Politik

Putin: Industriegebiet in Mariupol muss nicht mehr gestürmt werden

Lesezeit: 3 min
21.04.2022 17:22  Aktualisiert: 21.04.2022 17:22
Russland hat die Hafenstadt Mariupol eingenommen. Präsident Putin sieht nun keinen Grund mehr, das dortige Industriegebiet Asowstal zu stürmen, wo 2000 ukrainische Soldaten ausharren.
Putin: Industriegebiet in Mariupol muss nicht mehr gestürmt werden
Putin etwas spricht von der «Befreiung Mariupols». Das abgeriegelte Industriegebiet Asowstal will er vorerst nicht stürmen lassen. (Foto: dpa)
Foto: Mikhail Tereshchenko

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Russlands Präsident Wladimir Putin hat nach wochenlangen Kämpfen die vollständige Eroberung von Mariupol vorerst aufgegeben. Damit bleibt das riesige Stahlwerk Asowstal in der Hafenstadt in der Hand ukrainischer Truppen. "Ich halte die vorgeschlagene Erstürmung des Gewerbegebiets für nicht notwendig", erklärte Putin am Donnerstag bei einem Treffen mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu. "Ich befehle Ihnen, diese abzusagen." Nach russischen Angaben haben sich dort rund 2000 Kämpfer verschanzt. Es sei nicht nötig, in die Katakomben unter dem Werk einzudringen, sagte Putin. "Riegeln sie das Gebiet ab, so dass keine Fliege durchkommt", befahl er Schoigu. Die USA sagten der Ukraine weitere Hilfe mit schweren Waffen zu. Diese würden "direkt an die Frontlinien der Freiheit" geschickt, versprach Präsident Joe Biden nach einem Treffen mit ukrainischen Regierungsmitgliedern in Washington.

Die Großstadt Mariupol mit einst über 400.000 Einwohnern ist seit Beginn des Krieges heftig umkämpft und seit Wochen von russischen Truppen eingeschlossen. Versuche, die Zivilisten zu evakuieren, scheiterten großteils. Laut Schoigu habe man aber mehr als 140.000 von ihnen ermöglicht, die Stadt zu verlassen. Von den ukrainischen Streitkräften rund um das Stahlwerk hätten sich fast 1500 Kämpfer ergeben. Ukrainische Behörden gehen davon aus, dass sich auch rund Tausend Zivilisten auf dem Gelände befinden, zudem mehrere Hundert verletzte Kämpfer. Der Bürgermeister der Stadt, Wadym Bojtschenko, sagte in einer Video-Botschaft, auch am Donnerstag habe es keine Chance für eine Rettung der Menschen aus dem Komplex gegeben. Auch Evakuierungsversuche aus der Stadt insgesamt scheiterten. Es harrten dort noch über 100.000 Menschen aus.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mahnte bei ihrem Besuch im Baltikum eindringlich, die Menschen zu evakuieren. Die Lage dort sei kaum zu ertragen, sagte sie in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Mariupol am Asowschen Meer gilt als strategisch wichtig. Sie liegt zwischen den pro-russischen, selbst ernannten Volksrepubliken von Luhansk und Donezk und der von Russland 2014 annektierten Halbinsel Krim.

Nachdem die russischen Truppen mit ihrem Vormarsch auf die Hauptstadt Kiew stecken geblieben und von dort abgezogen waren, konzentrieren sie nun ihre Offensive auf den Osten des Landes. Derzeit versuchten sie, die ukrainischen Luftabwehrstellungen im Osten des Landes zu zerstören, teilte das britische Verteidigungsministerium auf Basis von Geheimdienstberichten mit. Die Truppen rückten Richtung Kramatorsk vor. Ukrainischen Angaben zufolge haben sie seit Mittwoch kaum Geländegewinne gemacht.

Die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw im Nordosten lag nach Angaben von Bürgermeister Ihor Terechow unter schwerem Beschuss. "Gewaltige Explosionen, die Russische Föderation bombardiert wütend die Stadt", sagte Terechow in einer Fernsehansprache. Etwa eine Million Menschen seien in der Stadt. Rund 30 Prozent der zu Friedenszeiten rund 1,5 Millionen Einwohner seien in Sicherheit gebracht worden - vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen.

LAMBRECHT: SCHWERE WAFFEN ÜBER RINGTAUSCH FÜR UKRAINE

Der Westen will einen Sieg Putins verhindern und unterstützt die Ukraine mit Waffen. Zugleich wollen die Staaten aber nicht selbst Kriegspartei werden. Deutschland steht unter Druck, schwere Waffen wie Panzer oder Artillerie zu liefern. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht will dies über einen Ringtausch mit Partnern aus der EU und der Nato tun, da die Bundeswehr dazu aus eigenen Beständen nicht in der Lage sei. "Da geht es um Panzer, da geht es um Schützenpanzer, da geht es um unterschiedliche Möglichkeiten, die einzelne Länder abzugeben haben. Da sind wir momentan im Gespräch und das geht jetzt auch sehr schnell", sagte Lambrecht dem Sender RTL/ntv. Regierungskreisen zufolge soll im konkreten Fall Slowenien T72-Panzer russischer Bauart abgeben und im Gegenzug Hilfe für Ersatz von Deutschland erhalten.

Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine über einen Waffenstillstand waren zuletzt nicht vorangekommen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestritt, einen russischen Vorschlag erhalten zu haben. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow äußerte sich darüber verwundert und sagte, man warte weiter auf eine ukrainische Antwort.

Die USA verschärften unterdessen die Sanktionen gegen Russland und kündigten weitere Hilfe für die Ukraine an. US-Präsident Biden versprach schwere Artillerie, Munition und Drohnen. Das neue Paket haben eine Wert von 800 Millionen Dollar. Zudem würden Häfen für Schiffe mit Bezug zu Russland gesperrt. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez und die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen reisten zu einem Gespräch mit Selenskyj nach Kiew. Auch Frederiksen sagte dort die Lieferung von mehr Waffen zu.


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