Politik

Irak: Sitzstreik im Parlament soll neue Regierung durchsetzen

Erneut haben Anhänger des schiitischen Predigers al-Sadr das Parlament in Bagdad gestürmt. Sie fordern einen neuen Premier und eine neue Regierung für den Irak.
30.07.2022 16:38
Lesezeit: 2 min

In der irakischen Hauptstadt Bagdad haben Demonstranten das Parlament gestürmt und einen Sitzstreik begonnen. Dies berichtete die staatliche Nachrichtenagentur INA am Samstag. Es ist bereits das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass Anhänger des einflussreichen schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr in das Parlamentsgebäude eindrangen.

In einem Machtkampf will die Al-Sadr-Bewegung verhindern, dass ihre politischen Gegner um Ex-Regierungschef Nuri al-Maliki eine Regierung bilden können. Die Rivalen des 47 Jahre alten Religionsführers hatten gut zehn Monate nach der Parlamentswahl vor kurzem einen Kandidaten als Premier vorgestellt.

Aus Sicht Al-Sadrs steht aber der für das Amt vorgesehene ehemalige Minister Mohammed Schia al-Sudani dem Ex-Premier Al-Maliki viel zu nahe. Al-Sadr und Al-Maliki sind verfeindet. Außerdem sympathisieren Al-Maliki und dessen Allianz offen mit dem Nachbarland Iran.

Der amtierende Premierminister Mustafa al-Kasimi rief die politischen Lager zum Dialog auf. «Ich appelliere an alle, Ruhe, Vernunft und Geduld walten zu lassen und sich nicht zur Machtprobe hinreißen zu lassen.»

Wie Augenzeugen berichteten, versuchten Sicherheitskräfte zuvor Tausende Demonstranten an der hoch gesicherten Grünen Zone mit Tränengas zurückzudrängen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gab es mindestens 125 Verletzte.

In der rund zehn Quadratkilometer großen Grünen Zone im Zentrum Bagdads befinden sich zahlreiche Regierungseinrichtungen und das irakische Parlament sowie mehrere Botschaften, darunter auch die diplomatische Vertretung der USA. Auf TV-Bildern war zu sehen, wie sich überwiegend junge Menschen im Plenarsaal aufhielten und Fotos von Al-Sadr in die Kameras hielten.

Das Bündnis um Al-Maliki protestierte scharf gegen den Sitzstreik: «Der Staat, seine Legitimität, die verfassungsmäßigen Institutionen und der staatsbürgerliche Friede stehen auf dem Spiel», hieß es in einer Mitteilung.

Beide schiitischen Lager - also das von Al-Sadr sowie das von Al-Maliki - betrachten sich als Gegner. Am Samstag war zudem der erste Tag des schiitischen Trauermonats Muharram, eine Zeit die von vielen öffentlichen Veranstaltungen und Feiertagen der Schiiten geprägt ist.

Im Irak tobt seit der Parlamentswahl im Oktober 2021 ein Machtkampf. Al-Sadrs Liste hatte damals die meisten Sitze gewonnen und bemühte sich um eine Regierungsbildung. Zuletzt traten jedoch Abgeordnete seiner Partei geschlossen aus dem Parlament zurück.

Experten zufolge liegt Al-Sadrs Stärke insbesondere darin, Menschenmassen mobilisieren zu können. Seinen Rückzug aus der Politik deuteten daher einige Beobachter als Schachzug, um Parteien weiter unter Druck zu setzen und einen Sieg der Allianz um Al-Maliki zu verhindern.

Die Wahlbeteiligung war im Oktober auf ein Rekordtief von rund 41 Prozent gefallen. Viele Iraker haben kaum noch Vertrauen in die Politik. Sie kritisieren vor allem die weit verbreitete Korruption.

Al-Sadr gilt als kontroverse Figur. Nach dem Untergang des Regimes von Langzeitdiktator Saddam Hussein im April 2003 bekämpfte seine Armee die US-Truppen, die sie als Besatzer ansahen. Heute gibt er sich gemäßigter. Seine Anhänger leben vor allem in ärmeren Vierteln.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jobabbau bei BASF und Co.: Deutsche Chemie-Industrie historisch schlecht ausgelastet
10.12.2025

Teure Energie, Wirtschaftskrise und Preisdruck: Die deutsche Chemiebranche steckt in der schwierigsten Krise seit 25 Jahren. Auch 2026...

DWN
Politik
Politik Schutz vor Einschüchterung: Bundesregierung beschließt besseren Schutz vor Schikane-Klagen
10.12.2025

Die Bundesregierung schützt Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten künftig besser vor sogenannten Schikane-Klagen. Mit dem Vorhaben...

DWN
Finanzen
Finanzen Kapitalmarkt 2026: Mehr Börsengänge in Deutschland und Europa erwartet
10.12.2025

Mit Ottobock, TKMS und Aumovio zählen drei deutsche Börsendebüts zu den gewichtigsten in Europa im laufenden Jahr. Doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Weihnachtsfeier steuerlich absetzen: So gelingt es – Tipps vom Steuerberater
10.12.2025

Viele Unternehmen möchten ihre Weihnachtsfeier steuerlich absetzen und gleichzeitig die Kosten im Blick behalten. Eine gut geplante Feier...

DWN
Politik
Politik „Reichsbürger“-Verfahren: Prinz Reuß wird zu Vorwürfen sprechen
10.12.2025

Der mutmaßliche „Reichsbürger“ Heinrich XIII. Prinz Reuß wird zu den Vorwürfen eines geplanten „Staatsstreichs“ Stellung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Warum die Rekordausgaben der Tech-Giganten zum Risiko werden
10.12.2025

Die Tech-Konzerne pumpen Milliarden in künstliche Intelligenz und treiben ihre Investitionslast auf historische Höhen. Doch aus dem...

DWN
Politik
Politik Kampf gegen den Klimawandel: EU-Einigung auf Klimaschutzziel für 2040
10.12.2025

Die neuen Klimaziele der EU stehen fest: Der Treibhausgasausstoß soll bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Bei der...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungsmarkt: Angebot an Mietwohnungen steigt in Ostdeutschland
10.12.2025

Angebot runter, Preise rauf. Doch jetzt dreht sich der Trend – zumindest in Ostdeutschland. Allerdings nicht im Berliner Umland, dafür...