In einem jüngst erschienen 80-seitigen Bericht zur Sicherheitslage im Weltall warnt der US-amerikanische Verteidigungsnachrichtendienst, die Defense Intelligence Agency (DIA), unter anderem vor der zunehmenden chinesischen Aneignung von Weltraumtechnologien mit sowohl zivilem als auch militärischem Einsatzbereich. Vor allem die Entwicklung von Störsendern, die sogenannte "Synthetic Aperture"-Radare (SAR) der US-Amerikaner, wie sie derzeit verstärkt zur Gewinnung von Satellitenbildern in der Ukraine genutzt werden, blockieren sollen, wird im DIA-Bericht als Vorsorge Chinas für künftige militärische Konflikte gewertet.
Zudem erhebt der US-amerikanische Verteidigungsnachrichtendienst schwere Vorwürfe gegen China: Die chinesische Volksbefreiungsarmee betreibe Technologiediebstahl und Wissenschaftsspionage "als Ergänzung zur eigenen Forschung". Dabei bediene sich China "einerseits traditioneller Spionage-sowie Cyberspionagetechniken, andererseits aber auch Open-Source-Datenbanken, Organisationen für Technologietransfer und der Ausnutzung ausländischer Forscher". Diese Strategie diene der gezielten Umgehung von Kosten technologischer Forschung und Entwicklung bei gleichzeitiger Beschleunigung des Fortschritts.
Um einen konkreten strategischen Vorteil im Falle militärischer Konflikte könnte die chinesische Armee die USA jedoch dann bringen, wenn sie tatsächlich, wie im DIA-Bericht gemutmaßt, Störsender entwickelt haben sollte, die auf Synthetic Aperture Radare, also auch Satelliten zur militärischen Aufklärug, abzielen. Fortgeschrittene SARs gelten als besonders zuverlässig, liefern zu jeder Zeit und bei jedem Wetter gute Bilder. Tara Copp, Pentagon-Korrespondentin des US-amerikanischen Online-Portals Defense One, hält diese chinesischen Störsender für den Schlüssel dazu, US-amerikanische oder der USA zugehörige kommerzielle Satelliten daran zu hindern sich ein "klares Bild von Taiwan" zu verschaffen, wie es in der Ukraine der Fall sei.
Generell, betont die DIA, sehe die Volksbefreiungsarmee militärische Operationen im Weltraum als ein Mittel an, um "eine potenzielle US-amerikanische Intervention in einem regionalen militärischen Konflikt abzuschrecken und zu kontern". In der People's Liberation Army Daily, der Zeitschrift des chinesischen Militärs, sei laut DIA sogar dezidiert die Rede davon gewesen, dass man es den USA und ihren militärischen Verbündeten mithilfe der "Zerstörung oder Festsetzung von Satelliten und anderen Sendern" erschweren könne, präzisionsgelenkte Munition zu nutzen.
Zwar plädiere China gemäß dem Bericht des US-Verteidigungsnachrichtendienst zwar offiziell für die friedliche Nutzung und werbe innerhalb der Vereinten Nationen um eine Entmilitarisierung des Weltraums. Doch andererseits widme das Land erhebliche ökonomische und technologische Ressourcen dem Ausbau aller Aspekte des chinesischen Weltraumprogramms. China verbessere, so die DIA, unter anderem seine militärische Raumfahrttechnologien und Kompetenzen in der bemannten Raumfahrt, führe aber auch Erkundungsmissionen auf Mond und Mars durch. Allein in den letzten zehn Jahren, heißt es im Bericht, habe sich die Anzahl aktiver chinesischer Satelliten in der Erdumlaufbahn verdoppelt. Darüber hinaus berichtet die DIA von chinesischem Engagement im Ausbau von Energiewaffen und Antisatellitenwaffen sowie Kompetenzen in der Cyberkriegsführung.
Zweifelsohne sind amerikanisch-chinesische Sticheleien im Weltraum keineswegs etwas neues, sondern stellen vielmehr seit den Zeiten amerikanisch-sowjetischen Säbelrasselns im All eine Kontinuität dar. Doch seitdem US-amerikanische Satellitenbilder Indizien für die Verantwortung Russlands an dem Massaker im ukrainischen Butscha lieferten, dürfte das beiderseitige Aufrüsten im All jeweils noch mehr gegenseitiges Misstrauen erwecken. Zwar hatte das weiße Haus jüngst bekanntgegeben, künftig keine Testungen von Antisatellitenwaffen im Weltraum durchzuführen und andere Länder dazu ermuntert, es den USA gleichzutun.
Doch den prinzipiellen Trend der Entwicklung des Weltalls zum erweiterten Schlachtfeld der Geopolitik – der US-amerikanische Militärforscher Everett Carl Dolman prägte dafür schon 2001 den Begriff der "Astropolitik" – dürfte dieses partikulare Zugeständnis der Amerikaner kaum aufhalten. Erst kürzlich hatte das Pentagon sogar im Gegenteil bekanntgegeben, wieder vermehrt in die Forschung und Entwicklung von Hyperschallwaffen, die ebenfalls auf Satelliten angewiesen sind und somit zur Militarisierung des Weltraums beitragen, zu investieren.