Politik

Deutsche Botschafterin in den USA gegen Gaslieferstopp: "Wirtschaftliche Macht des Westens war einer der Hauptgründe für das Ende des Kalten Krieges"

Lesezeit: 2 min
19.04.2022 15:22
Emily Haber, deutsche Botschafterin in den USA, hält die ökonomische Stärke Deutschlands für unentbehrlich.
Deutsche Botschafterin in den USA gegen Gaslieferstopp: "Wirtschaftliche Macht des Westens war einer der Hauptgründe für das Ende des Kalten Krieges"
Wirtschaft als Waffe: Nicht zuletzt aufgrund der ökonomischen Überlegenheit des Westens gegenüber dem planwirtschaftlichen Sowjetimperium zog es viele Bewohner des letzteren, sowohl vor als auch nach dem Mauerfall, gen Westen. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die deutsche Botschafterin in den USA, Emily Haber, reagierte auf Twitter auf zunehmend lautere Rufe nach einem deutschen Gas-Embargo gegen Russland, im Zweifel auch auf Kosten der eigenen Wirtschaft – und positionierte sich klar gegen ein solches Unterfangen.

Zuerst betonte Haber jedoch, sie könne "angesichts der Grausamkeit des russischen Krieges" nachvollziehen, dass solche Forderungen an Deutschland gestellt werden, "ungeachtet der wirtschaftlichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben könnten" zu handeln.

Umbruch in der deutschen Außen-, Sicherheits- und Energiepolitik

"Aber führen wir uns vor Augen," setzt Haber fort, "was für ein Umbruch in der deutschen Außen-, Sicherheits- und Energiepolitik bisher stattgefunden hat. Und genauso sollten wir uns auch die beabsichtigten und unbeabsichtigten Folgen eines sofortigen Lieferstopps für russische Energieträger klar machen."

Deutschland habe in einer dramatischen Kehrtwende "die etablierten Grundsätze seiner Außen-, Sicherheits- und Energiepolitik grundsätzlich überholt". Schließlich exportiere Deutschland nun Waffen in die Ukraine, investiere zudem massiv in die eigene Aufrüstung und habe beschlossen, "die russischen Energieimporte vollständig und in rasantem Tempo zu reduzieren, und zwar bis zum Ende dieses Jahres".

"Kalter Entzug" könnte "Wirtschaftsmotor der EU" ins Schleudern geraten lassen

Ein "kalter Entzug" von fossilen Brennstoffen, erklärt Haber, würde jedoch zu einer massiven, sofortigen Erschütterung führen. Moderne Industrieanlagen ließen sich nicht wie ein Lichtschalter ein- und ausschalten. Zudem sei damit zu rechnen, dass man die Auswirkungen nicht nur in Deutschland, "dem Wirtschaftsmotor der EU und der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt", spüren dürfte.

Das Ausmaß der Effektivität eines solchen Embargos wäre hingegen unklar. Auch entsprächen Putins Beweggründe "nicht das Ergebnis einer klassischen Kosten-Nutzen-Analyse" und man müsse bedenken, dass seine Kriegsmaschinerie kurzfristig nicht auf Deviseneinnahmen angewiesen sei.

Wirtschaftliche Macht kann Kriege beenden

"Ja, Deutschland hat zu viel Vertrauen in den Handel als Mittel zur Stabilisierung des Friedens in Europa gesetzt", räumt Haber schließlich ein und bestätigt, dass Deutschland so schnell wie möglich aus den russischen fossilen Brennstoffen aussteigen müsse, "sowohl aus Sicherheits- als auch aus Umweltgründen".

Dabei solle man sich jedoch der der beabsichtigten Folgen sicher sein und die unbeabsichtigten eindämmen. Schließlich erklärt sie: "Die wirtschaftliche Macht des Westens war einer der Hauptgründe für das Ende des Kalten Krieges. Unsere kollektive Fähigkeit, Macht zu projizieren, als Demokratien zu liefern - und der #Ukraine beim Wiederaufbau zu helfen - hängt davon ab."

Für ihre Aussagen erntete Haber auf Twitter eine Menge Kritik, wenn auch kaum eine Antwort auf ihre Tweets sich mit deren Kernaussage befasste: Nämlich der These, dass ökonomische Macht politische Macht und somit auch Wirkmacht in einem Krieg letztlich bedinge.

Dementgegen gibt es jedoch auch prominente Stimmen aus der Wirtschaftsforschung, welche die potenziellen Auswirkungen eines Gas-Embargos auf die deutsche Industrie als weniger dramatisch einschätzen und Habers Prämissen somit nicht gar nicht erst teilen dürften.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...