Finanzen

Gemeinden in Österreich müssen an die Finanzindustrie zahlen, damit ein Geldautomat im Ort ist

Die Banken werden immer dreister.
01.05.2022 09:17
Lesezeit: 4 min
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Auf dem Land dünnt das Bankfilialnetz aus, und immer mehr Bankautomaten verschwinden. Mit anderen Worten: Die Geldinstitute kommen ihrem Auftrag, die Verfügbarkeit von Bargeld sicherzustellen, immer weniger nach. In Österreich sehen sich deshalb Gemeinden dazu gezwungen, Geldautomaten aufzustellen. Die Antwort der Finanzindustrie kann dreister nicht ausfallen: Sie bittet die Gemeinden dafür zur Kasse.

Ein Teufelskreislauf führt schleichend, aber sicher, zur Abschaffung des Bargelds

Der Ausschuss für Konsumentenschutz des Österreichischen Nationalrats (das Pendant zum Deutschen Bundestag) befasst sich mittlerweile mit dem Problem der Bargeldversorgung. Es geht um folgende Themen:

  • Welche Gebühren für den Bezug von Bargeld am Bankschalter und am Geldautomaten verlangt werden; ob Steigerungen dieser Gebühren zu erwarten sind; ob die Einführung neuer Gebühren zu erwarten ist.
  • Inwiefern die Möglichkeiten schwinden, überhaupt noch Zugang zu Bargeld zu haben.

Ähnliches hört man auch aus den Nachbarländern. Die „Tagesschau“ berichtet etwa, dass in Deutschland innerhalb von zwölf Monaten rund 1.500 Geldautomaten abgebaut wurden. Und in der Schweiz könnten in den nächsten fünf Jahren geschätzt etwa die Hälfte aller Bankautomaten verschwinden.

Solche Entwicklungen sind schrecklich. Wenn sie sich fortsetzen, gerät Bargeld in einen Teufelskreislauf: Für die Bürger wird es zunehmend schwerer, bargeldlos zu zahlen, wodurch der Bezug von Bargeld über die Bankautomaten noch einmal sinkt. In der Folge verteilen sich die Betriebskosten für die Automaten auf weniger Nutzer, was steigende Gebühren zur Folge hat. Wenn irgendwann nur mehr ein geringer Anteil der Einkäufe bar bezahlt wird, ist damit zu rechnen, dass eine schnell steigende Zahl von Geschäften Bargeld aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen heraus generell ablehnt. Genau diesen Lauf haben die Dinge bereits in Schweden genommen. Dort ist es in vielen Läden nicht mehr möglich, bar zu bezahlen.

Banken genießen viele Privilegien. Besonders die großen unter ihnen, die riskante und oft unethische Geschäfte unternehmen und sich - wenn diese Geschäfte schieflauen - am Ende vom Staat retten lassen. Wenn es allerdings darum geht, die Aufgaben zu erfüllen, die den Geldinstituten vom Staat übertragen wurden, verhalten sich diese Banken, verhält sich die Finanzindustrie allgemeinen oft auffallend zurückhaltend (es sei denn, eine dieser Aufgaben ist ein lukratives Geschäft). So verhält es sich auch mit der Versorgung der Bürger mit Bargeld.

St. Andrä-Wördern zahlt 3.600 Euro im Jahr für einen Geldautomaten

Die Sitzung des Ausschusses für Konsumentenschutz brachte interessante Dinge an den Tag. So verriet die Nationalratsabgeordnete Ulrike Fischer (Grüne) Folgendes:

„Wir als Gemeinde zahlen in Greifenstein-Altenberg für einen Euronet-Bankomaten monatlich 300 Euro dazu. Das ist eine Gemeinde, in der ältere Leute wohnen, in der Leute ohne Auto wohnen […]. Das wird sehr gut angenommen, aber Euronet würde pro Abhebung 10 Euro verlangen – das wäre natürlich ein Wahnsinn –, also zahlen wir als Gemeinde 300 Euro im Monat dazu.“

Euronet ist eine amerikanische Aktiengesellschaft mit Milliardenumsatz. Sie operiert auf der ganzen Welt. Weil die einheimischen Banken ihrer Verantwortung nicht mehr nachkommen, hat der Konzern in Österreich ein Geschäft gewittert:

„Euronet tritt immer deutlicher aktiv an die Gemeinden heran, ist eine ganz private […] Großfirma, die haben in Europa 28.000 Automaten, in Österreich 190 Automaten – nur, damit man das Verhältnis noch sieht“, so Alfred Riedl (Österreichischer Gemeindebund).

In den Gesprächen mit den Gemeinden verfügt Euronet offenbar über die bessere Verhandlungsposition:

„Neben dem, dass die Bürgerinnen und Bürger belastet werden, kommt immer mehr zum Tragen – und das betrifft mich vor allem auch als Bürgermeister –, dass die Gemeinden unter Druck von den Anbietern geraten und von den Anbietern eingefordert wird, dass die Gemeinden jedes Jahr einige 1.000 Euro zahlen müssen, damit sie überhaupt noch einen Bankomaten in ihrer Gemeinde haben“, so Andreas Kollross (Bürgermeister von Traumau in Niederösterreich und Nationalratsabgeordneter, SPÖ).

