Finanzen

Crash-Gefahr: Großinvestoren ziehen verstärkt Geld aus Schwellenländern ab

Großinvestoren ziehen zunehmend Gelder aus den Schwellenländern ab – ein Vorgang, der in der Vergangenheit mehrfach zu Finanzkrisen geführt hatte.
12.07.2022 18:39
Aktualisiert: 12.07.2022 18:39
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Crash-Gefahr: Großinvestoren ziehen verstärkt Geld aus Schwellenländern ab
Die Schwellenländer – wie auf diesem Foto Kairo – werden für Investoren durch die Zinswende uninteressanter. (Foto: dpa) Foto: Khaled Elfiqi

Großinvestoren haben im laufenden Jahr in großem Umfang Gelder aus sogenannten Schwellenländern abgezogen. Bei Schwellenländern handelt es sich nach allgemeiner Lesart um Staaten, die noch nicht auf das Wohlstandsniveau der Industrienationen vorgestoßen sind, sich in den vergangenen Jahrzehnten aber positiv entwickelten.

Wie die Financial Times berichtet, flossen seit Jahresbeginn rund 50 Milliarden Dollar aus (Staats-)Anleihen solcher Länder ab – der höchste Wert seit mindestens 17 Jahren. Im Gegenzug sanken die Kurse der in verschiedenen Fonds gebündelten Staatspapiere beträchtlich, was wiederum die Bewertung der verschiedenen Anleihenfonds drückte, welche große Investmentgesellschaften wie Blackrock oder Statestreet ihren Kunden anbieten. Symptomatisch dafür ist die Entwicklung des JPMorgan EMBI Global Diversified, welcher seit Jahresbeginn mit minus 18,6 Prozent den größten Kursverlust seit Beginn der Aufzeichnungen eingefahren hat.

Geldpolitik in Zeiten der Inflation

Hinter der Entwicklung steht ein ganzes Paket verschiedener Faktoren, die sich teilweise gegenseitig bedingen und zur Flucht der Anleger in vermeintlich „sichere Häfen“ wie den Finanz- und Anlagemärkten der USA, Europas und Japans beigetragen haben.

In erster Linie hat die von der US-Zentralbank eingeleitete geldpolitische Normalisierung – im Zuge derer die Leitzinsen angehoben und die Bilanzsumme abgebaut wird – Kapitalanlagen im Dollarraum attraktiver gemacht, weil nun schlichtwe höhere Zinsen bezahlt werden. Mit jeder Anhebung des Zinsiveaus in den USA verlieren Anleihen ärmerer Länder an Attraktivität, weil sich das Verhältnis zwischen Zinsniveau und Ausfallrisiko verschlechtert. Wenn zehnjährige amerikanische Staatsanleihen wie derzeit rund 3 Prozent Rendite abwerfen überlegen sich Spekulanten vermehrt, ob sich Anlagen in Schwellenländer noch lohnen – welche zwar deutlich höhere Zinsen bieten, jedoch möglicherweise auch als erste im nun angebrochenen Abschwung der Weltwirtschaft unter die Räder kommen.

Die hohe Inflation – Initiatorin der auf dem ganzen Globus stattfindenden geldpolitischen Wende – belastet zudem einige Schwellenländer besonders stark, die zudem noch unter den Nachwehen der Corona-Pandemie leiden. Denn die Kursänderung der Federal Reserve und die bereits beschriebenen Rückflüsse in den Dollarraum haben den Wechselkurs der Weltleitwährungen gegenüber fast allen anderen Währungen gefestigt. Anleger aus Europa oder den US, die in Asien, Lateinamerika oder Afrika in den Landeswährungen investierten, riskieren demnach ein beträchtliches Wechselkursrisiko.

Der dritte Problemkomplex ist die Rohstoffkrise: Während der Pandemie geschlossene Fabriken und Transportsysteme konnten nach der akuten Phase der Krise oftmals nicht wieder in vollem Umfang geöffnet werden – etwa, weil Mitarbeiter in der Pandemie das Unternehmen verließen. Die als Folge der Lockdowns im vergangenen Jahr aufgetretenen Brüche in den weltumspannenden Lieferketten wurden nun vom Krieg und den daraufhin verhängten Wirtschaftssanktionen vertieft. Die dadurch hervorgerufene Rohstoff-Krise hat das Potenzial, eine Depression in der Weltwirtschaft auszulösen.

