Politik

Scholz fordert sofortige EU-Beitrittsverhandlungen für Nordmazedonien

Seit 17 Jahren wartet Nordmazedonien auf den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen. Jetzt macht Bundeskanzler Olaf Scholz in der Hauptstadt Skopje Druck.
11.06.2022 13:56
Aktualisiert: 11.06.2022 13:56
Lesezeit: 2 min

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die sofortige Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien gefordert. «Die vor zwei Jahren fest zugesagten Beitrittsverhandlungen müssen jetzt beginnen. Ich werde mich jedenfalls dafür stark machen», sagte der SPD-Politiker am Samstag nach einem Gespräch mit Nordmazedoniens Regierungschef Dimitar Kovacevski in Skopje. «Mein Wunsch: Es soll jetzt klappen.»

Er bekräftigte, dass es Deutschland ernst meine mit der Integration der Staaten des westlichen Balkans in die Europäische Union. «Das gilt ganz besonders für Nordmazedonien. Die EU steht besonders gegenüber Nordmazedonien im Wort, das alle Voraussetzungen für den Beginn der Beitrittsverhandlungen erfüllt hat.» Scholz würdigte die «politische Kraft», die eine Verständigung des Landes mit Griechenland möglich gemacht habe. «Deshalb sollte uns der Rest der Aufgaben auch noch gelingen.»

Vor knapp 20 Jahren sei den sechs Ländern des westlichen Balkans der EU-Beitritt in Aussicht gestellt worden. Man habe «als Europäische Union hier auch eine Verpflichtung, die Glaubwürdigkeit unserer eigenen Versprechungen umzusetzen und zu realisieren», sagte der Kanzler.

Kovacevski machte deutlich, dass sich sein Land vom EU-Gipfel am 23. und 24. Juni eine Bestätigung für den Beginn der Beitrittsverhandlungen erhoffe. «Wir erwarten uns einen Schritt, den wir verdient haben.» Nordmazedonien habe große Anstrengungen unternommen und Verwaltung und Justiz reformiert. «Der Besuch von Bundeskanzler Scholz ist ein starkes Signal dafür, dass Berlin anerkennt, dass wir die Kriterien für den Beginn von Beitrittsverhandlungen erfüllen.»

Auch Scholz erkannte an, dass die Bürger und die Regierung des Landes «sehr hart gearbeitet» hätten, um den Weg für Beitrittsverhandlungen frei zu machen. Nun sollte für diese Anstrengungen die Ernte anstehen. Scholz ermunterte das Land, den eingeschlagenen Reformweg weiter zu gehen. Zugleich würdigte er, dass Nordmazedonien die EU-Positionen und Sanktionen gegenüber Russland voll mittrage. «Das ist ein weiterer Beleg dafür, wie fest Nordmazedonien auf dem Grund europäischer Werte steht und auch bereit ist, dafür einzustehen.»

Nordmazedonien ist seit 17 Jahren EU-Beitrittskandidat. Im Juli 2020 gab die EU-Kommission im Prinzip grünes Licht für konkrete Verhandlungen. Diese werden aber von Bulgarien wegen eines Streits um Geschichtsschreibung und Rechte der bulgarischen Minderheit in Nordmazedonien blockiert.

Kovacevski sagte in der Pressekonferenz mit Scholz dazu: «Wir sehen, es gibt politische Turbulenzen in Bulgarien, wir haben darauf keinen Einfluss, wir können das nicht kommentieren oder interpretieren.» Es sei aber augenscheinlich, dass diese Frage im Nachbarland zu einer innenpolitischen Frage geworden sei und «oft einseitig instrumentalisiert und politisiert» werde.

Zugleich seien aber die Außenministerien beider Länder in einem Gesprächsprozess, um die Hindernisse für die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen auszuräumen. «Wenn es dabei zu einer für beide Seiten akzeptablen Lösung kommt, wird dies in einem gemeinsamen Dokument festgehalten», sagte der Regierungschef. «Derzeit gibt es aber ein derartiges gemeinsames Dokument nicht.»

Bulgarien beharrt auf Veto gegen EU-Gespräche mit Nordmazedonien

Bulgarien beharrt auf seine Vorbedingungen für einen Beginn von Beitrittsgesprächen der Europäischen Union mit Nordmazedonien. Dafür müsste durch die EU garantiert werden, dass die in Nordmazedonien lebenden Bulgaren in die Verfassung aufgenommen werden, damit ihre Rechte eingehalten würden, sagte der bulgarische Regierungschef Kiril Petkow am Samstag in Sofia nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Scholz.

Scholz warb auch in Sofia für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien. Er zeigte aber auch Verständnis für die Schwierigkeiten der Kompromisssuche. «Diese Dinge können nicht verordnete werden, sie müssen gemeinsam zustande gebracht werden», sagte er. «Ich denke, es gibt Chancen für Fortschritte.» Scholz rief dazu auf, die historischen Differenzen zu überwinden.

«Die EU muss Teil der Garantie sein, damit wir Schritte vorwärts machen können», so Petkow. Er verlangte auch, dass ein bilateralen Freundschaftsvertrag aus dem Jahr 2017 eingehalten und ein bulgarisches Rahmendokument von 2019 berücksichtigt werden müsse. «Die EU muss Teil der Garantie sein, damit wir Schritte vorwärts machen können», betonte der bulgarische Regierungschef.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kassenbeiträge 2026: Gesundheitsministerium hält Orientierungswert stabil
10.11.2025

Für das kommende Jahr plant Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, den maßgeblichen Orientierungswert für die Entwicklung der...

DWN
Technologie
Technologie KI-Rechenleistung wächst rasant – Europa bleibt im Rückstand
10.11.2025

Die Rechenkapazitäten für Künstliche Intelligenz in Deutschland und Europa sollen laut einer Bitkom-Studie bis 2030 vervierfacht werden....

DWN
Finanzen
Finanzen Goldreserven: Wie der Ukraine-Krieg eine neue Geldordnung auslöst
10.11.2025

Während der Krieg in der Ukraine weiter tobt, sichern sich Zentralbanken weltweit mit Gold ab – aus Furcht vor Sanktionen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Förderstopp bremst Chinas Autoindustrie – auch deutsche Marken betroffen
10.11.2025

Nach dem Ende staatlicher Subventionen für Autos ist der chinesische Pkw-Markt erstmals seit Monaten leicht rückläufig. Im Oktober...

DWN
Politik
Politik Oberstes Gericht könnte Trumps Zölle kippen: Doch was dann?
10.11.2025

Das Oberste Gericht der USA prüft, ob Donald Trump seine Zölle rechtswidrig verhängt hat. Doch selbst wenn die Richter seine Politik...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fachkräfte von morgen fehlen: Zahl der Azubis in Deutschland sinkt weiter
10.11.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland steht unter Druck: Immer weniger junge Menschen beginnen eine Lehre, während viele...

DWN
Politik
Politik Wagenknechts Zukunft im BSW: Rückzug aus der Parteispitze
10.11.2025

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht will den Bundesvorsitz ihrer Partei abgeben. Dies teilte die 56-Jährige in Berlin mit. Gleichwohl will sie...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt zieht an: Preise für Wohnungen und Häuser steigen kräftig
10.11.2025

Die Preise für Immobilien in Deutschland steigen wieder spürbar – besonders in den Metropolen. Laut aktuellen Zahlen des Verbands...