Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) kritisiert das Hin- und Her von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei der Isolation von Corona-Infizierten ab Mai. "Freiwilligkeit, nicht Freiwilligkeit - das ist ja ein Chaos in der deutschen Politik zur Zeit leider", sagt BGA-Präsidiumsmitglied und Logistik-Manager Carsten Taucke.
Lauterbach außer Rand und Band
In einer überraschenden Kehrtwende hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach die freiwillige Quarantäne-Regelung für Corona-Infizierte ab dem 1. Mai plötzlich wieder zurückgezogen. "Die Beendigung der Anordnung der Isolation nach Coronainfektion durch die Gesundheitsämter zugunsten von Freiwilligkeit wäre falsch und wird nicht kommen. Hier habe ich einen Fehler gemacht", schrieb Lauterbach am Mittwochmorgen kurz nach drei Uhr auf Twitter (!). Wenige Stunden zuvor hatte er dies in der ZDF-Talkshow "Lanz" angekündigt (!).
Erst am Montag hatte der SPD-Politiker den Vorschlag des Gesundheitsministeriums und des Robert-Koch-Instituts (RKI) für eine neue Quarantäneregelung vorgestellt, nach der sich nur noch das Personal in medizinischen Einrichtungen oder Alten- und Pflegeheimen nach einer Infektion zwingend mindestens fünf Tage hätte absondern müssen. Für den Rest der Bevölkerung sollte nur noch die "dringende Empfehlung" gelten, sich fünf Tage in Isolation zu begeben. Diesem Vorschlag hatten auch die Gesundheitsminister der Länder am Montag zugestimmt.
Einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung über den Impfzwang im Bundestag begründete Lauterbach seine Korrektur damit, dass das Signal einer Abschaffung der bisher vorgeschrieben Isolation von Corona-Infizierten ein "falsches und schädliches Signal" sei. "Der Fehler lag bei mir und hat nichts mit der FDP oder Lockerung zu tun", sagte er angesichts der heftigen Kritik der Länder und Kommunen an der vor allem von Justizminister Marco Buschmann (FDP) erzwungenen Lockerung des Infektionsschutzgesetzes. SPD- und Grünen-Politiker hatten dies mitgetragen, aber danach betont, ihnen persönlich wäre eine weitere allgemeine Maskenpflicht lieber gewesen.
Die Liberalen hatten auch auf eine Lockerung der Quarantäneregeln gedrängt. Hintergrund ist, dass sich derzeit wegen der hohen Fallzahlen bei Corona-Infektionen eine sehr hohe Zahl an Menschen in Quarantäne befindet und die Krankheitsverläufe bei Infektionen mit der Virus-Variante Omikron im Schnitt milder sind als bei früheren Varianten. Am Mittwoch waren laut RKI 4,257 Millionen Personen in Isolation. Die seit Wochen hohen Infektionszahlen führten dazu, dass die Gesundheitsämter ihrer Aufgabe, eine Isolation nach einem gemeldeten positiven Test anzuordnen und zu überwachen, meist gar nicht mehr nachkommen. Lauterbach hatte seinen Schritt zur Freiwilligkeit ab dem 1. Mai mit der gewünschten Entlastung der Gesundheitsämter begründet.
Es ist nicht das erste Mal, dass Lauterbach über Nacht weitreichende Entscheidungen trifft ohne diese zu begründen oder im Vorfeld anzukündigen. Mitte Januar verfügte er quasi von einem Tag auf den anderen, dass der Genesenenstatus halbiert werde und dass Menschen, die sich mit dem Präparat von Johnson&Johnson impfen lassen haben, ihren Status als Geimpfte verlieren.
Komplett den Überblick verloren
Seit Tagen gibt es aber auch Kritik daran, dass mittlerweile der Überblick verloren geht, wie viele Menschen sich überhaupt mit dem Virus infiziert haben. Denn das von der Ampel-Regierung gelockerte Infektionsschutzgesetz hat auch die Testpflicht deutlich zurückgeschraubt. Dies wird als ein möglicher Grund für sinkende offizielle Infektionszahlen gesehen.
Das RKI meldete am Mittwoch 214.985 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Das sind 53.492 Fälle weniger als am Mittwoch vor einer Woche. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sank weiter auf 1322,2 von 1394,0 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen sich innerhalb einer Woche auf 100.000 Personen neu infizieren. 340 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus.
Kommt der Impfzwang?
Am Donnerstag soll der Bundestag über die Einführung eines Impfzwangs abstimmen. Am Dienstagabend hatten die bisherigen Befürworter eines Impfzwangs ab 18 und die eines Impfzwangs ab 50 dazu einen Kompromiss vorgelegt. Danach soll nun ein Impfzwang ab 60 beschlossen werden. Im September soll geprüft werden, ob die Pandemie-Entwicklung auch die Erweiterung eines Impfzwangs ab 18 Jahren nötig macht. Eine Mehrheit im Bundestag für den Kompromiss gilt dennoch als unsicher, weil zahlreiche Ampel-Politiker von SPD, Grünen und FDP keinen Impfzwang oder andere Regelungen wollen. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der oppositionellen CDU, Tino Sorge, kündigte den Widerstand der Union an. Diese hatte ein eignes Konzept einer abgestuften Impfpflicht auf Vorrat vorgelegt. CDU-Chef Friedrich Merz hatte am Dienstag kritisiert, dass es nicht überzeugend sei, dass die Ampel erst die Maskenpflicht weitgehend abschaffe und eine freiwillige Quarantäne einführe und dann einen Impfzwang beschließen wolle.