Der Telekommunikationskonzern AT&T registriert verstärkte Schwierigkeiten seiner Kunden, ihre Telefonrechnungen fristgerecht zu bezahlen. Dies sagte der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, John Stankey, vor einigen Tagen im Rahmen der Vorstellung der Geschäftszahlen. „Was das Kundengeschäft betrifft, so sehen wir einen Anstieg schlechter Schulden auf etwas höhere Niveaus als vor der Pandemie und erweiterte Zyklen der Zahlungseingänge“, zitiert Business Insider Stankey.
Im Klartext bedeutet das: Vermehrt können Kunden die Rechnungen überhaupt nicht mehr bezahlen oder sie bezahlen sie verspätet.
Indiz für wirtschaftlichen Abschwung?
Die Verschlechterung der Zahlungsbereitschaft könnte ein Indiz für eine beginnende Schwächephase der US-amerikanischen Volkswirtschaft sein. Zwar liegen einige Datensätze weiterhin im positiven Bereich und die Konsumfreudigkeit der Amerikaner ist derzeit im historischen Vergleich noch ausgeprägt, zuletzt zeigten sich jedoch deutliche Anzeichen einer Abkühlung.
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Die am Donnerstag veröffentlichten Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe verstärken den Eindruck eines Abschwungs. Demnach meldeten sich in der Vorwoche rund 260.000 Bürger arbeitslos. Der gleitende 4-Wochen-Durchschnitt ist der höchste seit acht Monaten. Die Zahl der bestehenden Anträge auf Arbeitslosenhilfe stieg ebenfalls – auf den höchsten Stand seit April.
Andererseits wurden in der US-Wirtschaft im Juli deutlich mehr Arbeitsplätze geschaffen. Außerhalb der Landwirtschaft seien 528.000 Stellen hinzugekommen, teilte das Arbeitsministerium am Freitag in Washington mit. Zudem wurde der Beschäftigungsaufbau in den beiden Vormonaten um insgesamt 28.000 Stellen nach oben revidiert. In der Corona-Krise war der Arbeitsmarkt zeitweise dramatisch eingebrochen. Mittlerweile hat er sich deutlich erholt und die Unternehmen klagen über Arbeitskräftemangel.
Das Lohnwachstum hat sich zudem im Juli etwas beschleunigt. Die durchschnittlichen Stundenlöhne stiegen gegenüber dem Vormonat um 0,5 Prozent. Im Monat zuvor waren die Löhne um 0,4 Prozent gestiegen. Gegenüber dem Vorjahresmonat legten die Stundenlöhne wie im Juni um 5,2 Prozent zu.
Ersparnisse schmelzen
Zugleich schmelzen die Ersparnisse der Amerikaner. Wie das Handelsministerium berichtete, ist die durchschnittliche Sparrate im April auf den tiefsten Stand seit 14 Jahren gesunken. Durchschnittlich nur noch 4,4 Prozent der Netto-Einkünfte wurden demnach angespart. Im Dezember des Vorjahres lag die Rate noch rund doppelt so hoch; im September 2021 sogar dreimal so hoch.
Dies alles, nachdem von der Regierung vergebene kostenlose Zuschüsse in gigantischer Höhe und steigende Löhne die Netto-Ersparnisse der Bürger in der akuten Phase der Pandemie zwischen 2020 und Anfang 2022 Schätzungen zufolge um 2,5 Billionen Dollar ansteigen ließen.
Glaubt man den Zahlen des Handelsministeriums, so sind die in den vergangenen zwei Jahren aufgebauten Rücklagen erschöpft und die laufenden Einkommen werden zunehmend von der eskalierenden Geldentwertung aufgezehrt, die zuletzt über neun Prozent pro Jahr betrug.