IWF: Starker Dollar wird zum Problem

Die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Kristalina Georgiewa, sieht vorerst keine Entspannung der wirtschaftlichen Lage weltweit. „Was wir jetzt erleben, ist eine Krise nach der anderen und möglicherweise ein dritter Schock in Form einer Verschärfung der Finanzierungsbedingungen, der nach der Pandemie und zusätzlich zum Krieg kommen wird“, sagte Georgiewa bei einer Veranstaltung in der US-Hauptstadt Washington am Dienstag. „Es ist also eine schwierige Zeit in diesem Jahr. Kommendes Jahr könnte es noch härter werden.“

Die Zentralbanken konzentrierten sich zurecht auf die Inflation, so die IWF-Chefin. „Aber wenn sie das tun, wenn sie die Geldpolitik straffen, was bedeutet das für eine Welt, die mehr Schulden angehäuft hat, um die Pandemie zu bewältigen?“, fragte sie. Dies habe zur Folge, dass die Bedienung von Krediten teurer werde.

Auch der Aufwärtstrend des US-Dollars sei ein Problem für Länder, die ihre Kredite in US-Dollar bezahlen müssten – selbst aber keine US-Dollar verdienten. Für einkommensschwache Länder bestehe die Gefahr einer Schuldenkrise, warnte Georgiewa. Erstmals seit etwa zwei Jahrzehnten hatte der Euro am Dienstag die Parität zur US-Währung erreicht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland bleibt widerstandsfähig: Warum die russische Wirtschaft trotz Krieg nicht zusammenbricht
04.09.2025

Trotz Sanktionen, Kriegsausgaben und Bankenproblemen bleibt die russische Wirtschaft widerstandsfähig. Warum ein Zusammenbruch ausbleibt...

DWN
Finanzen
Finanzen Experten raten: Verkauf der Novo Nordisk-Aktie kann sinnvoll sein
04.09.2025

Die Novo Nordisk-Aktie gilt als Favorit vieler Anleger. Doch Experten zeigen, warum selbst ein Verkauf mit Verlust zum steuerlichen Vorteil...

DWN
Politik
Politik Vertrauen in den Staat auf Tiefstwert: Mehrheit der Bürger hält den Staat für überfordert
04.09.2025

Wie blicken die Bundesbürger auf den Staatsapparat? Neuste Zahlen geben Aufschluss: Drei von vier Bundesbürgern halten den Staat für...

DWN
Technologie
Technologie Elektromobilität: Europas Batterieproduktion droht uneinholbarer Rückstand
04.09.2025

Noch vor zehn Jahren war Europas Autoindustrie technologisch in der Weltspitze. Doch der von China angeführte Umstieg auf die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Frankreich-Schulden: Frankreichs Verschuldung ist außer Kontrolle - Muss der IWF eingreifen?
04.09.2025

Die Frankreich-Schulden treiben das Land in eine politische und finanzielle Krise. Investoren zweifeln an der Stabilität, und die Eurozone...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindersparen statt Konsum: So sichern Sie die Zukunft Ihres Erstklässlers
04.09.2025

Der erste Schultag ist nicht nur emotional ein Meilenstein – er sollte auch ein finanzieller Wendepunkt sein. Experten erklären, warum...

DWN
Panorama
Panorama Pharmaindustrie: Marktstart für Alzheimer-Mittel Lecanemab in Deutschland
04.09.2025

Ab ersten September ist erstmals ein Alzheimer-Medikament erhältlich, das den Krankheitsverlauf verlangsamen kann. Lecanemab soll bei...

DWN
Politik
Politik Justiz überfordert: Unerledigte Verfahren oder Einstellungen bei Staatsanwaltschaften auf Rekordhoch!
04.09.2025

Die Staatsanwaltschaften kommen kaum noch hinterher. Die Aktenberge wachsen und wachsen: Zum Jahresende 2024 gab es einen traurigen...