Automaten verschwinden vor allem auf dem Land

„Man darf auch nicht vergessen, dass es zwar eine nominell steigende Anzahl von Bankomaten gibt, doch das bedeutet nicht gleichzeitig, dass diese im ländlichen Raum installiert werden – nein, sie werden natürlich hauptsächlich in infrastrukturstarken Gebieten installiert, wo sie auch entsprechend frequentiert werden. Gleichzeitig damit geht in der Fläche auch das Filialsterben einher. Wir haben in den letzten zehn Jahren laut einer Auswertung der OeNB [Österreichischen Nationalbank] rund 700 Zweigstellen verloren“, berichtet Bernd Lausecker (Verein für Konsumenteninformation).

„Derzeit sind nicht nur die Personen im ländlichen Raum in der Versorgung benachteiligt, sondern auch weniger Verdienende, wie es der Kollege von der Schuldnerberatung angesprochen hat, und auch behinderte Personen, weil es nach letzten Studien gerade in kleinen Gemeinden so ist, dass 40 Prozent der Menschen über 5 Kilometer fahren müssen, um zum nächsten Bankomaten zu kommen“, Christian Drobits (Abgeordneter des Nationalrats, SPÖ)

Bargeld stärkt die regionale Wirtschaft

Alfred Riedl vom Gemeindebund hat darauf hingewiesen, dass Bargeld ein Wirtschaftsfaktor ist, und zwar für die lokale Wirtschaft:

„Das Zweite, das mir am Herzen liegt und auch noch zu sagen ist: Bargeld war für uns letztendlich ja auch ein volkswirtschaftliches Thema, das ist ja nicht nur ein betriebswirtschaftliches Thema. Alles, was bar behoben wird und bar eingesteckt wird, wird letztendlich auch in Österreich ausgegeben und nicht irgendwo – sozusagen volkswirtschaftlich – vielleicht im Internet eingekauft. Das ist immer noch auch ein bisschen der Hintergrund.“

Tatsache ist: Bargeld ist ein verbindendes Element. Es ist ein sichtbarer Gegenstand; er verkörpert die Gegenleistung, macht sie fühlbar. Diese Natürlichkeit schafft Vertrauen und Nähe. So ist Bargeld zu vielen Dingen in der Lage, zu denen eine digitale Zahlung nicht fähig ist. Gerade Vertrauen und Nähe sind ein Reiz, etwas bei einem Händler in der eigenen Nähe zu kaufen, statt über das Internet zu erwerben. Und Wochenmärkte sind sogar zwingend auf Bargeld angewiesen.

Politiker der lokalen Ebene mögen das begriffen haben – auf Bundesebene sieht es leider anders aus. So sagte ausgerechnet Österreichs (mittlerweile zurückgetretener) Konsumentenschutz-Minister Wolfgang Mückstein (Grüne):

„Bargeldlose Zahlungen sind nicht nur volkswirtschaftlich, gesundheitspolitisch, klimapolitisch und aus dem Blickwinkel der Bekämpfung der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung zu bevorzugen. Sie haben auch für die Konsumenten gegenüber der Verwendung von Bargeld Vorteile, sofern bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten kostengünstig, bequem und sicher sind. Das zu gewährleisten ist meine vorrangige Aufgabe als Konsumentenschutzminister.“

Wir können es jetzt bei der Feststellung belassen, dass in der österreichischen Regierung Kräfte wirken, die einer schleichenden Bargeldabschaffung keine Steine in den Weg legen wollen. Wichtiger ist jedoch, was wir Bürger wollen. Wollen wir auch in Zukunft problemlos mit Bargeld bezahlen, müssen wir etwas unternehmen, unter anderem:

  • Nach Möglichkeit jeden Einkauf bar bezahlen.
  • Den Mitbürger auf die Vorteile von Bargeld aufmerksam machen. Lesen Sie zunächst unsere Gegenüberstellung »Bargeldverbot konkret«. Dort erfahren Sie, welchen Nutzen dem Bargeld innewohnt, und in was für eine Gesellschaft wir hineinsteuern, wenn wir zulassen, dass die Bargeldabschaffung schleichend Wirklichkeit wird.
  • Auf dem Blog von Bargeldverbot.info finden Sie zahllose Artikel, in denen nicht nur Gegenargumente widerlegt werden, wie sie Wolfgang Mückstein vorgebracht hat, sondern auch wenig bekannte Informationen zu den aktuellen Entwicklungen rund um Bargeld zu finden sind und bisher unbeachtete Aspekte eine Bühne bekommen. Nutzen Sie diesen Wissensschatz. Konfrontieren Sie Ihren Bekanntenkreis damit.
  • Geben Sie gute Artikel auch an Leute weiter, die in den sozialen Medien schreiben, die einen E-Mail-Verteiler haben, Blogger oder Podcaster sind. Wenn wir alle zusammen an der Verbreitung der aufklärenden Informationen arbeiten, werden wir bessere Chancen haben, etwas für das Bargeld und unsere Nachwelt tun zu können.

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