Der russische Staatskonzern Gazprom kündigt für den späten Herbst neue Preissteigerungen an. Diese könnten um 60 Prozent auf mehr als 3.923 Euro pro 1.000 Kubikmeter zulegen. Das gab das Unternehmen im Laufe der Woche in Moskau bekannt.
„Die europäischen Spotgaspreise haben 2.500 Dollar pro 1000 Kubikmeter erreicht“, so Gazprom. „Nach vorsichtigen Schätzungen werden die Preise in diesem Winter 4.000 Dollar pro 1.000 Kubikmeter überschreiten, wenn diese Tendenz anhält.“
Bekanntlich hat die Ukraine eine der Gazprom-Routen für Lieferungen nach Europa geschlossen, Gazprom selbst ist im Streit über eine Gasturbine mit dem für die Wartung zuständigen deutschen Konzern Siemens Energy die Kapazität der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland auf rund 20 Prozent der ursprünglichen Lieferung reduziert.
Insgesamt brachen die Gasexporte von Gazprom zwischen dem 1. Januar und dem 15. August um 36,2 Prozent auf 78,5 Milliarden Kubikmeter ein. Gleichzeitig nahm die Produktion um 13, 2 Prozent auf 274,8 Milliarden Kubikmeter ab. Allein im August sei – immer nach Auskunft des Unternehmens – die Produktion um 32,2 Prozent zurückgegangen.
Die niederländischen Großhandelspreise für Gas erreichten im Frühjahr dieses Jahres ein Rekordhoch von fast 335 Euro pro Megawattstunde (MWh). Seitdem sind sie auf etwa 230 Euro gefallen, allerdings liegen sie damit immer noch viel höher als vor einem Jahr, als sie etwa 46 Euro pro MWh betrugen.
In Deutschland wie auch in vielen anderen europäischen Ländern befeuern die hohen Energiepreis die Inflation. Experten zufolge könnte die deutsche Teuerungsrate im Herbst sogar zweistellige Werte erreichen.
Suche nach Alternativen
Derzeit bemüht sich Deutschland noch vor dem Winter alternative Gasquellen zu finden. Es besteht nämlich die Gefahr, dass Russland die Lieferungen weiter kürzt oder sogar ganz einstellt. Um die Krise abzumildern, sollen nun zwei Flüssiggas (LNG)-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven errichtet werden, deren Betriebsstart aber frühestens im Winter erfolgen kann.
Mit den beiden Terminals kann Deutschland nach Analysten-Angaben jährlich bis zu 12,5 Mrd. Kubikmeter LNG beziehen. Das wären etwa 13 % des deutschen Gasverbrauchs im Jahr 2021. Außerdem dürfte das über diesen Weg aus den USA und von arabischen Lieferanten gekaufte Flüssiggas, ebenfalls sehr teurer sein und kaum zu einer echten Preisentlastung führen.
Gaspreise für Verbraucher steigen von 6,5 Cent auf 21 Cent
Die Gaspreise für Verbraucher sind bereits auf einem historischen Niveau. Dadurch steigen aber auch die Einnahmen des Staates aus der Mehrwertsteuer. Die deutschen Haushalte werden für Gas im Jahr 2022 über 3,6 Milliarden Euro mehr Umsatzsteuer bezahlen als im Jahr 2021. Würde Gas mit dem geringeren Steuersatz von 7 Prozent besteuert, könnten Haushalte um 4,4 Milliarden Euro entlastet werden. Das zeigen Berechnungen des Vergleichsportals Verivox.
Zum 1. Oktober 2022 wird zusätzlich eine neue Gas-Umlage eingeführt. Über die Umlage werden die stark gestiegenen Einkaufspreise der Gasversorger an alle Gasverbraucher weitergegeben. Wird die Mehrwertsteuer darauf fällig, erhält der Staat bei einer Umlagenhöhe von 2,419 Cent/kWh (netto) aufs Jahr gerechnet zusätzlich 1,4 Milliarden Euro von den Haushalten.
„Die neue Umlage katapultiert die Gaspreise dann auf fast 21 Cent pro Kilowattstunde. Sie könnten allerdings noch deutlich höher steigen, denn die Großhandelspreise für Gas liegen derzeit sogar über diesem Niveau. Ein Ende der Preiserhöhungen ist also noch nicht in Sicht. Dieser Winter wird mit Sicherheit der teuerste aller Zeiten werden,“ sagt Thorsten Storck von Verifox.