Unternehmen

Bloß raus aus Russland: Rückzug westlicher Firmen wird zum Eigentor

Als der Ukraine-Krieg begann, wurden westliche Unternehmen zum Rückzug aus Russland gedrängt. Dieser ist zwar schnell verkündet. Doch die Umsetzung gestaltet sich für viele Unternehmen viel schwieriger als erwartet.
05.07.2022 13:39
Lesezeit: 3 min

Bürokratische Hürden, rechtliche Unsicherheiten und fehlende Banker machen es für viele westliche Konzerne schwer, ihre wirtschaftlichen Beziehungen in den russischen Markt hinein endgültig zu kappen. Manche wollen sich die Möglichkeit offenhalten, irgendwann in der Zukunft wiederzukommen. Andere nehmen hohe Abschreibungen in Kauf. Doch eines zeigt das gerade verabschiedete Dekret von Russlands Präsident Wladimir Putin, mit dem er die Kontrolle über ein Gas-Projekt übernahm, an dem ausländische Konzerne wie Shell, Mitsui und Mitsubishi beteiligt sind: Handelt schnell oder gar nicht mehr.

Den Rat nahm sich der Chef des finnischen Kaffee-Rösters Paulig, Rolf Ladau, schon früh zu Herzen. Ihm gelang recht schnell nach dem russischen Angriff auf die Ukraine der Ausstieg. Als Ende Februar westliche Sanktionen gegen Russland verhängt wurden, erkannte der Manager, dass sein Geschäftsmodell dort nicht mehr tragfähig war. Zwar stand Kaffee nicht auf der Sanktionsliste, doch wurde es fast unmöglich, die Bohnen in das Land zu bringen, denn Logistikunternehmen stoppten Lieferungen von und nach Russland. Zahlungen in Rubel wurden immer schwerer. Ladau zog die Reißleine – und fand binnen Monaten einen Käufer. Im Mai ging das Russland-Geschäft an einen indischen Investor.

Solche Prozesse dauern sonst manchmal Jahre. Mehr als tausend westliche Firmen wollen es ihm gleichtun und Russland den Rücken kehren. Doch nur wenige Firmen haben ihr Geschäft schon tatsächlich endgültig abgeben oder lokalen Managern die Schlüssel für ihre Fertigung aushändigen können. Einer Reuters-Umfrage ist dies weniger als 40 großen Konzernen gelungen, darunter etwa McDonald's oder Renault. Denn der Abschied ist komplex. Der Konsumgüterkonzern Henkel etwa ist noch auf der Suche nach endgültigen Lösungen zur Trennung von seinen Russland-Geschäften. Von Verkäufen über eine Übergabe an das russische Management bis zur Einstellung einzelner Aktivitäten reichen die Optionen. Bis Jahresende will Henkel-Chef Carsten Knobel die Verkäufe abschließen.

Virtuelle Verhandlungen

Für einen Rückzug aus Russland gibt es zahlreiche Hürden: Die rechtliche Lage ist undurchsichtig, es herrscht Verwirrung darüber, welche Schritte Russland überhaupt erlaubt. Die Belegschaft ist verunsichert und fürchtet Repressalien, wenn das Geschäft aufgegeben wird. Ein glaubwürdiger und liquider Käufer muss in kurzer Zeit gefunden werden. Die Verkaufspreise sinken zudem, denn potenzielle Käufer wissen, unter welchem Druck die Firmen stehen. Verhandlungen müssen auch virtuell über die Bühne gehen, denn viele westliche Manager scheuen aus Angst die Reise nach Russland. Und die Regierung in Moskau bereitet ein Gesetz vor, das es ihr erlauben würde, die Kontrolle über lokale Geschäfte von Firmen zu übernehmen, die sich aus dem Land zurückziehen wollen. Der Druck steigt.

