Warum die Befürworter des Brexits mit ihrem Anliegen letztendlich erfolgreich waren, ist umstritten. Klar sind jedoch einige der schwerwiegenden Folgen von Großbritanniens Austritt aus der Gemeinschaft. So zeigte sich erstmals, dass die Macht des Projekts „EU“ Grenzen hat. Es wurde offenbar, dass ein EU-Austritt tatsächlich möglich ist – auch gegen den massiven Widerstand der Mehrheit der Eliten, und dies verlieh den Kritikern Brüssels auch in zahlreichen anderen Mitgliedstaaten einen Auftrieb, der bis heute anhält. Die Hauptgründe, warum viele Briten für den Brexit stimmten, waren die von Brüssel durchgesetzte überbordende Bürokratie, die starke Zuwanderung nach Großbritannien und der drohende Verlust der britischen Souveränität.
Osteuropäische Staaten
Eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einer fortgesetzten Integration in der EU mit dem möglichen Fernziel der Vereinigten Staaten von Europa sind heute die ehemaligen Staaten des Ostblocks. Denn im Osten wird dieser Weg viel eher als ein utopisches Projekt wahrgenommen.
Mit dem Ukraine-Krieg hat sich nun eine neue existentielle Belastungsprobe für den Zusammenhalt der EU ergeben. Es gibt nämlich einige osteuropäische Staaten, die nicht bereit sind, auf russische Energieträger zu verzichten und ihrer Wirtschaft damit einen unermesslichen Schaden zuzufügen. Dies ist weder ein Rechts-Links-Konflikt noch ein Ausscheren des gesamten Ostblocks. Denn zum Beispiel Polen war von Anfang an einer der größten Scharfmacher gegen Russland.
Doch der verweigerte Verzicht auf russische Energielieferungen durch Ungarn, die Slowakei und Tschechien ist nicht nur eine wirtschaftliche Entscheidung. Es offenbart sich hier auch eine andere Wertehierarchie, die eine gemeinsame EU-Außenpolitik auch in anderen künftigen Politikfeldern in Frage stellt. Während große Teile der EU den gemeinsamen Kampf für grüne Energien und gegen Russland für unabdingbar halten, wollen einige wenige Staaten an billigen Rohstoffen und Geschäften mit Russland im Allgemeinen festhalten.