Politik

Lindner will Steuerentlastung: Topverdiener profitieren am meisten

Der Finanzminister hat angesichts der hohen Preise eine Steuersenkung angekündigt. Jetzt legt er seine Pläne vor. Kritik gibt es auch schon: Topverdiener kämen dabei besser weg als Ärmere.
10.08.2022 13:19
Aktualisiert: 10.08.2022 13:19
Lesezeit: 3 min

Finanzminister Christian Lindner will 48 Millionen Bürger bei der Steuer entlasten. Insgesamt sollen sie im kommenden Jahr mehr als zehn Milliarden Euro sparen, wie der FDP-Politiker am Mittwoch in Berlin sagte: „Rentnerinnen und Rentner, sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Selbstständige: In der ganzen Breite der Gesellschaft sind Menschen davon betroffen.“

Zusätzlich zu einer Anpassung des Einkommensteuertarifs sollen auch das Kindergeld und der Kinderfreibetrag erhöht werden. Die Pläne, die in der Koalition noch nicht abgestimmt und umstritten sind, im Detail:

Das Problem hoher Inflation

Durch den russischen Krieg in der Ukraine ist in Deutschland die Inflationsrate deutlich gestiegen, vor allem durch höhere Preise für Energie. Auch im Juli lag die Inflationsrate weiterhin bei über sieben Prozent. „Für viele Menschen ist das tägliche Leben sehr viel teurer geworden“, sagte Lindner. Zugleich sei auch die wirtschaftliche Perspektive fragiler. „Wir sind also in einer Situation, wo gehandelt werden muss.“ Durch die Steuerreform will er dafür sorgen, dass der Staat weniger an der Inflation mitverdient.

Denn durch die sogenannte kalte Progression droht vielen laut Lindner eine „heimliche Steuererhöhung“: Wegen der hohen Inflation sinkt zwar ihre Kaufkraft, die Steuern bleiben aber hoch. Oder Gehaltserhöhungen, die eigentlich direkt durch die Inflation aufgefressen werden, führen zu einer höheren Besteuerung.

Die Idee des Steuerrechts sei, dass starke Schultern mehr tragen als schmale Schultern, sagte Lindner. „Durch die Inflationsentwicklung werden aber Menschen, deren Schultern gar nicht breiter geworden sind, trotzdem im Steuertarif nach oben geschoben und belastet.“ Die Reform sei also dringend geboten, wenn der Staat nicht heimlich für viele die Steuern erhöhen wolle.

Anpassungen im Steuertarif: Grundfreibetrag und Eckwerte

Um das aufzufangen, will Lindner an den Stellschrauben des Einkommensteuertarifs drehen. Der Grundfreibetrag, also das Einkommen, bis zu dem keine Steuer gezahlt werden muss, soll steigen. Konkret von derzeit 10.347 Euro auf 10.632 Euro im kommenden und 10.932 Euro im Jahr 2024.

Auch weitere Eckwerte des Steuertarifs werden verschoben. So soll der Spitzensteuersatz von 42 Prozent im kommenden Jahr erst bei einem zu versteuernden Einkommen von 61.972 Euro greifen, 2024 dann erst bei 63.515 Euro im Jahr 2024.

Die Grenze für den noch höheren Reichensteuersatz von 45 Prozent will Lindner bewusst nicht antasten, weil er in dieser Einkommensklasse keine zusätzliche Entlastung für nötig hält. Damit, so betonte der FDP-Chef, handele er anders als etwa sein Vorgänger, der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz. Der SPD-Politiker habe bei seiner Reform auch die Reichsten entlastet.

Wer davon wie stark profitiert

Prozentual werden Geringverdiener deutlich stärker entlastet als Topverdiener – in absoluten Zahlen sieht das aber anders aus. So soll ein Bürger mit zu versteuerndem Einkommen von 20.000 Euro im kommenden Jahr 115 Euro weniger Steuern zahlen. Bei einem Einkommen von 60.000 Euro machen die Entlastungen nach Zahlen aus dem Finanzministerium bereits 471 Euro aus. Für noch höhere Einkommen werden sie gedeckelt auf 479 Euro.

Grüne und SPD halten das für sozial unausgewogen. Lindner jedoch betonte, der Deckel setze beim 1,5-fachen des Durchschnittseinkommens an. „Das ist nicht die Spitzenetage der Gesellschaft, sondern das sind die qualifizierten Fach- und Führungskräfte, das ist die Technikerin, das ist der Ingenieur, das sind die Menschen, die noch Tarifentgelte der Gewerkschaften beziehen.“

Wenig Jubel bei Koalitionspartnern

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch kritisierte dennoch: „Steuersenkungen in Milliardenhöhe, von denen Topverdiener dreimal so stark profitieren, wie Menschen mit kleinen Einkommen, gehen an der Realität vorbei.“ Es müssten nun Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen entlastet werden. Auch SPD-Fraktionsvize Achim Post betonte, Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen müssten noch einmal verstärkt unterstützt werden. Dafür seien Direktzahlungen wie die Energiepreispauschale das beste Mittel der Wahl.

Lindner dagegen betonte: „Ich finde, dass zur Fairness gehört, auf der einen Seite diejenigen zu sehen, die Solidarität bedürfen und von uns empfangen. Auf der anderen Seite dürfen aber auch nicht diejenigen vergessen werden, die von den Ergebnissen ihrer Schaffenskraft viel abgeben, um den sozialen Frieden in unserem Land zu erhalten, den Staat handlungsfähig zu erhalten.“

Kindergeld soll zusätzlich steigen

Zusätzlich zur Steuerreform plant Lindner eine Extra-Entlastung für Familien mit Kindern. Das Kindergeld soll in zwei Stufen steigen und dabei auch vereinheitlicht werden. Im kommenden Jahr soll es für das erste, zweite und dritte Kind monatlich je 227 Euro geben. Ab dem vierten Kind kommen 250 Euro aufs Konto. Im Jahr 2024 sollen die Sätze für das erste bis dritte Kind noch einmal angehoben werden – auf 233 Euro.

Das Kindergeld beträgt aktuell je 219 Euro im Monat für das erste und zweite Kind. Für das dritte Kind erhalten Familien 225 Euro, ab dem 4. Kind beträgt das Kindergeld 250 Euro im Monat. Nach Lindners Plänen soll auch der steuerliche Kinderfreibetrag steigen.

Und was ist mit diesem Jahr?

Der Bund der Steuerzahler begrüßte zwar Lindners Pläne für das kommende Jahr. Es handle sich aber nicht um ein echtes Entlastungspaket. Die Freibeträge für Kinder und Erwachsene bei der Einkommensteuer müssten per Gesetz ohnehin der Preissteigerung angepasst werden. Zudem schlage auch im laufenden Jahr mit hoher Inflation die kalte Progression zu – bei einem Single mit Monatsbrutto von 2500 Euro mache das etwa 104 Euro aus, bei einer Doppelverdienerfamilie mit zwei Kindern und Monatsbrutto von zusammen 7000 Euro schon 356 Euro. Das könnten auch das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt nicht ausgleichen.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...