Auch auf Firmen, die ihren Abschied verkündet haben und sich sicher wähnen, ihn auch umsetzen zu können, lauern Probleme. Der Hamburger-Bräter Burger King etwa hatte im vergangenen März die Unterstützung für seine Filialen in Russland aufgekündigt. Doch geschlossen sind diese noch immer nicht. Komplexe Verträge machten dies schwer, sagen Anwälte. Die italienische Bank Unicredit weitete ihre Suche nach einem Käufer auf Länder wie China oder Indien aus, weil sich in Russland selbst kein geeigneter Bieter fand. Blaupausen für den Rückzug gibt es nicht, viele Unternehmen müssen eigene Wege wählen. Beliebt sind Lösungen, Produktionsstätten an das russische Management zu übergeben – doch das kann schmerzhafte Abschreibungen zur Folge haben. Einige Unternehmen hoffen, nach einem Ende des Kriegs wieder Zugriff auf ihre Fabriken zu bekommen.

Doch ein weiterer Faktor erschwert Verkäufe – es fehlen einfach Banker, die Transaktionen in Russland begleiten können. Viele große Geldinstitute ließen aus Angst vor Verstößen gegen westliche Sanktionen die Finger von diesen Deals – die in normalen Zeiten fast nie ohne sie über die Bühne gehen. Unternehmen müssen sich nun auf Anwälte in Russland und Berater vor Ort verlassen, um liquide und glaubwürdige Käufer zu finden, die auch nicht auf einer der westlichen Sanktionslisten stehen dürfen. „Wenn man den Prozess noch nicht eingeleitet hat, dann wird es künftig noch schwerer werden, Russland zu verlassen“, sagt Ladau. „Es liegt nicht im russischen Interesse, Unternehmen einfach aus dem Land zu lassen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Ukraine, Russland und Europa: Der Kampf um Donald Trumps Aufmerksamkeit
21.05.2025

Russland und die Ukraine befinden sich nicht nur auf dem Schlachtfeld im Krieg, sondern auch auf dem diplomatischen Schachbrett. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CATL erobert Europa - Wie der Batterie-Gigant die Autobranche erobert
21.05.2025

Volkswagen, BMW, Mercedes und Stellantis – sie alle sind abhängig von CATL-Batterien. Während der chinesische Weltmarktführer in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deindustrialisierung läuft: Firmensterben auf Höchststand seit 2011
21.05.2025

Habecks Energiewende ist gescheitert – mit katastrophalen Folgen für die Wirtschaft: Die Zahl der Unternehmensschließungen lag im...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Corona-Lockdown: Gericht weist Schadenersatzklage wegen Ladenschließungen ab
21.05.2025

Non-Food-Händler forderten Millionenentschädigung wegen coronabedingter Ladenschließungen. Der Vorwurf: Eindeutige Verletzung mehrerer...

DWN
Politik
Politik AfD Ausschussvorsitz: Schwarz-Rot verhindert AfD-Politiker - AfD-Kandidatin scheitert im Haushaltsausschuss
21.05.2025

In sechs Ausschüssen des Bundestags hat die Partei „Alternative für Deutschland“ ein Vorschlagsrecht. Wie die SPD haben CDU und CSU...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Überlebensfaktor Cashflow-Management: Wie kleine Unternehmen Liquidität in den Griff bekommen
21.05.2025

Während die EU neue Regulierungen gegen Russland diskutiert und die Zentralbanken die Zinsen weiter hochhalten, kämpfen viele kleine und...

DWN
Politik
Politik Amerika: Hat Joe Biden jemals wirklich die USA regiert?
21.05.2025

Wurde die US-Regierung per Autopen (Unterschriftenautomat) gesteuert? Ein Bericht enthüllt, dass fast alle Biden-Dokumente maschinell...

DWN
Politik
Politik Trumps „Goldener Schild“: USA planen milliardenschweren Raketenschutzschirm
21.05.2025

Donald Trump plant einen gigantischen Raketenabwehrschild – und will ihn in drei Jahren funktionsfähig sehen. Der „Goldene Schild“...