Die Inflationserwartungen privater Haushalte in Deutschland sind weiter gestiegen. Wie aus neuen Daten der Bundesbank hervorgeht, erhöhte sich die erwartete Inflation für die nächsten zwölf Monate von 7,0 Prozent im Vormonat auf 7,5 Prozent im Juni. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 2019. Vor einem Jahr lag der entsprechende Wert noch wesentlich niedriger bei etwas mehr als drei Prozent. Die im Durchschnitt der nächsten fünf Jahre erwartete Inflation stieg im Juni von 5,3 auf 5,4 Prozent.
84 Prozent der Befragten rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit weiter steigenden Inflationsraten, nur 5 Prozent erwarten eine rückläufige Teuerung. Die feste Verankerung der Inflationserwartungen gilt als wichtiges Ziel der Geldpolitik, die vor allem über die Steuerung von Erwartungen funktioniert. Lösen sich die Erwartungen aus ihrer Verankerung, drohen hohe Lohnforderungen, die wiederum Unternehmen zu Preiserhöhungen veranlassen können. Ökonomen sprechen von einer Lohn-Preis-Spirale.
Das Handelsblatt kommentiert dazu: "Die Inflation ist nun Lohntreiber. Und auch wenn sich Ökonomen noch streiten mögen: Die entscheidende Frage für die Wirtschaft ist weniger, ob nach allen Definitionen der Volkswirtschaftslehre wirklich eine Lohn-Preis-Spirale kommt. Die Frage ist: Wie lange geht diese Entwicklung noch weiter? (...) Es ist richtig, die Tarifpartner und insbesondere die Gewerkschaften an ihre Verantwortung in dieser besonderen Situation zu erinnern. Ihr Augenmaß ist ähnlich wichtig wie das der Zentralbanken, damit sich die Inflation nicht wie ein Ölteppich langsam immer weiter über die Wirtschaft legt. Doch wie groß die tarifliche Zurückhaltung sein wird, ist fraglich. (...) Richtig ist: Viele Arbeitnehmer haben in der Krise hart gearbeitet und sich (...) mit Gehaltsforderungen zurückgehalten. Es ist daher verständlich, dass es jetzt Nachholbedarf gibt. Für Unternehmen sind die steigenden Löhne infolge der hohen Inflation neben den explodierenden Energie- und Rohstoffpreisen hingegen eine weitere Hypothek in der aktuellen Krise."
Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt für den Euroraum mittelfristig eine Teuerung von zwei Prozent an. Tatsächlich betrug die Inflation im Juni aber 8,6 Prozent - ein Rekordwert seit Einführung des Euro. Ausschlaggebend sind vor allem hohe Preissteigerungen von Energie und Rohstoffen sowie von vielen Vorprodukten. Die EZB hat zwar Zinsanhebungen zur Dämpfung der Inflation angekündigt. Viele andere Notenbanken haben aber bereits gehandelt und ihre Leitzinsen mehrfach sowie deutlich angehoben.