Das Zusammenwirken von schrumpfenden Rücklagen und hoher Inflation stellt eine signifikante Bremse für die Konjunktur der US-Wirtschaft dar: Denn deren Bruttoinlandsprodukt wird zu etwa zwei Dritteln vom Binnenkonsum generiert. Je mehr die Bürger unter finanziellen Stress geraten, desto eher werden sie ihre Ausgaben für nicht unbedingt notwendige Dienstleistungen und Produkte zurückfahren. Dies trifft alle Volkswirtschaften - die amerikanische aufgrund ihrer Konsumfokussierung jedoch im internationalen Vergleich überproportional stark. Zum Vergleich: In Deutschland trägt der Binnenkonsum Schätzungen zufolge knapp 50 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei.
Entsprechend nervös blicken derzeit viele Unternehmen in die Zukunft. Der Vorstandsvorsitzende der Großbank JP Morgan, Jamie Dimon, etwa schätzt, dass die durchschnittlichen Ersparnisse der Amerikaner in ungefähr sechs Monaten aufgebraucht sein werden. Auch der Vorstandsvorsitzende des Zahlungsdienstleisters PayPal, Dan Schulman, erwartet, dass die Ersparnisse vieler Haushalte zum Jahresende aufgebraucht sein werden, falls die gegenwärtigen Inflationsraten und die Ausgabefreudigkeit Bestand haben, berichtet Business Insider. Schon jetzt sein eine deutliche Kaufzurückhaltung ärmerer Bürger zu beobachten, so Schulman.
Kreditkarten-Schulden steigen rasant
Wie bereits angedeutet, ist der Konsum trotz konjunkturellem Gegenwind, hoher Inflationsraten und schrumpfender Ersparnisse derzeit noch stark ausgepräft. Angetrieben wird er offenbar von einem Boom bei der kurzfristigen Verschuldung, genauer gesagt bei Kreditkarten-Finanzierungen. Wie die Washington Post berichtet, sind die Kreditkartenschulden im zweiten Quartal sprunghaft angestiegen.
Gegenüber dem ersten Quartal ereignete sich ein Anstieg um 5,5 Prozent beziehungsweise 46 Milliarden US-Dollar, wie aus Daten der Zentralbank hervorgeht. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2021 kam es zu einem Anstieg um 13 Prozent – dem stärksten Anstieg auf Jahressicht seit 20 Jahren.
Die gesamten ausstehenden Kreditkarten-Schulden erreichten im zweiten Quartal 890 Milliarden Dollar, rund 100 Milliarden Dollar mehr als im zweiten Quartal 2021. Zudem liegt die Anzahl der Kreditkarten-Konten mit 233 Millionen inzwischen fast wieder auf dem Höchstwert aus dem Jahr 2008, als die Finanzkrise ausbrach.
Weder Banken noch Aufsichtsbehörden können eigenen Angaben zufolge derzeit eine Verschlechterung der Zahlungsbereitschaft bei Kreditkarten-Nutzern erkennen: die Ausfallrate stieg zuletzt zwar leicht, liege aber immer noch unter dem Niveau der Zeit vor der Pandemie.
Daten der Federal Reserve zeigen darüber hinaus, dass sich die Gesamtschulden amerikanischer Haushalte (kumuliert aus Kreditkarten, Hypotheken, Privatkrediten, Studentendarlehen, Autokrediten etc.) zwischen dem ersten und dem zweiten Quartal um rund 2 Prozent oder 312 Milliarden Dollar erhöhten. Seit Ausbruch der Pandemie sind die Gesamtschulden um 2 Billionen Dollar gestiegen.
Fraglich ist, wie lange der schuldenfinanzierte Konsum noch aufrechterhalten werden kann - insbesondere, weil die Zentralbank die Finanzierungsbedingungen mit ihren markanten Leitzinsanhebungen schrittweise verschärft. Auf dem Immobilienmarkt zeigt der davon abgeleitete Anstieg der Hypothekenzinsen bereits erste Bremsspuren.
Insgesamt scheinen die Amerikaner ihr Konsumverhalten angesichts der ernstzunehmenden Inflation zu verändern. Dinge des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel oder Benzin werden auf Kosten von Luxusgütern wie Unterhaltungselektronik oder auch Kleidung präferiert. Einen Ausdruck fand diese Kursänderung zuletzt in Form der Gewinnwarnung des Einzelhändlers Walmart, welcher auf wachsenden Lagerbeständen sitzen bleibt.