Deutschland

Industrie in Gefahr: Verfassungsrichter a.D. fordert Umdenken bei "Notfallplan Gas"

Der "Notfallplan Gas" sieht eigentlich nur die Priorisierung von Privathaushalten und öffentlichen Einrichtungen vor.
25.04.2022 13:00
Lesezeit: 2 min
Industrie in Gefahr: Verfassungsrichter a.D. fordert Umdenken bei "Notfallplan Gas"
Seit 2019 gilt im Falle eines akuten Gasmangels der "Notfallplan Gas". Ist nun ein Umdenken nötig? (Foto: dpa)

Der ehemalige nordrheinwestfälische Verfassungsrichter Michael Bertrams fordert ein Umdenken bei den deutschen Plänen zur Gasverteilung im Falle eines akuten Notstands. Im Kölner Stadt-Anzeiger kommentierte der Jurist den 2019 ins Leben gerufenen "Notfallplan Gas" und kritisierte, dass laut diesem lediglich privaten Haushalten und sozialen Grunddienstleistern bei der Gasversorgung im Notfall der Vorzug gestattet werden solle.

Im Zuge einer tatsächlichen Umsetzung des Plans stünde, so Bertrams, "die Existenz systemrelevanter Unternehmen auf dem Spiel", weshalb der deutsche Gas-Notfallplan einer Korrektur bedürfe. Zuvor stellte der ehemalige Verfassungsrichter noch klar, dass der hohe russische Anteil an der deutschen Gasversorgung sich "auf absehbare Zeit" nicht ersetzen ließe.

Grundsätzlich besteht der Notfallplan aus einem dreistufigen System zur Krisenbewältigung: Auf die Frühwarnstufe folgt die Alarmstufe und auf diese wiederum folgt erst die Notfallstufe. Erst in dieser letzten Stufe wird ein Eingreifen des Staates in den Gasmarkt ermöglicht. Bislang hat die deutsche Bundesregierung, respektive das Bundeswirtschaftsministerium, das für die Handhabe des Notfallplans zuständig ist, lediglich die Frühwarnstufe ausgerufen.

Lesen Sie dazu: Habeck ruft Frühwarnstufe des „Notfallplans Gas“ aus

In Anbetracht der zunehmenden Verschärfung der Lage in der Ukraine gilt ein Lieferstopp, sei es seitens des Westens oder seitens Moskaus, jedoch als nicht unwahrscheinlich. Bertrams betont, dass "alle diese Regelungen" freilich aber nicht darüber hinwegtäuschen könnten, "dass ihre Anwendung ein etwaiges Ausbleiben von russischem Gas nicht kompensieren, sondern lediglich dazu beitragen kann, die Energiekrise halbwegs sachgerecht zu bewältigen".

Doch eben an der Sachgerechtigkeit dieser Verwaltungsstrategie für den Fall des Gasmangels hat der Verfassungsrichter a.D. seine Zweifel. So sähen "die europäische SoS-Verordnung und das Energiewirtschaftsgesetz (Paragraf 53a) zwar zu Recht eine Sicherstellung der Versorgung besonders schützenswerter Kunden vor", doch zählten zu diesen "schützenswerten Kunden" lediglich Privathaushalte, soziale Grunddienstleister wie Polizeistationen und Krankenhäuser sowie Heizkraftwerke.

"Industrieunternehmen aber gehören dem geschützten Kundenkreis nicht an", bemängelt Bertrams, "auch wenn ihre volkswirtschaftliche Bedeutung noch so hoch ist". Dementsprechend ruft Bertrams zur Korrektur der Verordnung auf – ihre derzeitige Fassung würde im Falle ihrer Umsetzung die "Existenz systemrelevanter Unternehmen" aufs Spiel setzen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Billigfluglinien bereiten sich bereits auf Flüge in die Ukraine vor
13.12.2025

Wizz Air, Ryanair und EasyJet bringen sich in Stellung. Europas Billigfluglinien planen bereits ihre Rückkehr in die Ukraine und rechnen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europa-Krise vertieft sich: JPMorgan warnt vor dramatischen Folgen für Amerika
13.12.2025

Die Warnungen von JPMorgan Chef Jamie Dimon treffen Europa in einer Phase wachsender politischer Unsicherheit. Seine Kritik an der...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Textilrecycling: Wie eine schwedische Gründerin die Branche unter Druck setzt
12.12.2025

Ein junges schwedisches Unternehmen behauptet, die nachhaltigste Lösung für das Textilrecycling gefunden zu haben. Die Methode nutzt CO2,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shein, Temu & Co. betroffen: EU erhöht Kosten für Billigpakete aus Drittstaaten
12.12.2025

Um die Flut günstiger Online-Pakete aus Ländern wie China einzudämmen, beschließt die EU eine neue Importabgabe. Ab Juli 2026 sollen...

DWN
Politik
Politik Regierung reagiert auf Cyberangriffe: Russlands Botschafter einbestellt
12.12.2025

Nach einer Reihe hybrider Angriffe, darunter Falschnachrichten, manipulierte Videos und eine Hacker-Attacke, hat die Bundesregierung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Flix bestellt 65 neue Fernzüge: Ausbau ab 2028 geplant
12.12.2025

Flix will das Fernverkehrsangebot deutlich ausbauen: Das Unternehmen hat beim spanischen Hersteller Talgo bis zu 65 neue Züge geordert....

DWN
Politik
Politik Regierung startet Onlineportal für Bürgerfeedback
12.12.2025

Die Bundesregierung will Bürger und Unternehmen stärker in die Verwaltungsarbeit einbeziehen. Über das neue Portal „Einfach machen“...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU setzt auf Kreislaufwirtschaft: Mehr Rohstoffe aus Schrottautos
12.12.2025

Die EU will die Wiederverwertung von Fahrzeugen deutlich verbessern. Unterhändler des Europäischen Parlaments und der Mitgliedsstaaten...