hand zu reißen“, betont Morawiecki, laut dem Europa gerade aus einem „geopolitischen und strategischen Schlummer“ erwache.
Den Ausstieg aus dem russischem Öl und Gas will Polen einerseits durch die Nutzung erneuerbarer Energien und andererseits durch den Import von norwegischem Gas stemmen. Zudem sollen die Kapazitäten Polens hinsichtlich des Imports von Flüssiggas zukünftig ausgebaut werden.
Polnische Energiespeicher sind voll
Bis dahin müsse das Land „das sehr teure russische Gas mit dem sehr teuren norwegischen Gas“ ersetzen. Gleichsam verdeutlicht Morawiecki, dass langfristig kein Weg an einer nationalen Energiesouveränität vorbeiführt. Genau dafür aber brauche Polen auch die Gas- und Kohlekraftwerke – damit dem Land dann Strom zur Verfügung stehe, wenn die Erneuerbaren ausfallen.
Die polnische Klimaministerin Moskwa bekräftigt, dass ein Ausstieg des Landes aus russischem Gas machbar sei und erinnert daran, dass in Polen ohnehin eine Pflicht zur Gasspeicherung bestehe. „Wir füllen konsequent unsere Gasspeicher auf. Unsere Lager sind stets vor der Saison im Herbst und Winter voll.“ Derzeit seien die polnischen Gasspeicher zu etwa 60 Prozent gefüllt. Im Krisenfall könne die Regierung laut Moskwa zügig reagieren und das notwendige Gas bereitstellen. Dasselbe gälte auch fürs Öl.
So hätte das polnische Öltransport- und Lagerungsunternehmen PERN von 2015 bis 2021 sowohl die Aufnahme- als auch die Lagerkapazität für Öl um 50 Prozent erhöht. „Dank dieser umfangreichen und beständigen Investitionen können wir uns auch in diesem Bereich sicher fühlen“, erklärt Moskwa. Gleichsam betonen sowohl Morawiecki als auch Moskwa die Bedeutung erneuerbarer Energien für das Erreichen energiepolitischer Unabhängigkeit von Russland. So wolle die polnische Regierung künftig mehr auf Windenergie setzen als bisher.
Polen setzt auch auf Kernkraft, Deutschland nicht
Daneben möchte Polen aber nach wie vor nicht auf Kernkraft verzichten. Die Entwicklung neuer Technologien – kleine, modulare Reaktoren und Mikroreaktoren – in der Kernkraft soll laut Klimaministerin Moskwa noch vor 2030 weitere stabile Energiequellen schaffen. Finanzielle Unterstützung sicherte Moskwa darüber hinaus ebenso für die individuelle Erzeugung von Energie zu, verwies aber auch auf den Wert von Großspeichern sowie Pumpspeicherkraftwerken. Auch PKN-Orlen-Chef Obajtek betont: „Wir sind auf jedes Szenario vorbereitet und führen bereits seit mehreren Jahren einen sehr intensiven Diversifizierungsprozess durch.“
Deutschland hingegen dürfte noch etwas länger auf russisches Gas zurückgreifen müssen. Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärte dazu kürzlich in einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz: „Auch wenn wir unabhängiger von russischen Importen werden, ist es für ein Energieembargo zum jetzigen Zeitpunkt zu früh. Noch wären die ökonomischen und sozialen Folgen zu gravierend.“ Laut Habeck soll Deutschland dann erst Mitte 2024 „weitgehend unabhängig von russischem Gas“ werden.
Dazu brauche es „den Ausbau der Erneuerbaren, die konsequente Senkung des Verbrauchs auf allen Ebenen, Diversifizierung und den schnellen Hochlauf von Wasserstoff.“ Von dem Vorhaben, die letzten drei deutschen Kernkraftwerke trotz der gegenwärtigen Situation bis Ende des Jahres abzuschalten, rückt Berlin bislang jedoch noch nicht ab – obwohl vermehrt Stimmen vernehmbar werden, die um der Energiesicherheit willen für einen Ausstieg aus dem Atomausstieg werben.