Beim aktuellen Kurs von 135 Yen pro Dollar handelt die japanische Währung so schwach wie seit 24 Jahren nicht mehr. Zudem ist die Börse in Tokio so stark gefallen wie seit März nicht mehr und die Anleiherenditen haben einen neuen Höchststand erreicht. Dennoch hält Japans Notenbank weiter an ihrer extrem lockeren Geldpolitik fest, von der sich der Rest der Welt gerade im Eiltempo verabschiedet.
Der jüngste abrupte Kursverfall des Yen und die Talfahrt bei japanischen Staatsanleihen wurden durch eine neue Verkaufswelle an den globalen Anleihemärkten ausgelöst. Denn vor dem Hintergrund der hohen US-Inflationsdaten vom Freitag erwarten Anleger nun eine noch aggressivere Straffung der Geldpolitik bei der Federal Reserve und suchen entsprechend Zuflucht im Dollar.
Der Yen ist seit Jahresbeginn um fast 15 Prozent gegenüber dem Dollar gefallen und ist somit die Währung mit der schlechtesten Performance. Hintergrund ist, dass die japanische Notenbank die Zinsen weiter niedrig hält, um die schleppende Wirtschaft anzukurbeln, während die US-Renditen aufgrund von Wetten auf weitere Zinserhöhungen der Federal Reserve in die Höhe schnellen.
In seiner Erklärung vor dem Parlament im Vorfeld der Sitzung am Freitag warnte der Präsident der japanischen Notenbank Haruhiko Kuroda, dass der jüngste abrupte Kursverfall der Währung ist schlecht für die japanische Wirtschaft sei. Doch zugleich wies der 77-jährige auch darauf hin, dass die geldpolitische Lockerung fortgesetzt werden müsse.
Zuvor hatte die Notenbank ihre Bemühungen verstärkt, ihre lockere Haltung zu verteidigen, und angekündigt, am Dienstag weitere Anleihen im Wert von 500 Milliarden Yen (3,7 Milliarden Dollar) zu kaufen, um die Zinsen niedrig zu halten. Dies geschah, nachdem die Rendite zehnjähriger Anleihen zum ersten Mal seit Januar 2016 über 0,25 Prozent gestiegen war, dies ist das obere Ende der akzeptierten Spanne.
"Die Bank of Japan (BoJ) wird nun klar erklären müssen, welche Sinn hinter der Obergrenze von 0,25 Prozent steht und ob dieses Niveau im aktuellen Umfeld angemessen ist", zitiert Bloomberg Mari Iwashita, eine leitende Marktökonomin bei der führenden japanischen Investmentbank Daiwa Securities Co.
Der Abwärtsdruck auf den Yen wird anhalten
Obwohl Kurodas währungspolitische Äußerungen den Yen zunächst etwas stützten, verloren Aktien am Montag mit einem Minus von 2,2 Prozent im Topix-Index dennoch so viel wie seit dem 7. März nicht mehr. Selbst die traditionellen Nutznießer eines schwachen Yen, darunter die exportorientierten Elektronik- und Automobilhersteller, beendeten den Tag im Minus.
Hochrangige japanische Beamte hatten bereits am Freitag verstärkt vor dem Verfall des Yen gewarnt, indem sie ihre Besorgnis zum ersten Mal in einer schriftlichen Erklärung zum Ausdruck brachten, da sie versuchen, die Währung zu stabilisieren. Kuroda unterstrich diese Botschaft am Montag und versprach, eng mit der Regierung zusammenzuarbeiten.
Eine kürzlich von Bloomberg durchgeführte Umfrage unter Ökonomen ergab, dass die japanische Notenbank ihre Politik wahrscheinlich erst dann anpassen wird, wenn der Yen die Marke von 140 Punkten durchbricht. Und da die Fed ihren Leitzins schon vor der nächsten BoJ-Sitzung um mindestens einen halben Prozentpunkt anheben wird, dürfte der Abwärtsdruck auf den Yen anhalten.
Die Abschwächung des Yen dürfte sich in unterschiedlicher Weise auf die japanische Binnenwirtschaft auswirken, da sie die Haushalte belastet, aber zugleich den japanischen Exporten Auftrieb verleiht. Eine weitere Abwertung würde den Druck auf benachbarte asiatische Volkswirtschaften wie China und Südkorea erhöhen, die bei ihren Exporten an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen.
Der am Freitag veröffentlichte halbjährliche Bericht des US-Finanzministeriums zum Devisenhandel könnte den Verkaufsdruck auf den Yen noch verstärkt haben, sagte Yuji Saito, Executive Director der Devisenabteilung von Credit Agricole CIB in Tokio. Denn der Bericht legte nahe, dass Währungsinterventionen nur in Ausnahmefällen und nach vorheriger Absprache erfolgen sollten.
Dem Bericht zufolge wird Japan bei einer Yen-Schwäche, die auf eine Ausweitung der Zinsdifferenzen zurückzuführen ist, nicht intervenieren, so Saito. "Der Aufwärtstrend des Dollar-Yen wird wahrscheinlich nicht aufhören, bis die US-Wirtschaft sich verlangsamt oder die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat."
Japan droht der systemische Zusammenbruch
Am Montag griff die japanische Notenbank erneut massiv in den Anleihemarkt ein, nachdem die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen erneut über das obere Ende der akzeptierten Spanne angestiegen war. Die Bank of Japan kaufte Staatsanleihen im Wert von mehr als 1,5 Billionen Yen (11,1 Milliarden Dollar).
Wie George Saravelos von der Deutschen Bank in einem Beitrag vom Montag mit dem Titel "The printer is on overdrive" (Der Drucker läuft auf Hochtouren) errechnet hat, wird die Bank of Japan im Juni etwa 10 Billionen Yen (74 Milliarden Dollar) kaufen, wenn das aktuelle Kauftempo anhält. Dies sei ein "wirklich extremes" Ausmaß, da zugleich alle anderen Zentralbanken der Welt ihre Geldpolitik straffen, so Saravelos.
Der Deutsche-Bank-Analyst sagt, dass er sich Sorgen macht, dass "die Währung und die japanischen Finanzmärkte dabei sind, jede Art von fundamentalem Bewertungsanker zu verlieren." Je mehr die globale Inflation anzieht, desto mehr Geld druckt die BoJ und desto mehr muss sie schließlich auf die Bremse treten, wenn sich die Inflationsklippe nähert, und desto gefährlicher wird es.
Infolgedessen wird Saravelos zufolge bald eine Phase eintreten, in der dramatische und unvorhersehbare Nichtlinearitäten an den japanischen Finanzmärkten einsetzen werden. "Wenn es für den Markt offensichtlich wird, dass das Clearing-Niveau der japanischen Staatsanleihe-Renditen über dem 25-Basispunkte-Ziel der BoJ liegt, welchen Anreiz gibt es dann noch, Anleihen zu halten?"